ganz schön weltfremd (Freie Themen)

Isana Yashiro, Dienstag, 02.03.2021, 06:33 (vor 1152 Tagen) @ Taurec (2256 Aufrufe)

Hallo!

Nach wie vor sehe ich keinen Grund, unsere Kultur als faustisch zu bezeichnen, denn wäre sie das, wären faustische Menschen in ihr grundsätzlich willkommen.


Nochmal: Es geht nicht um einzelne Menschen, sondern den emergenten Charakter des Gesamten. Dieser ist faustisch.

Warum heißt der emergente Charakter des Gesamten den einzelnen faustischen Menschen nicht willkommen?

Natürlich können innerhalb der Kultur faustische Menschen nur von anderen faustischen Menschen unterdrückt und ausgegrenzt werden, weil nur ein faustischer Mensch einem faustischen Menschen gefährlich werden kann. Wenn beide Seiten nicht gleichartige Gedanken hegten und auf dem selben Felde spielten, gäbe es keine Freund-Feind-Erkennung, sondern ein unbelecktes Aneinandervorbeileben.

Daraus folgt, daß Multi-kulti nicht nur funktioniert, sondern noch besser funktioniert als wenn die Angehörigen einer Kultur unter sich blieben. Schließlich lebt der faustische Mensch immer nur an nichtfaustischen Menschen vorbei und kann daher nichtmal in Berlin Gefahr laufen, gemessert zu werden. Das machen demnach nur nichtfaustische Menschen untereinander. Der faustische Mensch grenzt dagegen nur den anderen faustischen Menschen aus, ungefähr so:

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Das fand im Juli 1975 statt. Da waren die photographischen Aufnahmen noch nicht so berauschend. Daher nochmal als größere Zeichnung:

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Das ist ein Rendezvous-Maneuver zwischen einer Apollo-Raumkapsel und einer Soyuz-Raumkapsel und dazu der erste Handschlag im Weltraum. Die faustische Wissenschaft gestattete das im Kalten Krieg!

Schon die Revolutionäre der Französischen Revolution begeisterten sich für Wissenschaft, weil sich gerade bei der wissenschaftlichen Tätigkeit Menschen auf Augenhöhe begegnen. Zwischen den Schlachtfeldern reichten sich auch damals Wissenschaftler aus aller Welt die Hand. Jeder faustische Mensch freut sich nämlich darüber, einen der seltenen anderen faustischen Menschen zu treffen. Falls das passiert, dann unterstützen sie sich gegenseitig und machen sich nicht gegenseitig fertig.

Die Geschichte zeigt aber, dass die meisten Denker und Erfinder seit jeher zunächst auf größten Widerstand stießen und noch stoßen.


Der Rang eines Mannes ergibt sich allerdings nicht daraus, gemocht zu werden.

Das hat auch niemand behauptet.

Und zu ihrem eigentlichen Sein gelangen sie überhaupt nur, indem sie auf Widerstand stoßen. Widerstände sind Grundvoraussetzung für Wachstum, ohne die Denker und Erfinder erst gar nicht zu solchen geworden wären. Denken und Erfinden bedeutet grundsätzlich, früher Gedachtes zu widerlegen und Neues zu entdecken.

Das führt bei einem wirklich faustischem Menschen nicht zum Groll, sondern zur Freude. In ewiger Unwissenheit zu verharren ist schließlich das Letzte, das ein faustischer Mensch wollen könnte. Widerlegt also jemand die eigene Theorie, dann betrachtet man diesen Menschen nicht als Feind, sondern als jemanden, dem man eine neue Erkenntnis verdankt. Das ist für den faustischen Menschen fast schon ein Freund. Man kann endlich weitergehen und sich einer noch drängenderen Frage widmen. Den faustischen Menschen mangelt es nämlich nie an noch drängenderen Fragen. Das hat rein garnichts damit zu tun, ob sich Menschen gegenseitig mögen oder nicht. Aber die Kultur als emergenter Charakter des Gesamten sollte diejenigen, die diesem Charakter entsprechen, willkommenheißen. Weil nämlich dann, wenn sie das nicht tut, das ein klarer Hinweis darauf ist, daß die beiden Charaktere doch nicht harmonieren.

Diese Vorgänge sind (als ein Aspekt des Lebens!) im Kern mit Widerstand der Trägheit des Bestehenden und die Überwindung dessen verbunden.

Das liegt in unserer Kultur daran, daß die meisten Menschen unserer Kultur kein bißchen faustisch sind. Daher kann eigentlich auch der emergente Charakter des Gesamten kein bißchen faustisch sein. Falls das nur Konsequenz der bereits eingetretenen Zivilisationsphase sein soll, dann finde ich das noch einigermaßen plausibel. Dann würde ich sogar hinzufügen, daß Bier und Fußball am Wochenende kein Widerspruch zu anspruchsvolleren Tätigkeiten unter der Woche sind. Aber falls seit jeher der emergente Charakter des Gesamten nur von einer kleinen Minderheit geformt worden sein soll, dann stößt mir das doch als unlogisch und absurd auf. In dem Fall müßte ich dann doch die gesamte Spenglersche Theorie als bei dem Versuch, auf tönernen Füßen zu stehen, eingestürzt ablehnen.

Gruß,
Shiro


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