Die Erklärung schmeckt nicht (Freie Themen)

Isana Yashiro, Dienstag, 09.03.2021, 09:57 (vor 1137 Tagen) @ Taurec (2113 Aufrufe)

Hallo!

Wenn man über das Ende von Zivilisationen (das war die Ursprungsfrage) spricht und sogar schon im Eingangsbeitrag die Wörter "faustisch" und "Spengler" zweimal vorkommen, dann ist maßgebend, was Spengler selbst mit dem Begriff "faustisch" meinte.

  • Hang zum Unendlichen
  • Raum- und Zeitüberwindung
  • Abstraktion, Drang hinter die sinnlichen Dinge
  • Davon ausgehend: ein dynamisches, abstrahierendes Weltbild in Beziehungsgefügen und Funktionen
  • Eben in Anlehnung an Goethes Faust (Spengler verehrte Goethe als eine Säule seines Weltbildes) wissen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält, wobei diese geflügelten Worte bei Spengler meines Wissens nirgendwo zitiert werden. Sie treten aber zwischen den Zeilen als Sinn hervor.

Ich frage mich übrigens, warum Isana Yashiro schon in seinem Eingangsbeitrag und später immer wieder von "faustisch" oder der "faustischen Zivilisation" redet, dann aber schreibt: "Das liegt in unserer Kultur daran, daß die meisten Menschen unserer Kultur kein bißchen faustisch sind. Daher kann eigentlich auch der emergente Charakter des Gesamten kein bißchen faustisch sein."
War ihm denn überhaupt klar, was er selbst damit meint, wenn ihm dann die Erklärung nicht schmeckt?

Ich hatte mich einfach angepaßt an den hier forumsüblichen Sprachgebrauch. Die Zivilisation, in der wir leben, wurde hier schon öfter die faustische genannt. Ich halte es für kaum sinnvoll mit Adjektiven um mich zu werfen, deren Definition nur ich selbst kenne, so daß mich dann niemand verstehen könnte. Also muß ich mich an den üblichen Sprachgebrauch anpassen und nicht andersherum alle anderen an meinen.

Nach Beas Beiträgen fiel mir dann auf, daß sich die meisten Menschen innerhalb unserer Zivilisation tatsächlich nicht mit ihr identifizieren. Die Frage beispielsweise, ob die Erforschung des Weltraums nichts weiter als eine große Geldverschwendung ist, wird nicht von außen an uns herangetragen, sondern erfolgt immer wieder aus den eigenen Reihen. Die Raumfahrt wurde von einem weisen Menschen so beschrieben: „Ich gehöre zu der Generation, die noch zwischen Verstand und Vernunft unterscheidet. Von diesem Standpunkt ist die Raumfahrt ein Triumph des Verstandes, aber ein tragisches Versagen der Vernunft!“ Andere Sprachen lassen nichtmal zu, Kritik auf diese Weise zu formulieren! Hier zum Beispiel einmal per DeepL ins Englische geprügelt: "I belong to the generation that still distinguishes between reason and sanity. From this point of view, space travel is a triumph of reason, but a tragic failure of reason!" Das Wörterbuch LEO führt auch Verstand und geistige Gesundheit als Übersetzungen für sanity auf.

Während man auf unserer Seite der Welt noch immer nicht weiß, was man will, knipsen die Chinesen ein Bild vom Mars:
[image]

Das ist die Nordpolregion. Die Chinesen investieren ein paar Monate in die Suche nach einem geeignetem Landeplatz statt die Sonde einfach irgendwo runterzuschmeißen wie westliche Raumfahrtagenturen das machen.

Was ist wohl klüger? Sollten wir jedoch das Verhalten der anderen als klüger ansehen, warum sollte dann noch wichtiger sein wie Spengler faustisch definiert hatte?

Also ich denke, daß Raumfahrt (und auch andere Projekte) nicht als klug anzusehen und sie dennoch durchzuführen, weil wir das als eine Art uns aufgetragener Mission empfinden, das ist faustisch. So verstehe ich den Begriff. Zugleich löst er dann jedoch Verwunderung in mir aus und zwar darüber, warum es dann überhaupt Kritik an der Raumfahrt gibt. Ich führe das vorläufig auf eine Verirrung in den Materialismus zurück. Faustisch kann eigentlich nur funktionieren, solange man nicht materialistisch ist. Zugleich soll die Zivilisation jedoch nur bestehen können, während ihre Träger materialistisch sind.

Gruß,
Shiro


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