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Verbreitung und Verhängnis des Christentums (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 10.08.2016, 17:40 (vor 2778 Tagen) @ Leserzuschrift (8898 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 01.09.2017, 08:57

Hallo!

Gut, du bist der Meinung, daß sich das Christentum (wie später auch der Islam, der wahrscheinlich ursprünglich sowieso eine christliche Sekte war) nur für den arabischen Raum eignet. Wie konnte es sich dann überhaupt über die gesamte Welt ausbreiten? Wieso ging die Europa eigene Religion unter?

Spengler lesen und verstehen oder den von mir im Vorbeitrag eingestellten Orientalisten!

Die antike, griechisch-römische Kultur war tot, aber ihre Formen standen noch. Seit Christi Geburt drang aus dem Nahen Osten massiv das neue Weltgefühl in die erstarrte Hülle des römischen Reiches und formte dieses innerlich um. Ab dem 3. Jahrhundert war der antike Geist restlos erloschen und das römische Reich zu einem "christlichen Kalifat" umgeformt, in dem noch alles äußerlich die alten Namen und die alte Gestalt hatte.

Spengler vergleicht das mit der Pseudomorphose, dem Vorgang des Wachsens eines Kristalls in eine steinerne Hohlform, so daß er äußerlich deren Form annimmt. Deswegen ist er aber nicht Stein, nicht Teil des Steins, sondern Kristall in einer fremden Form, die vor ihm da war. Selbst nach Verschwinden des Steins erhält der Kristall die längst vergangene Fremdform aufrecht.

Die Germanen, die sich später darüberlegten, haben diese christlich-antike Mischung übernommen und machten daraus das abendländische Christentum. Es war aber nur äußerlich. Übernommen wurde die Institution der Kirche, die auf Resten der antiken Verwaltung beruhte, und die heilige Schrift sowie Schriften der Kirchenväter, an die alle geglaubt wurde, obwohl man ihren Inhalt gar nicht so verstand, wie er ursprünglich gemeint war.
Der Grund für die Verbreitung lag nicht darin, daß das Christentum wahrer wäre als andere Religionen, sondern war politisch. Das Christentum war im spätrömischen Reich Staatsreligion und die Germanen, die einsickerten und von unten her die Macht übernahmen, wurden eben christlich. Das versprach in dieser Gesellschaft Akzeptanz und legitimierte den Herrschaftsanspruch, auch nach dem Untergang Westroms über die italische Restbevölkerung.

Das Leben ist stets subjektiv. Jeder Mensch und auch jede Kultur sieht und deutet die Welt, alles was von außen kommt, vor dem Hintergrund der eigenen Innenwelt, der eignen Seele. Folglich haben die Germanen die Bibel und sonstige kirchliche Inhalte und Formen germanisch interpretiert. Was entstand, war eine Aberration der germanischen Religion mit Jesus statt Odin, was freilich auch eine völlige Entstellung des nahöstlichen Urchristentums ist.

Nicht "das Christentum" hat sich verbreitet, sondern die äußere Form über mehrere Kulturkreise. Jeder hat seine eigene, in ihm veranlagte, individuelle Religiosität mit der christlichen Form ausgedrückt, so daß eine Reihe alleinstehender Christentümer entstand, die jedes aus dem Material die eigene Religiosität der Ausübenden herauslesen. Selbst wenn sich Christen aus verschiedenen Kulturkreisen austauschen, teilen sie zwar die Motive und Begriffe, verbinden empfindungsmäßig aber jeweils einen anderen Gehalt damit, so daß sie zwar die gleiche Sprache sprechend meinen, sich auszutauschen, in der Tat sich aber einer inneren Gesetzmäßigkeit gehorchend mißverstehen.

Mit dem für uns nicht geschaffenen Material zu leben, ist wie Suppe mit einer Gabel zu essen. Man bekommt zwar stets etwas Substanz zu fassen, was aber nicht vergleichbar ist, hätte man den eigenen Löffel nicht zugunsten der fremden, unpassenden Gabel aufgegeben.
Das Christentum ist bestenfalls mit großen Abstrichen annehmbar. Wer auf Erkenntnis aus ist, kommt nicht daran vorbei, es in sich zu überwinden und große Teile als unpassend/unwahr/falsch abzulegen. Dazu gehört auch die ganze Jesu Wiederkehr- und Entrückungsklamotte.

Und ich fürchte, daß mit dem Christentum in seiner überkommenen und derzeitigen Form eine Renaissance des Abendlandes nicht möglich ist. Der Wurm sitzt schon im Fundament und läßt jede Neuerrichtung morsch werden, so daß sie irgendwann wieder an denselben Sollbruchstellen zerbrechen würde. Nicht zuletzt beruht der gegenwärtige Vorgang der kulturellen Selbstauflösung auf säkularisierten und verdrehten christlichen Werten, die das Abendland gegen sich selbst gerichtet hat (Fernstenliebe statt Nächstenliebe).
Ob dieser Selbsthaß möglich gewesen wäre mit einer heroischen, selbstherrlichen germanischen Religion, welche die eigene Stärke anspricht, statt des Christentums, das passiv auf Erlösung wartet, die eigene Sündhaftigkeit anspricht und damit die negativen Bestandteile jeder Seele? Solange die abendländische Kultur vital war, war dieser Aspekt des Christentums quasi "unter Kontrolle". Nunmehr, in einer Phase äußerster Schwäche reicht es womöglich nicht hin, um das Feuer wiederzubeleben. Da muß etwas Stärkeres her.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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