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Der Irrsinn der Chipdeutung (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Samstag, 17.10.2020, 16:14 (vor 1294 Tagen) @ Frank Zintl (2067 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Samstag, 17.10.2020, 16:20

Hallo!

Wenn man aber so wie ich damit rechnet, dass das Malzeichen ein konkretes technisches Hilfsmittel ist, das erst seit der Jahrtausendwende zur Verfügung steht, dannn KÖNNTE man auch auf die Deutung kommen, dass der Verbannte auf Patmos nicht nur im Rausch vor sich hinphantasiert hat. Dann könnte man von einem präkognostischen Treffer über 1900 Jahre hinweg spreche. Und mehr noch: das wäre dann ein Anlass um auch andere Ankündigungen der Offenbarung Ernst zu nehmen, womöglich gar ihrer Verwirklichung Widerstand entgegen setzen.

Nein, könnte man nicht. Das liegt schon in der Aussage selbst begründet, die viel zu kryptisch ist, um daraus eine eindeutige Vorhersage über Dinge abzuleiten, die ein Mensch vor 1900 Jahren niemals hätte wissen können und daher seherisch in Erfahrung bringen müssen.

Offb. 13,16–17: "16Und es brachte alle dazu, die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, sich ein Malzeichen zu machen auf ihrer rechten Hand oder auf ihrer Stirn. 17Niemand soll kaufen oder verkaufen können, der nicht das Malzeichen trägt, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens."

Um von valider Präkognition sprechen zu können, müßte die Aussage im vorhinein (mit juristischem Vokabular ausgedrückt) "hinreichend bestimmt oder bestimmbar" sein, sodaß einwandfrei festgestellt werden kann, was genau gemeint ist. Das ist nämlich die Voraussetzung, um überhaupt erkennen zu können, wann die Aussage eingetroffen wäre. So, wie sie von den geneigten Interpreten ausgelegt wird, muß man die mutmaßlich vorausgesagte Technik selbst aus seiner Gegenwart zunächst kennen, um sie in der Offenbarung wiederfinden zu können. Man liest also etwas in die Offenbarung hinein und wertet dies als treffende Voraussage des Hineingelesenen. Das ist ein klassischer Zirkelschluß, dessen argumentatorische Grundbedingungen ihre Richtigkeit unter der Voraussetzung erhalten, daß die auf Grundlage dieser Vorbedingungen gezogene Schlußfolgerung richtig ist. Es handelt sich um einen Scheinbeweis zweier sich gegenseitig stützender, jedes für sich haltloser Postulate: 1. Die Offenbarung wäre präkognitiv. 2. Die jetzt technisch als möglich erscheinende Verchippung sei darin vorausgesagt worden.
Viel ehrlicher wäre das Eingeständnis, daß man aufgrund religiös-dogmatischer Indoktrination die Offenbarung für eine göttlich inspirierte Verheißung hält, die allein aufgrund dessen eintreffen muß und wird.
In Wirklichkeit gibt es aber nichts, das dafür spricht.

Es hat mir übrigens noch niemand der auf diese Stelle Fokussierten erklären können, warum das Malzeichen des Tieres eine konkrete technische Anwendung sein soll, wenn an anderer Stelle der Offenbarung ein offenbar spiegelbildlich gemeintes "Siegel Gottes auf der Stirn" vorkommt:

Offb. 7,2–3: "2Und ich sah einen anderen Engel, der stieg herauf vom Aufgang der Sonne; er hatte ein Siegel des lebendigen Gottes und rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen Macht gegeben ist, Schaden zu bringen dem Land und dem Meer: 3'Bringt nicht Schaden dem Land noch dem Meer noch den Bäumen, bis wir die Knechte unseres Gottes mit dem Siegel bezeichnet haben auf ihren Stirnen!'"

Offb. 9,3–4: "3Aus dem Rauch [des Schachtes] kamen Heuschrecken über die Erde, und es wurde ihnen Kraft verliehen, eine Kraft, wie die Skorpione der Erde sie besitzen. 4Und es wurde ihnen befohlen, sie sollten weder das Gras der Erde schädigen noch irgend etwas Grünes noch irgendeinen Baum, sondern nur die Menschen, die nicht das Siegel Gottes auf den Stirnen tragen."

Offb. 14,1: "1Ich schaute, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Sion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die seinen Namen tragen und den Namen seines Vaters, geschrieben auf ihren Stirnen."

Offb. 22,3–4: "3Nicht Fluchbeladenes wird es mehr geben. Der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein, und seine Knechte werden ihm dienen. 4Sie werden sein Angesicht schauen, und sein Name ist auf ihren Stirnen."

Offenbar gibt es in der Symbolsprache der Offenbarung nicht nur ein Zeichen des Tieres, das dessen Anhänger annehmen sollen, sondern auch ein Zeichen Gottes, das dessen Anhänger auf der Stirne tragen. Das führt zu Unstimmigkeiten in der Deutung:
Sollte das Zeichen des Tieres ein Chip sein, so müßte das Zeichen Gottes konsequenterweise ebenfalls eine technische Anwendung sein. Eine "gute" Verchippung der Rechtgläubigen? Das wirkt reichlich widersinnig. Warum sollte der antichristliche Chip böse sein, der christliche hingegen gut?
Denn wäre das Zeichen Gottes kein konkreter Chip, sondern ein symbolisches Merkmal, z. B. in Anlehnung an das Kreuzzeichen, das man bei der Taufe auf die Stirne gezogen bekommt, mit welcher Rechtfertigung erhielte die Deutung des tierischen Malzeichens als Chip irgendeine höhere Wahrscheinlichkeit als die äquivalente Auslegung als geistiges oder symbolisches Merkmal (sozusagen als "antichristliche Taufe")?

Wenn also die technische Markierung der Gottesanhänger ebensowenig sinnig wirkt, wie die unterschiedliche Auslegung des Malzeichens als technisch und des Gotteszeichens als im übertragenen Sinne gemeint, ergibt sich die Schlußfolgerung, daß mit dem Malzeichen des Tieres aller Wahrscheinlichkeit nach kein Chip gemeint ist, sondern ebenfalls ein symbolisches Merkmal.

Hingewiesen sei nicht zuletzt auf die von gläubigen Interpreten notorisch ignorierte antike Praxis, Sklaven an Stirne oder Hand mit Buchstaben oder Zahlen zu markieren, auf die in der Offenbarung mit diesen Formulierungen offenbar angespielt wurde. BBouvier wies schon darauf hin.
Wo in der Offenbarung also von Zeichen an Händen oder Stirnen die Rede ist, so ist dies ebenso im übertragenen Sinne zu verstehen, als wenn heute jemand z. B. von einem Gesslerhute spricht (und in Zukunft womöglich von Coronamasken ;-)). Natürlich ist dies kein konkreter Hut sondern eine Chiffre für erzwungene Untertänigkeit.

Aber nein: Es muß sich um etwas Konkretes handeln. Alle alternativen und plausibleren Deutungen werden ausgeblendet, um auf Grundlage eines Zirkelschlusses eine Präkognitivität der Offenbarung abzuleiten und den Text insgesamt für unsere Zeit bedeutsam behaupten zu können.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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