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Zu Rußland: Hoffmann und etwas Spengler (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 27.02.2022, 09:40 (vor 790 Tagen) @ Fenrizwolf (4646 Aufrufe)

Hallo!

Ich hänge das mal hier als Beitrag zum Sammelthema "Rußland" an. Folgende Aussage von Gabriele Hoffmann aus dem Jahre 1999 erneut hervorgeholt:

"Eine eigenartige Sache hat sich in bezug auf Rußland ergeben. Das hört sich zwar verrückt an, trotzdem bin ich sicher, daß es eintreffen wird. Ich denke, daß in etwa 22 Jahren in Rußland eine Situation eintreten wird, in der dieses Land zu einem Einwanderungsland werden wird, ähnlich wie damals Amerika. Aus der ganzen Welt werden die Menschen nach Rußland strömen, die Bodenschätze nutzen, neue Strukturen aufbauen, und daraus entwickelt sich etwas Stabiles und Sicheres, was es in diesem Land noch niemals gegeben hat. Langfristig wird diese Entwicklung eine positive Einwirkung auf Europa haben. Es kann natürlich sein, daß es vorher in Rußland einen Krieg oder innere Unruhen geben wird, aber so etwas habe ich nicht gesehen. Die langfristige Entwicklung dort ist gewiß eine positive."

Der Zeitpunkt "in etwa 22 Jahren", also 2021 [!!!] hätte besser nicht getroffen werden können und wirkte vor einigen Tagen noch völlig unwahrscheinlich. Man muß wohl auch ohne Kenntnis der obigen Aussage davon ausgehen, daß die Entwicklung, die Putin diese Woche angestoßen hat, langfristig erheblich zur Stärkung Rußlands und zur Schwächung der westlichen Gesellschaften führen wird. Auf den laufenden Konflikt hat sich Rußland über Jahre vorbereitet, z. B. indem es Alternativen zum westlichen SWIFT-System in Position gebracht und seine Wirtschaft nach Asien ausgerichtet hat (Stichwort z. B. China und "neue Seidenstraße". Der Spenglerianer Max Otte hat dazu 2019 in dem Buch "Weltsystemcrash" weite Kapitel verfaßt).

Das Ergebnis der gegenwärtigen Operation, als Reaktion des Westens darauf der Versuch der Isolierung Rußlands und des Kappens aller Wirtschaftsverbindungen sich abzeichnet, wird vermutlich ein neuer "Eiserner Vorhang" sein, wobei der Westen bereits jetzt beinahe so marode ist wie die Sowjetunion in den Achtzigern. Alle Sanktionen gegen Rußland werden mehr zu unserem als zum russischen Schaden sein (siehe z. B. hier). Sie haben zweifellos die größere Substanz und den längeren Atem. So wird sich die Geschichte nach vergleichsweise kurzer Zeit (10–15 Jahre?) spiegelbildlich zu 1989–91 wiederholen und Europa nach dem wirtschaftlichen, demographischen, sozialen und ideologischen Ruin in den russischen Machtbereich fallen lassen.

Das Ganze hat eine welthistorische Perspektive, die im Grunde seit Jahrzehnten klar ist und von Spengler in "Jahre der Entscheidung" bereits umrissen wurde. Darin beschreibt er die beiden Stoßrichtungen des Weltumsturzes, die zum Untergang des Abendlandes führen: Einerseits die "Revolution von innen" oder "unten" (insofern es sich um eine Revolution der Minderwertigen, des Bodensatzes gegen die Elite der alten Aristokratie handelt), die von kultureller Ermüdung und Selbsthaß der weißen Völker selbst vorangetrieben wird und als kulturmarxistische Linke den Abbau überkommener Strukturen vorantreibt, andererseits die "Revolution von außen", die von den "farbigen Völkern" (zu denen Spengler wegen ihrer nichtfaustischen Seele und dem asiatischen Einschlag auch die Russen zählt – biologische Merkmale sind oberflächlich und nebensächlich) forciert wird. Diese mußten sich über Jahrhunderte der abendländischen Vorherrschaft beugen, konnten aber unter der Fuchtel die Formen unseres Geistes, unseres Handelns und unserer Technik adaptieren, lernten unsere Schwäche und unsere eigenen Mittel gegen uns zu verwenden, um letztlich in einem gewaltigen Aufstand Asiens das Joch der faustischen Vorherrschaft und Bevormundung abzuwerfen.

Wer mag, kann sich das in Spenglers eigenem Wortlaut zu Gemüte führen:
"Die abendländische Zivilisation dieses Jahrhunderts wird nicht von einer, sondern von zwei Weltrevolutionen größten Ausmaßes bedroht. Sie sind beide noch nicht in ihrem wahren Umfange, ihrer Tiefe und ihren Wirkungen erkannt worden. Die eine kommt von unten, die andere von außen: Klassenkampf und Rassenkampf. Die eine liegt zum großen Teil hinter uns [...]. Die andere hat erst im Weltkrieg mit Entschiedenheit begonnen und gewinnt sehr rasch feste Tendenz und Gestalt. In den nächsten Jahrzehnten werden beide nebeneinander kämpfen, vielleicht als Verbündete: es wird die schwerste Krise sein, durch welche die weißen Völker – ob einig oder nicht – gemeinsam hindurchgehen müssen, wenn sie noch eine Zukunft haben wollen.
Auch die 'Revolution von außen' hat sich gegen jede der vergangenen Kulturen erhoben. Sie ging stets aus dem zähneknirschenden Haß hervor, den die unangreifbare Überlegenheit einer Gruppe von Kulturnationen, welche auf den zur Höhe gereiften politischen, militärischen, wirtschaftlichen und geistigen Formen und Mitteln beruhte, ringsum bei den hoffnungslos Unterlegenen, den 'Wilden' oder 'Barbaren', den rechtlos Ausgebeuteten hervorrief. Dieser Kolonialstil fehlt keiner Hochkultur. Aber ein solcher Haß schloß eine geheime Verachtung der fremden Lebensform nicht aus, die man allmählich kennenlernte, spöttisch durchschaute und zuletzt hinsichtlich der Grenzen ihrer Wirkung abzuschätzen wagte. Man sah, daß sich vieles nachahmen ließ, daß anderes unschädlich gemacht werden konnte oder nicht die Kraft besaß, die man ihm anfangs in starrem Entsetzen zugeschrieben hatte. Man schaute den Kriegen und Revolutionen innerhalb der Welt dieser Herrenvölker zu, wurde durch zwangsweise Verwendung in die Geheimnisse der Bewaffnung, Wirtschaft und Diplomatie eingeweiht. Man zweifelte endlich an der wirklichen Überlegenheit der Fremden, und sobald man fühlte, daß deren Entschlossenheit zu herrschen nachließ, begann man über einen möglichen Angriff und Sieg nachzudenken."

"Viel schwerer ist die Lage beim heutigen Imperium der weißen Völker, das die ganze Erdoberfläche umfaßt und die 'Farbigen' einschließt. Die weiße Menschheit hat sich in ihrem unbändigen Drang zur unendlichen Ferne überallhin zerstreut, über Nord- und Südamerika, Südafrika, Australien und über zahllose Stützpunkte dazwischen. Die gelbe, braune, schwarze und rote Gefahr lauert innerhalb des weißen Machtbereiches, dringt in die kriegerischen und revolutionären Auseinandersetzungen zwischen den weißen Mächten ein, beteiligt sich an ihnen und droht die Entscheidung zuletzt selbst in die Hand zu bekommen. Was alles gehört denn zur 'farbigen' Welt? Nicht nur Afrika, die Indianer [...], die islamischen Völker, China, Indien bis nach Java hin, sondern vor allem Japan und Rußland, das wieder eine asiatische, 'mongolische' Großmacht geworden ist. [...] Seitdem sinnt die tiefe Schlauheit asiatischer Menschen über Mittel nach, die dem westeuropäischen Denken unzugänglich und überlegen sind. Und nun legte Rußland, nachdem es 1916 von Westen her die zweite entscheidende Niederlage erlitten hatte, nicht ohne die spöttische Befriedigung des verbündeten England, die 'weiße' Maske ab und wurde wieder asiatisch, aus ganzer Seele und mit brennendem Haß gegen Europa. Es nahm die Erfahrungen von dessen innerer Schwäche mit und baute daraus neue, heimtückische Methoden des Kampfes auf, mit denen es die gesamte farbige Bevölkerung der Erde im Gedanken des gemeinsamen Widerstandes durchdrang.
[...]
Aber daß die Farbigen der ganzen Welt in Masse auf europäischem Boden von Weißen gegen Weiße geführt wurden, die Geheimnisse der modernsten Kriegsmittel und die Grenzen ihrer Wirkung kennen lernten und in dem Glauben nach Hause geschickt wurden, weiße Mächte besiegt zu haben, das hat ihre Anschauung über die Machtverhältnisse der Erde von Grund auf verändert. Sie fühlten ihre gemeinsame Stärke und die Schwäche der andern; sie begannen die Weißen zu verachten wie einst Jugurtha das mächtige Rom. Nicht Deutschland, das Abendland hat den Weltkrieg verloren, als es die Achtung der Farbigen verlor.
Die Tragweite dieser Verschiebung des politischen Schwergewichts ist zuerst in Moskau begriffen worden. In Westeuropa begreift man sie noch heute nicht. Die weißen Herrenvölker sind von ihrem einstigen Rang herabgestiegen. Sie verhandeln heute, wo sie gestern befahlen, und werden morgen schmeicheln müssen, um verhandeln zu dürfen. Sie haben das Bewußtsein der Selbstverständlichkeit ihrer Macht verloren und merken es nicht einmal. Sie haben in der 'Revolution von außen' die Wahl der Stunde aus der Hand gegeben, an Amerika und vor allem an Asien, dessen Grenze heute an der Weichsel und den Karpathen liegt. Sie sind seit der Belagerung Wiens durch die Türken zum erstenmal wieder in die Verteidigung gedrängt worden, und werden große Kräfte, seelisch wie militärisch, in der Hand sehr großer Männer aufbringen müssen, wenn sie den ersten gewaltigen Sturm überstehen wollen, der nicht lange auf sich warten lassen wird.
In Rußland sind 1917 beide Revolutionen, die weiße und die farbige, zugleich ausgebrochen. Die eine, flach, städtisch, der Arbeitersozialismus mit dem westlichen Glauben an Partei und Programm [...]. Aber der 'weiße' Bolsechewismus ist hier rasch im Schwinden begriffen. Man wahrt nur noch das marxistische Gesicht nach außen
[Anm. Taurec: Wie Jahrzehnte später offensichtlich wurde, als man den Bolschewismus kurzerhand fallen ließ.] , um in Südasien, Afrika, Amerika den Aufstand gegen die weißen Mächte zu entfesseln und zu leiten. Eine neue, asiatischere Schicht von Regierenden hat die halbwestliche abgelöst. Sie wohnt wieder in den Villen und Schlössern rings um Moskau, hält sich Dienerschaft und wagt es bereits, einen barbarischen Luxus zu entfalten im Geschmack der beutereichen Mongolenkhane des 14. Jahrhunderts. [...] Diese Macht ist von außen unangreifbar infolge der geographischen Weite des Reiches, aber sie greift selbst an. Sie hat Söldner und Verbündete überall in der Welt, verkleidet wie sie selbst. Ihre stärkste Waffe ist die neue, revolutionäre, echt asiatische Diplomatie, die handelt statt zu verhandeln, von unten und hinten, durch Propaganda, Mord und Aufstand, und die damit der großen Diplomatie der weißen Länder weit überlegen ist [...].
Rußland ist der Herr Asiens. Rußland ist Asien. Japan
[Anm. Taurec: Man müßte aus heutiger Sicht China an diese Stelle setzen] gehört nur geographisch dazu. [...] Herr eines weiten Gebietes, in dem abendländische Mächte keine Geltung mehr besitzen. [...] Rußland und Japan [2022: China] sind heute die einzigen aktiven Mächte der Welt. Durch sie ist Asien das entscheidende Element des Weltgeschehens geworden. Die weißen Mächte handeln unter seinem Druck und merken es nicht einmal."

"Der Haß gegen die weiße Rasse und der unbedingte Wille, sie zu vernichten. Es ist dabei gleichgültig, ob uralte müde Zivilisationen wie die indische und chinesische ohne fremde Herrschaft fähig sind, Ordnung zu halten; es kommt nur darauf an, ob sie imstande sind, das weiße Joch abzuwerfen, und das ist der Fall. Wer unter den farbigen Mächten der nächste Herr ist, ob Rußland, ob Japan [bzw. China], ob ein großer Abenteurer mit einem Heerhaufen hinter sich, gleichviel von welcher
Herkunft, das wird später oder auch gar nicht entschieden."

Und an diesem Punkte sind wir jetzt angelangt. Es ist dabei nebensächlich, ob Rußland in der Ukraine alle seine Ziele erreicht oder nochmal zurückgedrängt wird. Der Beginn des offensiven Aufstandes ist gesetzt und wird weitere Aktionen nach sich ziehen. Das 21. Jahrhundert wird jenes der Übergabe der Weltherrschaft vom transatlantischen Schwerpunkt der faustischen Zivilisation zu den Landmächten Asiens sein. Europa wird darin wohl nur noch eine Nebenrolle spielen, die auf die Stichworte anderer antwortet und nach fremdem Takte tanzt. Es wird ein "Great Reset" sein, der eher nicht den Vorstellungen des vom in Rezession befindlichen angloamerikanischen Geiste durchdrungenen Weltwirtschaftsforums entsprechen wird.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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