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Marias Zwickmühle ab 1990 (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Montag, 28.02.2022, 13:14 (vor 760 Tagen) @ Leseratte (2217 Aufrufe)

Hallo!

Am 24.Juni 1981 erschien angeblich in Međugorje Maria zwei Mädchen. Angeblich habe Maria das Wort, Mir, Frieden gesagt, hieß es (die Quelle ist mir unbekannt, wurde aber so in strenggläubigen Kreisen den Achtzigern erzählt).

Kann durchaus sein. "Mir" ist nicht nur das russische, sondern auch das bosnische Wort für Frieden. Es würde mich wundern, wenn Maria es im Zuge ihrer Durchgaben nicht gesagt hätte. Was soll das nun besagen? Eine Voraussage oder eine Aufforderung zum Frieden? Ohne Kontext ist das wertlos.

"Denn Rußland wird den Westen überfallen, und mit Rußland wird China in Asien einfallen." Das war 1990, als Russland der Bürgerkrieg drohte und das Land wirtschaftlich ein absolutes Wrack war, überhaupt nicht abzusehen, womit sich dein Argument, [...] eigentlich ins Gegenteil verkehrt.

Die betreffende Aussage vom 7. April 1990 im Volltext:
"Laßt uns nicht täuschen durch die Ereignisse, die in Europa Platz greifen: dies ist eine Täuschung! Rußland wird nicht bekehrt werden, bis Rußland die Geißel für alle Nationen wird. Rußland hat die Geißel zu sein, um alle Nationen zu schlagen. Rußland ist das Werkzeug, das der Ewige Vater gebrauchen wird, um die Welt zu bestrafen: Denn Rußland wird den Westen überfallen, und mit Rußland wird China in Asien einfallen. Meine Worte werden verdreht. Die Oberen in der Kirche und die Priester tun dies, um unsere Kinder zu verwirren und sie glauben zu machen, der Weltfriede sei gekommen, und die Bekehrung Rußlands sei da. Dies ist nicht der Fall. Die Welt befindet sich in großer Gefahr. Wenn die Welt nicht umkehrt, wird sie in einen schmerzlichen Krieg hineingestürzt werden. Die Wende in Osteuropa führt nicht zum Frieden!"

Ich gehe davon aus, daß es eine Aussage war, die trotz des Niedergangs des Kommunismus in Osteuropa Rußland als Aggressor (bzw. Werkzeug im Strafgericht Gottes) aufrechterhalten und den Kanon der Prophezeiungshauptströmung (dem Fatima an prominenter Stelle angehört) weiter glaubhaft erscheinen lassen sollte. Das tritt aus dem Gesagten der Botschaft vom 7. April 1990 als Zweck deutlich hervor. Die Angesprochenen sollten die bisherigen Botschaften weiter für wahr halten, insbesondere die Aussage des zweiten Geheimnisses von 1917 (veröffentlicht 1941), zum Zwecke der Verhütung des Strafgerichtes werde Maria kommen und die Weihe Rußlands verlangen.

"Wenn ihr eine Nacht von einem unbekannten Licht erhellt seht, dann wißt, daß dies das große Zeichen ist, das Gott euch gibt, daß Er die Welt für ihre Missetaten durch Krieg, Hungersnot, Verfolgungen der Kirche und des Heiligen Vaters bestrafen wird. Um das zu verhüten, werde ich kommen, um die Weihe Rußlands an mein unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen des Monats zu verlangen." (Angebliche Aussage von 1917, spielt aber auf die Aurora Borealis von 1938 an, was angesichts der Veröffentlichung 1941 eine Erfindung oder Manipulation ex eventu nicht ausschließen läßt.)

Wenn sich nun Rußland bekehrt hätte, wäre diese Aussage sinnlos geworden und das göttliche Strafgericht, das als Kernelement des christlichen Endzeitglaubens gar nicht ausfallen kann, würde ausfallen.
Man muß sich die Verzwicktheit der Prophetie mal vor Augen führen: Es werden zwar Warnungen ausgesprochen, die befolgt werden sollen, um Unheil abzuwenden. Tatsächlich ist dieses Unheil innerhalb der christlichen Logik aber gar nicht abwendbar, weil die Eschatologie das Endgericht und den Anbruch des Gottesreiches als zwingenden Endpunkt der Geschichte vorsieht. Alle Warnungen und Wenn-dann-Konditionen dienen allein dazu, die Schafe auf die richtige Denk- und Handlungsweise auszurichten. Wenn dies aber nicht geschieht, um das Endgericht zu verhindern, kann der Zweck nur sein, die nötige Rechtgläubigkeit zu erzeugen, um den Christen den Einzug ins Gottesreich durch das Endgericht zu ermöglichen.
Daraus folgt logischerweise, daß es sich bei der Botschaft vom 7. April 1990 um eine reine Schutzbehauptung handelt. Obwohl Rußland von da an eine Renaissance des russisch-orthodoxen Glaubens erfuhr, durfte es sich nicht bekehrt haben. Daß es weiter als antichristliche Macht dargestellt werden und ein Überfall weiterhin in Zukunft dräuen muß, ist für die Fatimamaria eine Notwendigkeit, weil sich eine Marienerscheinung kaum selbst widerlegen und das Strafgericht abblasen würde. Insofern erkenne ich da keinen Zirkelschluß meinerseits. Es ist eine aus dem Glauben folgende Zwangsläufigkeit.

Um ökonomische und geopolitische Rahmenbedingungen hat sich die Maria wohl nicht geschert, was bei einer übernatürlichen, christlichen Erscheinung, die sich zuvörderst um die Vermittlung von "Glaubenswahrheiten" kümmert, hinter welche die Tatsachen zurückzutreten haben, auch zu erwarten ist. Daß man Geschichte nicht in den moralischen Kategorien Gut & Böse betrachten kann und Krieg eine historische Unvermeidlichkeit ist, die zwischen Völkern und Machtblöcken immer wieder auftritt und ein Zeichen der Lebendigkeit dieser Völker ist, spielt in diesem Weltbild (das auf die letzte, alles Leid auf Erden beendende Schlacht hin ausgerichtet ist) gar keine Rolle. Daß der Konflikt mit Rußland, dem ein uralter Ost-West-Gegensatz zugrundeliegt, irgendwann wieder ausbrechen würde, war schlechterdings zu erwarten und trägt nichts zur Begründung der Validität der Marienaussage bei. Die Voraussage eines Regenwetters, die sich zeitnah als falsch erweist, wird nicht wieder richtig, wenn es irgendwann in der Zukunft doch regnet, was es zwingend muß.
Ein Zirkelschluß in zwei Schritten liegt hier allein in Glaubenssätzen, die unbeirrbar aufrecht erhalten werden:
1. Weil die Voraussage stimmt, wird es einen Krieg mit Rußland geben.
2. Ein Krieg mit Rußland (egal wann und unter welchen Umständen) ist deswegen eine Bestätigung der Voraussage, weil sie stimmt.
Und damit ist aus gläubiger Sicht jede weitere Diskussion überflüssig.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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