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Schicksal, Uridee, Freiheit (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 06.01.2014, 18:34 (vor 3772 Tagen) @ rauhnacht (5078 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 06.01.2014, 18:40

Hallo!

Ach P.S.: Weißt Du, warum ich so nervig auf diesem Schicksalsthema rumkaue? Weil ich glaube, dass eben gerade da bei einer verbesserten Klärung, was das denn überhaupt ist und woher es kommt, sich womöglich die Tür zu einem sehr viel verbesserten Verständnis von Schauungen und deren Mechanismen öffnen könnte. Ziel dieses Forums.

Jedem diesseitigen (inkarnierten) Leben oder Menschen liegt eine jenseitige (zeitlose) Idee oder Seele zugrunde, ein zeitloses Urbild des fertigen Lebens, welches sich im Lebenslauf in zeitlicher Folge ausdrückt, bzw. ent-wickelt im eigentlichen Sinn der Wortbestandteile. Im Kinde ist bereits der Greis vorhanden und umgekehrt. Das sind Facetten desselben Seins, die wir im Laufe des Lebens durchschreiten. Die Form ändert sich, der Inhalt bleibt der gleiche.

Das innere Schicksal sind alle Eigenheiten dieses Lebens, mit welchen es in diese Welt tritt: Geschlecht, Körperbau, Talente, Anlagen, die sich erst im Laufe des Lebens ausprägen, keineswegs zufällig oder auf freier Entscheidung fußend. Man wird nicht Musiker, weil man sich dazu entscheidet, sondern weil man es schon immer war, weil es die eigene Bestimmung ist.

Das äußere Schicksal ist alles außerhalb des eigenen Einflusses liegende, welches einem im Laufe des Lebens zufällt - in Bezug auf diese Diskussion: der Regen, die Windböhe. Das geschieht natürlich in Bezug auf das innere Schicksal, dieses sinnhaft ergänzend und das Leben vervollkommnend. Eine Musikerseele wird in eine Musikerfamilie geboren oder gelangt im Laufe des Lebens in ein Milieu, das die Veranlagung durch Erziehung hervorbringt. Das ist das Gesetz der Anziehung der Gleichart.

In diesem Spannungsfeld zwischen innerem und äußerem Schicksal (BB würde vielleicht "Leitplanken" sagen) liegt der freie Wille.
Zwar kann ich alles mögliche wollen: genetisch eine Frau sein, unter einem lilafarbenen Himmel leben, meisterhaft Klavier spielen, meine Zeit in Saus und Braus verbringen, etc.; insofern ist der Wille frei. Es läßt sich jedoch nur das geringste davon im Rahmen meiner schicksalhaften Möglichkeiten verwirklichen. Wenn es um äußere, lebens- oder weltgeschichtliche Ereignisse geht, sollte man nicht von Willens-, sondern Handlungsfreiheit sprechen. Nicht zuletzt hängt auch, selbst wenn ich etwas aus freien Stücken tue, der Erfolg nicht von meinem Willen ab, sondern von zahllosen äußeren Faktoren, die ihn begünstigen oder verhindern können. Das ist schicksalhaft.

Das Schicksal, äußeres wie inneres, ist lediglich das diesseitige Spiegelbild der Uridee des Lebens. Da gibt es nicht Ursache und Wirkung. Ein solcherart kausalistische Anschauung bleibt zu sehr in der Materie, will das Leben mechanisch, mathematisch berechenbar verändern. Das Schicksal läßt sich durch freien Willen nicht ändern, die Welt läßt sich durch freien Willen nicht ändern.

Das Karma darf daher nicht kausal verstanden werden. Wenn sich das eigene Karma ändert, dann nicht, weil man durch bewußte Entscheidung, z. b. ein "guter Mensch" zu sein, eine Änderung herbeigeführt hätte, sondern weil durch Schicksalsschläge, von außen kommendes, innerlich empfundenes Glück oder Leid eine Läuterung oder Erkenntnis (nicht intellektuell, sondern tief im Unbewußten) eingetreten ist, welche die Uridee des eigenen Lebens oder Aspekte derselben klarer empfunden werden und zum Vorschein kommen läßt. Sogleich ändert sich das momentane Schicksal als Spiegelbild der Uridee. Eine Gestalt, die zunächst nur undeutlich erkennbar war, wird wie eine Statue unter dem Meißel eines Bildhauers durch Schicksalsschläge immer deutlicher herausgearbeitet. Unnötiger Ballast fällt ab. Man kommt in andere, passendere Lebensumstände, nicht weil man sich das "verdient" hätte, sondern weil sie einen besser kleiden, weil sie im nächsten Schritt der Ent-wickelung der Uridee nötig sind. Im nächsten Leben wird man in ein anderes Milieu geboren und bekommt einen physiognomisch prägnanteren Körper.

Der freie Wille ist in diesen Zusammenhängen sehr begrenzt. Oder besser: Das Schicksal ist dem freien Willen unbedingt überlegen und vorgelagert (nicht zeitlich!). Was ein Mensch will ist natürlich wiederum nichts weiter als der Ausdruck seiner Seele (der Uridee), die zur Verwirklichung drängt. Ein dem Schicksal irgendwie zuwiderlaufendes Wollen ist Folge einer zu undeutlich empfundenen, d. h. nicht klar genug ausgeprägten Uridee, sei es aus Unreife, geistiger Dumpfheit oder irgendeiner Form der Dekadenz. Es gilt das alte römische Sprichwort, das Spengler seinem Untergang des Abendlandes hintanstellte:
"Ducunt fata volentem, nolentem trahunt." - Das Schicksal führt den Willigen, den Unwilligen zieht es.
Wer der eigenen Bestimmung zuwiderhandelt, wird vom Schicksal irgendwann eingeholt. Man stößt an die Leitplanken und wird von höherer Gewalt wieder auf die richtige Spur gestellt. Das ist in unserer Zivilisation, in der die Menschen massenhaft glauben, die Schöpfungsgesetzmäßigkeiten nach Gutdünken sich anpassen zu können, allgemein geworden und wird zu den in Schauungen gesehenen Feuerschlägen führen.

Die einzig wirklich freie Entscheidung, die man treffen kann, ist die Entscheidung für das Notwendige, für das Schicksal und das Leben durch Erkennen des Notwendigen. Es ist die Freiheit für oder zu etwas im Gegensatz zur Freiheit, wie sie heute hauptsächlich gemeint wird, wenn von Freiheit die Rede ist, nämlich von etwas, was letztlich das Freisein von allen Bedingungen des Lebens, d. h. vom Leben selbst meint. Solche Allüren sind gleichbedeutend mit Stillstand und Tod. Ihnen liegt eigentlich nicht Freiheit zugrunde, sondern etwas krankhaft zwanghaftes.

Von einer höheren Warte aus betrachtet ist dieses Interregnum der Dekadenz unserer Tage freilich selbst nur eine notwendige Phase im Lebenslauf der Kultur, die zur Läuterung und Wiedergeburt in reineren Formen führen wird. So fügt sich das Leben des Einzelnen in das seines Volkes, der Menschheit und der ganzen Welt ein. Das Universum ist fraktal gestaffelt und in jedem Bezugsrahmen, vom Einzelleben bis zur gesamten Schöpfung drängt das Schicksal zur Uridee, die wie Chardins Punkt Omega über der Schöpfung steht.

An dieser Stelle ließe sich noch Goethe zitieren, der bei seinem Vers, den Spengler dem Untergang des Abendlandes voran stellte, wohl ähnliches im Sinne hatte.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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