@ Baldur (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Dienstag, 24.12.2013, 01:52 (vor 3786 Tagen) @ Baldur (4467 Aufrufe)

Hallo Baldur,

Du hast Unstimmigkeiten in meiner Argumentation gefunden - kein Wunder, denn ich habe noch keine fertigen Antworten...

die "Unstimmigkeiten" in Deiner Argumentation stören mich weniger, mehr die Selbstverständlichkeit, mit der Du trotz dieser "Unstimmigkeiten" vorgibst zu wissen, wo es lang geht:

Zum einen, daß "Schicksal" - oder das, was Du darunter verstehst - eine Angelegenheit wäre, die es zu "manipulieren", zu "beeinflussen", zu "ändern" gilt.

Zum anderen, die angeblich wünschenswerte Festlegung auf sogenannte "wissenschaftliche" Methoden im Umgang mit dem Thema Präkognition, bei deren Bewerbung Du in beschwörungsartiger Litanei Begriffshülsen wie "Beweis", "signifikant", "Analysen", "Feldversuche", "belastbare Antworten" usw. usw. predigst.

Insofern scheint mir RichardS Diagnose - "säkularer Glaubensapostel" - treffend, zumal Dir nicht bewusst zu sein scheint, daß die Art und Weise Deines Verfechtens der "wissenschaftlichen Rationalität" fatale Ähnlichkeit hat mit der von Dir abgelehnten Argumentation von Vertretern religiöser Überzeugungen.

Was, wenn der Ruf nach "wissenschaftlicher" Auseinandersetzung mit dem Thema nur symptomatischer Ausdruck des persönlichen Unvermögens ist, sich (bisher) durch persönliches Erleben eine Gewißheit im Urteil zu erwerben ?

Was, wenn die Forderung nach "Objektivität" nur symptomatischer Ausdruck dessen ist, daß man seinem eigenen, "subjektiven" Urteil nicht traut ?

Was, wenn die abgegriffene Redensart "Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel" auch hier gilt, und dem Phänomen Präkognition mit etablierten Methoden der Wissenschaft nicht beizukommen ist.

Ist Dir klar, daß das einzige, was sich mit jedem wie auch immer ausfallenden Ergebnis des von Dir vorgeschlagenen Würfel-Experiments nur die Gültigkeit der Gauss'schen Normalverteilung "beweisen" lässt, daß selbst ein Ergebnis mit 100% Trefferquote nur einen "Spezialfall" deren Gültigkeit darstellt ?

Wie auch immer Deine Experimente im Casino verlaufen, Sie werden sich, in Relation zur Häufigkeit der Versuche, exakt in den Schranken der 3-Sigma-Abweichung bewegen, es kann nicht anders sein.

Als ich vor Jahren selbst in Wiessee eine Zahlen-Liste schrieb, um für etwas Kurzweil während einer anderen langweiligen Untersuchung zu sorgen, zeigte sich schnell, daß sich nicht Zahlen ankündigten, die dann fielen, sondern regelmäßig die, auf die ein hektischer Spieler wenige Augenblicke später im letzten Moment, meist nach bereits abgesagtem Einsatz, durch den Croupier setzen liess, und die - wie zu erwarten - in 97% der Fälle nicht kam. Woraus ich schliesse, daß der "mentale Müll" sich am leichtesten im präkognitiven Netz verfängt.

Wenn ich, zu einer nach astrologischen Kriterien gewählten Uhrzeit 3 x 6 Lottozahlen getippt habe, und wenige Wochen später wurden 1 x 6 davon als 5er mit Zusatzzahl gezogen, dann weiss ich zwar, daß dieses Ergebnis bei einer Wahrscheinlichkeit von 1:87399 (für die einzelne Ziehung) "signifikant" war, um bei Deinem Jargon zu bleiben, ganz zu schweigen von der erheblich vom Durchschnittwert abweichenden Auszahlungsquote der betreffenden Ziehung, aber das ist weit davon entfernt, ein "Beweis" für die Gültigkeit astrologischer Methoden zu sein, und wer "Schicksal" für eine prägende Kraft hält, könnte unwiderlegbar und schlüssig argumentieren, daß, wenn der Zeitpunkt für einen Lottogewinn tatsächlich im Horoskop zu ermitteln gewesen sei, es nicht der Astrologie bedurft haben KANN, um diese Gelegenheit auch wahrzunehmen, weil dies wiederum die Gültigkeit astrologischer Methoden widerlegen würde, da ja die Mehrheit der einen Gewinn erzielenden Spieler ohne die Anwendung solcher Methoden auskommt.

Soll heissen, ich unterstelle, daß die von Dir favorisierte Herangehensweise unweigerlich zu Epimenides führt, dem Kreter der sagte: "Alle Kreter sind Lügner", oder zu dem Friseur, der allen die Haare schneidet, die sich nicht selbst die Haare schneiden.
Und den sicheren Instinkt, die Gewissheit des subjektiven Urteils, tauscht man ein gegen einen blassen Doppelblindversuch mit signifikantem Ergebnis.

Ich halte es für wünschenswert, sich beim Umgang mit Prämissen der "Wissenschaft" den gleichen ketzerischen Zweifel zu bewahren, wie mit anderen etablierten religiösen Überzeugungen auch.

Gruß
Ulrich


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