@ Fenrizwolf (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Samstag, 28.12.2013, 09:19 (vor 3782 Tagen) @ Fenrizwolf (4595 Aufrufe)
bearbeitet von Ulrich, Samstag, 28.12.2013, 09:29

Hallo Fenrizwolf,

Es freut mich zwar, daß die Diskussion über Baldurs Anregung auf so hohem Niveau stattfindet, aber diese mir unergründliche Strenge, die durchgehend zutage tritt, vermittelt dem Leser eher die Atmosphäre eines zugigen Gerichtssaales als einer Pfeife rauchenden Philosophenrunde.

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Aber ich habe die Befürchtung, daß mancher potentielle Ideengeber oder tatsächlich Sehende Abstand von seinem Vorhaben nehmen könnte, sein Wissen mit uns zu teilen, wenn er sich der Gefahr ausgesetzt sieht, jedes seiner Worte auf der Goldwaage wiederzufinden.

wenn zu Nebelkerzen auch noch Pfeife geraucht wird, dann wird's für meinen Geschmack zu schummrig.
Ein 'zugiger Gerichtssaal' ist zwar ungemütlich, verspricht aber frische Luft und klare(re) Sicht.
Ich schließe dann mal die Fenster... Dann schaukelt meine Goldwaaage auch nicht mehr so wegen des Luftzugs. ;-)

Das Schicksal hat sich mir in den letzten Jahren leider ziemlich aufgedrängt, weshalb ich förmlich nach befriedigenden Antworten giere.

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Nur frage ich mich, warum ich denn der geeignete Adressat für all das sein soll.
Eine vordergründige Gerechtigkeit will sich mir dabei nicht aufdrängen - jedenfalls nicht für den von mir überschaubaren Zeitraum.

falls Du "Gerechtigkeit" im Sinne von "Ausgleich" verstehst, hätte ich Bedenken, ob man das erwarten 'darf'. Daß organisierte Religionen und Eso-Gruppen die Idee von "Ausleich", "Karma", "Strafe" und "Belohnung" fast wie selbstverständlich mit dem Schicksals-Begriff verknüpfen dient m. E. dem Machtanspruch, nach Belieben entweder ein Schuldgefühl erzeugen oder den Esel mit der Aussicht auf die Karotte bei der Stange halten zu können.

Der Begriff des Schicksals wurde von irgendwelchen Amtskirchen weder erfunden noch gepachtet und war in vorchristlichen Zeiten, falls ich das richtig sehe, weniger mit religiöser Sonderpädagogik, als vielmehr mit der Idee der Herausforderung, der (notwendigen) Infragestellung des subjektiven Standpunktes, mit Wachstum, Reife und mit Korrektur des Lebensweges auf ein vorgegebenes Ziel hin verbunden.

Was den "Adressaten" angeht, meine ich - meine ich zu wissen - daß Schicksal delegierbar, "übertragbar" ist: Wer, weil er mit spitzen Fingern durchs Leben geht, subjektiv unerfreuliches nicht selbst leben mag, kann es (bis zu welchem Grade weiß ich nicht) "abgeben". Im Familienverband halte ich das für Alltag, wird aber leichter von Außenstehenden wahrgenommen als von den Betroffenen. Daß dies auch zwischen Haustierhalter und Haustier stattfindet, hat mir eine Tierärztin versichert, wobei sie bis ins Detail übereinstimmende Erkrankungen festgestellt haben will, die beim Tierhalter wiederkehren, wenn das Tier nicht mehr "zur Übernahme zur Verfügung steht", bzw. beim Tierhalter abflauen, statt dessen beim Haustier in Erscheinung treten. In ländlichen Gegenden war es vielerorts üblich, eine einzelne Ziege in einer Schafherde oder im Pferdestall zu halten, und mir wurde gesagt, das habe sich bewährt, "um Krankheiten von der Herde abzuhalten". Meiner Meinung liegt diesem Brauch das gleiche Phänomen des "Außenseiters in der Herde" zugrunde, der, anders als ein Außenseiter außerhalb der Herde, das schwächste Glied ist. Aus gleicher Quelle stammt wohl das Ritual des "Sündenbockes", den man in die Wüste schickt, aus der Gemeinschaft verstößt.

Deshalb wäre die erste Frage, die ich mir stellen würde, wenn sich der Gedanke "warum ich denn der geeignete Adressat für all das sein soll[!]" einstellt, inwieweit ich evtl. wegen einer von mir gewollten Zugehörigkeit zu einem Familienverband, einer Gruppe, einer Organisation in Kauf nehme, mich in eine derartige Position zu begeben, wo ich mich diesem "Mechanismus" aussetze.

Die Idee des "Delegierens von Schicksal" hat der Münchner Astrologe Döbereiner bis hin zur Klassifizierung der delegierten Ereignisse untersucht. Der schrecklich pathetische Psycho-Onkel Bert Hellinger hält diesen Vorgang ebenfalls für üblich in sozialen Gemeinschaften, selbst wenn diese nur aus zwei Personen besteht, und behauptet, diese Erkenntnis beim Einblick in Dorfgemeinschaften während seiner Missionsjahre in Afrika erhalten zu haben.

Soweit ich das beobachten konnte, ist dieser Mechanismus ein alltäglicher Vorgang und wenn dies zutrifft, beinhaltet das natürlich auch, daß sich individuelles Schicksal (bis zu einer unbekannten 'Sollbruchstelle'?) "ändern" lässt, indem man es einem Anderen zumutet der es sich zumuten lässt.

Gruß
Ulrich


@ BB
Deshalb würde ich die Idee, "Alles, was sich ereignet, ist auch "richtig' so." nur im Idealfall gelten lassen, falls jeder sein "eigenes" Leben lebt.
In einer Gesellschaft, in der ein Krankenkassen-Mitlied "Lebensqualitäts-Verlust" (Politiker-O-Ton) wegen zu langer Wartezeit auf einen Facharzt-Termin geltend machen kann, spricht aber alles für staatlich konfektioniertes und zugeteiltes Schicksal von der Stange.


Gesamter Strang: