Extrasolare Himmelskörper (Freie Themen)

Ranma (らんま), Mittwoch, 09.05.2018, 06:32 (vor 2186 Tagen) (4040 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 16.08.2018, 11:28

Hallo!

Ein Nachtrag zum Himmelskörper ʻOumuamua (übrigens, wer auch nur etwas über Astronomie weiß, der weiß, daß Himmelskörper generell Katalogbezeichnungen, klassifizierende Bezeichnungen, Spitznamen und als letztes noch einen offizjellen Namen bekommen):

Ehemals A1/2017 U1 ehemals C1/2017 U1, nun I1/2017 U1 oder ʻOumuamua wurde mit dem Teleskop Pan-STARRS 1 in Hawaii entdeckt. Ich hatte damals etwas von zwei Jahren ganz wirr im Hinterkopf. Pan-STARRS 1 war damals schon seit zwei Jahren im Rahmen des NASA-Programms Near Earth Object Observations aktiv. Über dieses wird Pan-STARRS 1 finanziert und widmet dem dafür neunzig Prozent seiner Beobachtungszeit. Es war also exakt die Aufgabe von Pan-STARRS 1 Objekte wie ʻOumuamua zu entdecken. Das jedoch nicht erst dann, wenn sie an der Erde bereits vorbeigeflogen sind! Anfliegende Himmelskörper aus dem interstellaren Raum wurden schon seit vielen Jahren vermutet. Theoretisch sollten die meisten und die schnellsten aus exakt der Richtung kommen, aus der sich ʻOumuamua ursprünglich genähert hatte, weil das der sogenannte Apex ist. Das ist die Richtung, in die sich unser Sonnensystem selbst bewegt. Der größte Anteil an der Relativgeschwindigkeit wurde bei ʻOumuamua von unserem Sonnensystem selbst geliefert. Relativ zum interstellaren Raum bewegte sich der Himmelskörper eher langsam. Auch Himmelskörper, die sich mit einem anderem Kurs vor dem Apex befinden, können durch das Sonnensystem eingesammelt werden. Dieser Richtung gebührt daher besondere Aufmerksamkeit, wenn man hereinkommende Himmelskörper aufspüren will. Weil ʻOumuamua trotzdem erst auf dem Weg aus dem Sonnensystem hinaus entdeckt wurde, deshalb muß man das Beobachtungsprojekt als episch gescheitert ansehen!

Ein Impaktor ist trotzdem nicht zu erwarten, denn so etwas müßte sich in den Einzelschicksalen, aus denen Gabriele Hoffmann ihre Aussagen ableitet, deutlich niederschlagen. Sehr große Veränderungen sind doch der Grund, warum manche auf einen Impaktor warten? Geschähen solche auf materiëller Ebene, dann sollte es reichlich mehr Vorwarnungen geben.

Große Veränderungen durch extrasolare Himmelskörper erwarte ich vielmehr auf einer immateriëllen Ebene. Das Weltraumteleskop Kepler, der Nachfolger von Hubble, wurde kürzlich außer Dienst gestellt. Eigentlich hätte dieses Jahr Keplers Nachfolger, das Weltraumteleskop James Webb, in den Weltraum aufbrechen sollen. Aber die NASA hat im März angekündigt, daß der Start auf frühestens Mai 2020 verschoben ist, weil noch jede Menge getestet werden muß. Ebenfalls verschoben hatte sich der Start des kleineren Weltraumteleskopes TESS. Dieser war für Ende 2016 geplant, erfolgte aber erst vor einigen Wochen (am 18.04.2018). Immerhin ist es im Weltraum und James Webb kann ihm nicht ‚die Show stehlen‘. Die Presse dürfte sich daher mehr auf die Ergebnisse von TESS stürzen, das explizit, wie der ausführliche Name Transiting Exoplanet Survey Satellite bereits verrät, der Suche nach Exoplaneten gewidmet ist. Das auch noch in einem Umkreis von nur zweihundert Lichtjahren um uns herum. Das dürfte wohl die neue Definition für unsere kosmische Nachbarschaft werden. Die Entdeckung tausender weiterer Exoplaneten in dieser wird erwartet.

Es gab mal eine Zeit, in der man glaubte, daß Exoplaneten sehr selten und nie aufzuspüren sein würden. Um zu beweisen, daß es trotzdem schon aus rein statistischen Gründen außerhalb des Sonnensystems nicht nur Planeten, sondern sogar uns ähnliche Lebewesen geben müsse, stellte der Astrophysiker Frank Drake im November 1961 eine Formel vor:

Drake-Gleichung


N = R f(p) n(e) f(l) f(i) f(c) L

Die Faktoren

N = Anzahl intelligenter Zivilisationen in unserer Galaxie

R = Bildungsrate geeigneter Sterne

f(p) = Anteil dieser Sterne mit Planetensystemen

n(e) = Anzahl der Planeten in der lebensfähigen Zone

f(l) = Anzahl der Planeten, auf denen Leben entsteht

f(i) = Anzahl der lebenstragenden Planeten, auf denen sich intelligentes Leben entwickelt

f(c) = Anteil der t Zivilisationen, die kommunizieren wollen

L = Lebensdauer solcher Zivilisationen

Auf dem halbem Weg von damals bis heute, nahm man an, daß die Hälfte aller Sterne eigentlich Doppelsternsysteme wären und daher keine Planeten um sich herum haben könnten. Für Einzelsterne schloß man das zumindest nicht mehr aus. Der Titius-Bode-Abstandsreihe sprach man den Status eines Naturgesetzes ab, weil man keine Begründung dafür finden konnte, warum es denn so sein sollte. Die Verteilung der Planeten im Sonnensystem galt als nur zufällig der Titius-Bode-Abstandsreihe entsprechend, diese also als reine Beschreibung. Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Leben schätzte man immernoch als sehr gering ein, weil es dafür viele Einflußfaktoren gibt und nur ein erfolgreiches Beispiel bekannt war und ist.

Heute kennt man Planeten um Doppelsterne und um Dreifachsterne. Planeten um sich zu haben gilt für Sterne als Normalfall. Viele lichtschwache Sterne konnten erst kürzlich entdeckt werden, seitdem gelten kleine rote Sterne als besonders häufig und ausgerechnet diese sind sehr langlebig und haben ausgedehnte habitable Zonen um sich. Die Titius-Bode-Abstandsreihe gilt weiterhin nicht als Naturgesetz, aber den Exoplanetenjägern dafür als Daumenregel, weil sich Exoplaneten anscheinend ‚freiwillig‘ daran halten. Dadurch landen regelmäßig ein bis drei Exoplaneten pro Sternsystem in der habitablen Zone. Neuere Computersimulationen zur Entstehung von Planeten legen nahe, daß ausgerechnet die Planeten, die sich in der habitablen Zone befinden, besonders reich an Wasser sein sollten. Darüber hinaus wurden inzwischen auf der Erde so viele extremophile Arten entdeckt, daß man ein sehr breites Spektrum an Umweltbedingungen als für die Entstehung von Leben brauchbar akzeptiert. Sogar auf manchen Trabanten von Jupiter und Saturn rechnet man damit.

Nun eine Theorie von mir: Hätte man seit 1961 die im jeweiligen Jahr angenommenen Wahrscheinlichkeiten für jeden Faktor der Drake-Gleichung durch Umfragen unter Fachwissenschaftlern ermittelt und diese Ergebnisse festgehalten, dann könnte man heute einen Trend erkennen, der sich von ursprünglich nahe Null immer steiler gegen hundert Prozent bewegt. Eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit ist eine bereits eingetretene Tatsache, deshalb könnte man mittels der Trendlinie (Drake-Gleichung aufgetragen gegenüber der Zeit in Jahren) das Jahr ziemlich präzise vorhersagen, in dem die Existenz außerirdischen Lebens als bestätigt gelten wird. Weil niemand die Wahrscheinlichkeiten festgehalten hat, deshalb kann man jetzt keine präzise Vorhersage machen. Aber aufgrund der schnellen Fortschritte in der Suche nach Exoplaneten, lehne ich mich so weit aus dem Fenster zu behaupten, daß die Entdeckung außerirdischen Lebens schon TESS oder dem James Webb vergönnt sein wird.

Gruß,
乱馬


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