was genau kommt hinterher? (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Sonntag, 24.10.2010, 14:25 (vor 4935 Tagen) @ Taurec (17969 Aufrufe)

Hallo Taurec, ich sehe jetzt erst, dass ich in den Beiträgen von Richard, Eyspfeil (und Detlef) zu wenig den „verschwörerisches Zug“ der so genannten NWO beachtet habe. Der ist für mich aber unwesentlich, da er nicht wirklich existiert (die Akteure sind ja bekannt, und ihre Strategien sind einleuchtend und durchsichtig). Mir imponiert an den NWO-Intentionen lediglich die technische Totalität und Raffinesse, mit der die entsprechenden Ideen umgesetzt werden. Und gerade da sehe ich Gefahren, dass solche (über mehrere Jahrzehnte stetig perfektionierte) Instrumente auch in Zukunft, sogar nach einer „Weltenwende“, noch benutzt werden könnten – so wie man ganz gewiss auch im Jahr 2050 noch bzw. wieder Verbrennungs- und Elektromotoren laufen haben wird.

Aber wie Du bin ich der Meinung, dass es sich bei NWO-Prozessen nur um einen Ausdruck, ja eigentlich nur um eine kleine Komponente des (nach Spengler eventuell objektiv erkennbaren) geschichtlichen Ganges handelt. Keineswegs, wie Du klar herausstellst, können solche Bestrebungen die Geschichte als Ganzes dominieren und bestimmen, und hätten sie noch so viel Geld und Macht.

Dann wird eine Ordnung entstehen, die dem rationalen,
dem mechanistischen, dem materialistischen Denken, das unsere Zeit
bestimmt, entgegengesetzt ist. Diese Ordnung ist cäsarisch.

Könntest Du das bitte genauer ausführen!> Gelegentlich, es eilt überhaupt nicht. Wie Du vielleicht schon bemerkt hast, interessiert mich an der Weltenwende weniger der Katastrophismus (Zusammenbruch der gegenwärtigen Ordnung, merkwürdiger Russenüberfall, vermuteter Eiertanz der Polachse und des Erdmantels etc.). Vielmehr würde ich gerne erfahren, was nach diesen unerquicklichen Vorkommnissen ansteht. Dass gegebenenfalls hinterher wiederaufgebaut werden muss, ist doch klar, und das dauert dann auch seine Zeit. Aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, ob Schlachtfelder, Gulags/KZs, Tsunamis, Hungersnöte, Erdbeben, Industrieunfälle etc. – wissen wir aber, dass die meisten Menschen selbst nach den schrecklichsten Eindrücken weitermachen „wie bisher“. Natürlich gibt es auch wirkliche Wandlungen (ein durch die Literatur bekanntes Beispiel wäre Solschenizyn) - aber die geheime Macht der Gewohnheit, der Lebenslügen und der bequemen Ausflüchte ist doch ziemlich groß. Vor allem in der Masse, also in der Gesamtdynamik einer Gesellschaft herrscht ein ziemliches Beharrungsvermögen.

Was also wäre das eventuelle Neue in der Weltenwende - warum und wie kommt es zustande? In Deinem Beitrag hier argumentierst Du mit Spengler, doch vielleicht sollten wir den nur vorsichtig heranziehen ***). Meine Frage zielt viel eher auf das, was Schauungen über die Zeit nach der Weltenwende sehen und wissen.
Wenn das eine so wichtige „Schlüsselzeit“ sein soll, welche Informationen gibt es dann dazu auf Basis der Schauungen? Mir fällt auf die Schnelle und salopp ausgedrückt nur Friede, Freude und Eierkuchen ein: die Kirche wird in ihr altes Recht eingesetzt, Länder werden arrondiert und vereinigt, eine gute „kaiserliche“ Ordnung aufgerichtet, üppige Ernten wird es geben, weniger Krankheiten, mehr Geburten, zufriedene und glückliche Gesichter. Bei den einen dauert diese Epoche die berühmten Tausend Jahre, bei den anderen geht es nach einer Generation schon wieder weiter mit einem neuen „Antichristen“. Gewiss hast Du Dir auch schon Gedanken über dieses Thema - das „Hinterher“ – gemacht, und deshalb würde mich Deine Meinung interessieren, wenn Du mal Zeit hättest, das aufzuschreiben. Eilt aber nicht.

Ich kann auch nicht unterdrücken darauf hinzuweisen, dass es in gewissen Winkeln der Esoterik eine Menge Materialien gibt, die ein ganz anderes Bild von den kommenden Zeiten zeichnen: da werden etwa nur noch hochbegabte Kinder geboren, am laufenden Band erstaunliche Erfindungen gemacht, futuristische Städte gebaut, paradiesische Landschaften angelegt – und der neue Mensch ist „spirituell viel entwickelter“. Für mich gibt es dabei ein methodisches Problem, dass viele derartige Aussagen nicht nur aus „Channeling“ und „Sternenbotschaften“ stammen, sondern leider halt auch aus „Schauungen“ und „Träumen“. Man muss dann sich rechtfertigen, warum man solche Quellen ausschließt.

Die hier im Forum erwartete Weltenwende per Großkatastrophe fällt nun möglicherweise mit einer kulturellen Wende (nach Spengler) zusammen. Man könnte von daher überlegen, ob das zu zusätzlichen (synergetischen oder auch dissonanten) Effekten führen könnte. In jedem Fall ist ein solches Zusammentreffen zunächst nichts mehr als ein „dummer Zufall“. Denn das Plattenrutschen und Polspringen über Nacht oder der heranrasende Planet hätten ja auch im Jahr 1600 schon die Menschheit überraschen können. Dann wäre sehr wahrscheinlich die betreffende Spenglersche Epoche ebenfalls modifiziert worden, jedenfalls die ganzen famosen Aufklärungs- und Technikgeschichten sowie die nachfolgende Bevölkerungsexplosion hätten kaum stattgefunden (oder nur sehr marginal). Vielleicht wäre der abendländische Kulturzyklus durch so eine Großkatastrophe sogar ebenso abgewürgt – quasi ermordet - worden, wie die cäsarischen Epochen der Inkas und Atzteken durch die spanischen Eroberer. Menschliche Kulturen sind wie zarte, schöne Blumen auf dem Felde der Geschichte. Wenn aber Elefanten kämpfen, leidet das Gras …

Mit freundlichen Grüßen, Gerhard

***)

Ich meine, dass Spengler manche seiner Gedanken über die „letzte Epoche“ einer Kultur, über den Cäsarismus und über die sich anschließende Zivilisationsphase nicht differenziert genug ausgearbeitet hat. Er war eher der Typ für den genialen Wurf, für die richtige Erkenntnis des Wesentlichen - eben ein geistiger Pionier. Auch würde ich die Begriffe, die Du in Deinem Beitrag anführst, nur mit gewissen Vorbehalten auf die cäsarische Zeit anwenden wollen. Die römische Kaiserzeit, oder Han-China, oder das Neue Reich in Ägypten waren auf gewisse Weise ziemlich materialistische Epochen. Und es war in diesen Jahrhunderten auch immer noch recht viel „Rationalität“ unterwegs: beispielsweise wurde die gesamte antike Astronomie erst von Ptolemäus (100-180 n.Chr.) zusammengefasst, die antike Medizin dagegen von seinem Zeitgenossen Galen. Und im Pantheon, immer noch einer der größten Kuppelbauten der Welt, steckt eine ganze Menge an Ingenieurskunst – möchte wissen, welches Bauwerk unserer eigenen Gegenwart in 1500 Jahren noch steht! Aber weder will ich Dich noch Spengler hier kritisieren sondern nur signalisieren, dass mich eine genaue Bestimmung des „Zeitgeistes“ der cäsarischen Ordnung sehr interessiert. Im Übrigen tritt der cäsarische Zeitgeist auch nicht urplötzlich in die Weltgeschichte ein. Die zentrale Idee des römischen Cäsarismus (staatsrechtlich die „Diktatur auf Lebenszeit“ im Gegensatz zur zeitlichen Beschränkung derselben in der Republik) wurde ja bereits von Gaius Julius Cäsar auf die Tagesordnung gesetzt, doch es hat ihn das Leben gekostet. Es waren fünfzig weitere Jahre nötig, bis Augustus dann fest im Sattel saß. Auf ganz ähnliche Weise sind einige Elemente des künftigen Cäsarismus auch heute schon sichtbar, und darüber hinaus viele Merkmale der zivilisatorischen Epoche, etwa das Auftauchen der Spenglerschen „zweiten Religion“: für echte Römer war das Christentum anfänglich kaum etwas anderes als eine der vielen Sekten und Kulte aus dem – heute eben etwas ferneren – Osten. Die römischen Frauen haben sich damals die Haare gebleicht und gebügelt, um „germanisch“ auszusehen, so wie heute Afrolook eben in Mode ist. Und niemand möge glauben, dass die Imbissbuden rund ums Colosseum von Römern betrieben wurden – die letzteren haben nur die Steuer kassiert.


Gesamter Strang: