Unbeantwortbar, fürchte ich (Schauungen & Prophezeiungen)

RichardS, Dienstag, 19.10.2010, 02:02 (vor 4941 Tagen) @ Elfe (18168 Aufrufe)

Hallo!

Richard, Du hast schon recht. Im Moment starren wir alle wie gebannt auf
das Finanzsystem.

In den letzten Wochen habe ich mir zwei Fragen gestellt:

Würde unser Finanzsystem einen zweiten "11. September" überleben, also
irgendein gewaltiges Ereignis? Es könnte auch eine Flut oder andere
Naturkatastrophe sein.

Wie genau würde der Zusammenbruch eigentlich aussehen?

Vielleicht sollten wir den Zusammenbruch des Finanzsystems weniger als
isolierten Punkt denn als Teil eines netzwerkartigen Gesamtgefüges
betrachten. Und zwar sowohl vor also auch nach dem Crash.

Am Beispiel Argentinien im Jahre 2001:

"Womöglich der endgültige Auslöser für den weiteren Niedergang könnte die
weltweite Wirtschaftsdepression nach dem 11. September 2001 gewesen
sein[6], der das Vertrauen der Anleger in die Märkte weltweit und in
Krisenstaaten wie Argentinien insbesondere schwinden ließ."
(http://de.wikipedia.org/wiki/Argentinien-Krise)

Der 11. September verschärfte die schon bestehende Krise. Es folgte das
Chaos:

"Wer wissen will, wie sich ein Staatsbankrott ankündigt, sollte die Banker
von Montevideo fragen, der Hauptstadt Uruguays. Sie hatten den nahenden
Crash im Nachbarland Argentinien als Erste bemerkt, Ende 2001. Männer mit
Koffern voller US-Dollar kamen aus Buenos Aires über den Río de la Plata
auf die andere Seite des Stroms. Sie standen Schlange in den Banken von
Montevideo, füllten dort ihre Konten und Schließfächer auf. Uruguay ist
die Schweiz Südamerikas - ein sicherer Hafen für Geld in Krisenzeiten.
Niemand fragt, woher die Millionen stammen.

Nachdem sie ihre Dollar ins Ausland transferiert hatten, begann die zweite
Phase des Zusammenbruchs: Die argentinische Regierung fror alle Konten ein,
nur 250 Dollar durften pro Woche abgehoben werden. Das traf die
Kleinanleger, die ihr Geld auf der Bank belassen hatten. Verzweifelt
stürmten Zehntausende die Institute, viele übernachteten vor den
Geldautomaten.

Die letzte Phase des Niedergangs begann in den Vororten der Hauptstadt.
Erst ging der Konsum um 60 Prozent zurück, dann plünderten junge Männer
die ersten Supermärkte. 40 000 Menschen versammelten sich vor Weihnachten
2001 auf der Plaza de Mayo vor der Casa Rosada, dem Regierungspalast. Sie
schlugen Tag und Nacht Töpfe und Pfannen gegeneinander, bis Präsident
Fernando de la Rúa per Hubschrauber entnervt flüchtete.

Das Bild des fliehenden Präsidenten hat sich eingebrannt ins kollektive
Gedächtnis der Argentinier. Es markiert die schlimmste Finanzkrise der
letzten hundert Jahre: De la Rúas Nachfolger gab den Wechselkurs des Peso
frei, der 1:1 an den Dollar gekoppelt war. Zehntausende Kleinunternehmer,
die Schulden auf Dollarbasis gemacht hatten, meldeten Bankrott an. Die
Arbeitslosigkeit schnellte auf 25 Prozent.

Fünf Präsidenten wechselten sich innerhalb von zwei Wochen in der Casa
Rosada ab, bis sich 2003 der Provinzgouverneur Néstor Kirchner als neuer
Staatschef durchsetzte. Er beschied die internationalen Gläubiger, dass
Argentinien seine Auslandsschulden in Höhe von 145 Milliarden Dollar nicht
zurückzahlen könne." (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-61822103.html)

Diese Beschreibung kommt doch bürgerkriegsähnlichen Zuständen schon sehr
nahe, oder nicht?

Aber was machen wir jetzt mit der Reihenfolge?


Viele Grüsse, Elfe

Hallo Elfe!

Das Bedürfnis, eine Reihenfolge geschauter (vermuteter) Ereignisse herzustellen bis zum "finalen" Ende (Kriegs-, Impakt-, Flutenjahr mit der "3tF"), welches genau genommen nur für die bis dahin Heimgegangenen eines sein wird, kenne ich auch an mir, ist wohl unausrottbar. Ich gebe diesem Bedürfnis mittlerweile nicht mehr zu sehr nach. Denn das Ergebnis wird immer spekulativ bleiben, somit unzuverlässig, d.h. untauglich für die Ausrichtung des eigenen Lebens. Eine Reihenfolge herzustellen hieße, kausale Zusammenhänge zwischen den einzelnen wirklich entscheidenden Ereignissen herzustellen - doch woher wollen wir wissen, dass wir die alle kennen? Wir haben nur Bruchstücke (die ohnehin oft nur vage Bilder und interpretationsbedürftig sind) - ohne dass wir wissen, wieviele Bruchstücke uns fehlen, weil sie nie geschaut wurden oder nie bis zu uns gedrungen sind. Fragen von Dir wie "Würde unser Finanzsystem einen zweiten "11. September" überleben, also irgendein gewaltiges Ereignis? Es könnte auch eine Flut oder andere Naturkatastrophe sein" können darum nur Antworten provozieren, die nicht anders als solche Fragen ein bloßes Stochern im Nebel wären. Möglich, dass ein zweiter 11. September einen Finanzkrach auslöste, falls gewaltig genug und in einer geeigneten Weltgegend; möglich auch, dass irgendeine Naturkatastrophe, falls gewaltig genug und in der richtigen Weltgegend lokalisiert, selbiges bewerkstelligen könnte; doch vielleicht ist auch irgendetwas ganz anderes der Auslöser. Das meine ich: Solche Fragen können zu keinen produktiven Antworten führen.

Aus Simuns Traum dagegen können wir einen Nutzen ziehen, ganz unabhängig von der akademischen Frage, ob er in seinen Einzelbestandteilen echte Schauung ist oder nicht. Er macht uns auf das Überraschungsmoment aufmerksam, also darauf, dass wir uns nicht selber mit trügerischen Gewissheiten einlullen sollten (nach dem Motto: Wir kennen den Fahrplan oder den Ablauf einzelner Ereignisse darin, zumindest in gröberen Zügen). Nehmen wir Simuns Traum doch als Warnhinweis, nicht weil wir auf diese Weise vor Überraschungen gewappnet wären, sondern weil wir misstrauisch bleiben - auch gegenüber unseren eigenen angeblichen Gewissheiten. Ich weiß nicht, ob es in dieser Dekade einen europäischen Russenfeldzug geben wird, globale Küstenüberflutungen und Impakte, einschließlich der entsprechenden Vor- und Nachspiele. Aber ich stelle mich darauf ein - aus meinem Gefühl, meiner Intuition heraus kann ich die Szenarien, mit denen wir uns hier beschäftigen, nicht ignorieren - und weiß bei alledem dennoch nicht, ob nicht alle meine Bemühungen vergeblich sind. Auch darauf versuche ich mich einzustellen, nach dem Motto: es gibt ein Leben im Jetzt und davor. Meine Vorbereitungen könnten für andere mangelhaft und untauglich erscheinen, die von anderen für mich unpraktikabel und sinnlos. Menschen unterscheiden sich, auch in Temperament, Alter, Fähigkeiten. Aber um auf die geschauten Ereignisse, die Reihenfolge der Ereignisketten und das Wie einzelner Vorgänge zurückzukommen: im Grunde genügt mir das Ungefähre. Klar, um mal was Provokantes zu sagen: ich wüsste z.B. schon gerne, ob die Aktienmärkte bis weit ins nächste Jahr hinein haussieren, stagnieren oder - wie uns Seher gerne mitteilen (und, wenn mit Zeitangaben verbunden, in der Vergangenheit wohl öfter falsch denn richtig lagen) - fallen - denn je nach dem verändert das den Spielraum der eigenen Vorbereitungen. Auch wüsste ich gerne, ob statt der Aktienmärkte nicht eher die in der Tat Blasen bildenden Anleihemärkte "demnächst" kollabieren (ein Thema, das für Seher erstaunlicherweise wenig ins Blickfeld zu geraten scheint...), oder wie sehr die Edelmetalle gegenüber den diversen Papierwährungen noch an Wert gewinnen bevor sie ... natürlich... ganz schrecklich wie ein Stein ins Bodenlose fallen - aber auch zu all dem gibt es keine konkreten, geschweige denn verlässlichen Seherschauungen. Sondern notwendigerweise: viel Nebel und zusätzlich jede Menge blinde Flecken. Und nur die Gewissheit: der Zusammenbruch des Finanzsystems kommt - zur passenden Stunde. Und so bleibt es jedem nach Temperament, Möglichkeiten, Ideen usw. überlassen, wie er mit dieser Gewissheit umzugehen versucht. Da nützt kein Fahrplan und keine Beantwortung der unbeantwortbaren Frage, ob ein zweiter 11. September, eine Flut oder ein in oder durch China stattfindendes Ereignis dem globalen Finanzsystem den Garaus macht. - Man muss selbst damit umzugehen versuchen, dass alles, was wir über diesen Fahrplan diskutieren, wir selber gar nicht erleben - die Zeitschiene ist nicht definierbar (jedenfalls nicht kausal, nicht intellektuell-theoretisch). Womit ich nicht dem das Wort rede, das Detlef so oft "tadelt": dem zeitlichen Verschieben der 'schlimmen Szenarien' nach hinten.

Gruß
Richard


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