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Estomac / der Grund für Nostradamus Verschleierung = Werksschutz (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Dienstag, 11.09.2018, 08:00 (vor 2054 Tagen) @ Einhorn (4314 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Samstag, 03.11.2018, 15:14

Hallo!

Und da auch die Vorworte Übersetzt sind, habe ich mir gleich die Übersetzung des Satzes "car la parole hereditaire de l'occulte prediction sera dans mon estomac intercluse" aus dem Vorwort an César angesehen, die in fast allen Büchern die ich kenne, völlig unbefriedigend ist, da "estomac" mit Herz, Innersten oder auch Brust, wie auch leider hier, übersetzt werden. Nur bei Ellenberg-Kraus finde ich die richtige Übersetzung "Magen". Und da würde es mich interessieren, was Übersetzer dazu bringt, solche Übersetzungen zu machen, oder zu übernehmen, die doch eine sachgerechte Interpretation oder Entschlüsselung verhindern. Denn diese kann man ansonsten durchaus finden. Nun ja, vielleicht nicht jeder :-)

Das ist eigentlich nicht nachvollziehbar, da es für "estomach" durchaus mehrere Bedeutungen gibt.

Das "Dictionnaire du Moyen Français (1330-1500)" nennt neben "Magen", "Brust", "Bauch" auch:

[Plus ou moins synon. de coeur] "Siège des sentiments et des pensées"

⇒ Mehr oder weniger synonym mit Herz: Sitz der Gefühle und Erwägungen/"Motivationen".

Diese Bedeutung war schon in der Urbedeutung des lateinischen "stomachus" angelegt, das u. a. "Empfindlichkeit, Ärger, (gute) Laune" bedeuten konnte, also den Bauch bzw. die Brust mit dem Sitz der Gefühle gleichsetzte.

Die Bedeutung des Satzes wird somit klar, und daß Nostradamus seine Voraussagen keinesweges (oder besser hoffentlich nicht) seinem Verdauungstrakt entnommen hat:

"[2] Und da es dem unsterblichen Gott gefallen hat, daß Du nicht mit natürlicher Erleuchtung in diese irdische Welt gekommen bist, um nicht von Deinen Jahren, die noch nicht zahlreich genug sind, zu sprechen, sondern von Deinen Marsmonaten, die in Deiner schwächlichen Auffassungskraft unfähig sind zu begreifen, was ich gezwungen wäre nach meinem Tode zu erklären. [3] Ich habe gesehen, daß es nicht möglich ist, Dir mittels Schrift zu hinterlassen, was durch den Angriff der Zeiten entwertet wäre, [4] denn das überkommene Wort der verborgenen Vorhersage wird in meinem Inneren verschlossen sein."

Sein Sohn Cäsar ist zu jung, als daß er ihn mündlich über die Prophezeiungen aufklären könnte. Er ist in seinen "Marsmonaten", also im Frühling seines Lebens (in der Antike begann das Jahr zudem am 1. März). Er müßte es nach seinem Tode schriftlich erklären. Der "Angriff der Zeiten", also Änderungen in der politischen und religiösen Landschaft, der Ansichten und Urteile der Menschen, aber auch in der Sprache würden den Sinn der Niederschrift jedoch entstellen und unverständlich machen. Auch wäre sein Werk als Ganzes gefährdet, wenn es einer künftigen Zensur anheimfiele. Dies schreibt Nostradamus kurz darauf:

"[7] Wie oft habe ich über lange Zeit mehrmals vorhergesagt, lange im Voraus, was seitdem in besonderen Regionen eingetroffen ist. [8] Ich räume ein, daß das ganze durch Wunderkraft und göttliche Eingebung geschehen ist sowie daß durch weitere glückliche und traurige Begebenheiten in wachsender Geschwindigkeit geäußert wurde, was seitdem durch die Richtung der Welt eingetroffen ist. [9] Ich wollte eigentlich wegen Anfeindungen schweigen und (davon) ablassen, es schriftlich niederzulegen, nicht bloß wegen der heutigen Zeit, sondern auch wegen des Großteils der Zukunft. [10] Denn die Reiche, Lehren und Religionen werden sehr widrige Veränderungen erfahren, die der Gegenwart entgegengesetzt sind. [11] Wenn ich sagen müßte, was künftig geschieht, würden diejenigen der Regierung, Lehre, Religion und des Glaubens befinden, daß es sehr schlecht zu ihrer kleinlichen Vorstellung paßt, und es verdammen."

(In den Sätzen 7 und 8 spielt Nostradamus auf die Jahresalmanache an, die er seit 1550 herausgab und die Voraussagen für das jeweilige Jahr enthielten. Sie brachten ihm sowohl Anhänger in ganz Europa als auch Neider und Anfeindungen ein.)
Dem entsprechend ist das "überkommene Wort", also die Information über Zukünftiges, wie es ihm ursprünglich übermittelt wurde, also in der unverklausulierten Reinform (!!!) in seinem Inneren verschlossen, nicht etwa in seinem Magen. Nostradamus nimmt es lieber mit ins Grab, als es dem niedrigen Urteil künftiger Kleingeistigkeit preis zu geben.

"[12] Was in den nächsten Jahrhunderten geschieht, wird man als gesehen und erkannt verstehen. [13] Auch hinsichtlich der Aussage des wahren Erlösers: [14] 'Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Schweine, denn sie könnten sie zusammentreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.' [15] Das ist der Grund gewesen, meine Aussagen der Öffentlichkeit und die Feder dem Papier vorzuenthalten."

Das Wort als "Magen" zu übersetzen trüge zur Verständlichkeit der Übersetzung nichts bei, verringerte sie vielmehr. Nostradamus meinte damit sein "seelisches"/"gefühlsmäßiges" Inneres. Auch verbirgt sich darin gewiß kein "Schlüssel" für irgendwelche Geheimfächer des Textes. Eine solche Behauptung, d. h. welche Zusatzinformationen sich dadurch eröffnen sollen, sollte erst mal belegt werden.

(Nachtrag: Man muß die Prosa freier Übersetzen als die Vierzeiler, bei denen es oftmals auf jedes einzelne Wort ankommt. Ein allzu enges Verweilen am Text ist hier aber nicht zielführend. Daher haben wir vermutlich den Text auch in mehr Sätze unterteilt und Sperrwände eingezogen als alle unsere Vorgänger. Wenn man einen halbseitigen Schachtelsatz, der mit "&" und Konjunktionen verbunden ist, als einen Satz übersetzen will, entsteht natürlich ein unverständliches Gewurschtel, und man findet auch nicht die passenden Wortbedeutungen, wenn man durch das Ganze schon nicht durchblickt.)

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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