2028 (Freie Themen)

Jacob, Sonntag, 29.04.2018, 00:44 (vor 2190 Tagen) @ Baldur (3324 Aufrufe)

Hallo lieber Baldur,

ein interessantes Gedanken- und Präkognitionsexperiment, was Du da vorschlägst.

Im Jahre 2028 werde ich 52 Jahre alt, Vater einer 16- und einer 13-jährigen Tochter, sowie eines 10 Jahre alten Sohnes. Alle besuchen die Schule (diejenige wahrscheinlich, die wir ihnen sorgfältig ausgesucht haben).
Wir haben einen Wohnsitz in Deutschland und einen im europäischen Ausland. Der wirtschaftliche Wohlstand der EU-Jahre hat sich in Luft aufgelöst. Die Leute haben es schwer, sich Importware aus dem Ausland leisten zu können. Den Euro in der alten Fassung gibt es nicht mehr. Es gibt eine neue Währung, die sich womöglich noch Euro nennt, aber nicht mehr die internationale Kaufkraft besitzt, wie die einstige Weltwährung.

Wir bauen immer noch unsere eigenen Kartoffeln an und haben massig eigene Äpfel, Birnen und Beerenfrüchte, so dass wir so wenig wie möglich Nahrung zweifelhafter Provenienz hinzukaufen müssen. Für das übrige kennen wir einige Bauern, die bewundernswert reine Produkte aus eigener Überzeugung herstellen.

Russland ist die aufsteigende Macht. Junge, talentierte Leute, die Ambitionen haben, sind u.a. bemüht, Russisch zu lernen. Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Russlands haben sich sehr intensiviert. Das Englische bleibt dennoch Weltsprache, weil soviele Länder es bereits zu beherrschen gelernt haben, bevor die Machtverhältnisse sich verschoben haben. Natürlich wird es auch neue Technologien geben. Sie werden vermeintlich dem sino-russischen Bereich der Welt entstammen oder zumindest von ihm beherrscht werden.

Die Lage in Deutschland hat sich insgesamt entspannt und geklärt. Die zahlreichen syrischen Zuwanderer sind in ihre Heimat zum Wiederaufbau zurückgekehrt. Mit eisernem Besen hat die AFD/CDU geführte Koaltion zudem Deutschland hinsichtlich der ansonsten verbliebenen illegalen und aussichtslos legalen, da keine Aufenthaltsgenehmigung zu erwartenden Immigranten ausgekehrt. Dies war politisch nicht mehr schwer durchzusetzen, nachdem die wirtschafts- und finanzpolitischen Schocks der Jahre 2018-2020 das gesamte Euro- und Weltfinanzsystem dermaßen durchgeschüttelt haben, dass eine komplette Neuordnung erfolgen mußte.
Die folgenden Enteignungen und Konfiskationen privaten Vermögens zum Ausgleich der angefallenen Defizite konnte nur eine zero-spending-policy zuungunsten der unproduktiven Gäste aus aller Herren Länder einigermaßen besänftigen. Die zurückgebliebene Bevölkerung ist weitgehend auf ein Niveau zurückgeworfen, das dem der 80er Jahre in der BRD entspräche, wenngleich mit dem technologischen Fortschritt der Gegenwart versehen.

Die Einwanderer früherer Jahrzehnte seit der Adenauer-Ära sind die Gruppe, hinsichtlich der sich die eigentliche Frage der Bewahrung der Deutschen Identität und Integrität des Restvolkes entzünden muß.
Eine Frage, die ich offen lassen möchte, denn ihre Beantwortung würde allzu kühne Optionen mit in's Kalkül ziehen müssen, die zur Zeit geradezu utopisch erscheinen mögen. Zumal auch durchaus angenehme, nicht nur unangenehme Verflechtungen bestehen. Ich gestehe, hier keine Zukunft ausmalen zu können. Gelingt die Ausweisung dieser Kreise hingegen nicht, welche zu ihrem Gelingen eine zweifellos enorme Kraftentfaltung benötigte, dann ist keine Wiederkehr deutscher Identität als Majorität in einem Staate schlechthin undenkbar.

Meine Kinder hingegen studieren. Bereisen das Ausland. Wir verkehren mühelos mit dem Land unseres Zweitwohnsitzes, vermutlich im mediterranen europäischen Ausland. Ich werde alt werden, 80 Jahre und ein wenig, meine Frau erreicht die 90. Die Kinder werden Enkelkinder bekommen und nicht vor uns sterben.

Das Leben geht also weiter.
Was mit Deutschland wird, ist mir ungewiß.

Wer sich mit Geschichte auseinandersetzt, weiß, große Männer und Frauen sind vor uns gewesen und haben heroische Leben gelebt. Dennoch sind viele von ihnen nicht einmal mehr in unserer Erinnerung vorhanden.
Die großen Räder der Geschichte lassen unser einzelnes Leben bedeutungslos erscheinen. Gnadenlos nagt der Zahn der Zeit an dem Leben, was uns gegeben worden ist, bis unmerklich die Erkenntnis einsetzt, man sei nun alt und werde bald gehen. Dieser schleichende Prozess, er erscheint beinahe hinterhältig, und dann steht man eines Tages vor dieser Erkenntnis. Und man ist alt geworden.
Die großen Räder der Geschichte drehen weiter.
Nehmen keine Notiz.

Für mich ist das Leben jenseits aller Theorie, Philosopie und Theologie, überwältigend. Es bewußt zu erleben, macht demütig.
Ich hoffe, vor meiner Zeit eine echte Überzeugung davon erleben zu können, was mich erwartet, was die unsterbliche Natur des Lebens angeht. Ob es mir vergönnt sein wird, werden wir sehen.

Mich erfreut doch sehr, dass ich weder meine Kinder, noch meine Frau werde beerdigen müssen.

Euch allen alles erdenklich Gute,
jacob


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