Naturgesetze und Paradigmenwechsel (Schauungen & Prophezeiungen)

Spindoktor, Freitag, 09.11.2012, 13:13 (vor 4195 Tagen) @ Taurec (8613 Aufrufe)

Hallo Taurec,

Es gibt auch die Ansicht, daß es "Naturgesetze" eigentlich gar nicht gibt,
nur in dem Maße, als wir an sie glauben.


Natürlich gibt es Naturgesetze (man mag sie nach Belieben auch Schöpfungsgesetze oder anders nennen), die der Mensch annäherungsweise begreifen kann und die in der physikalischen Welt auch gelten, wo keine Menschen sind und niemand an sie glaubt.
Die Naturwissenschaft ist die Methode der Annäherung an die Erkenntnis dieser Naturgesetze, wobei sie sich durch Selbstbeschränkung nur auf berechenbare/meßbare und empirisch nachvollziehbare Vorgänge konzentriert. Die Deutung von Schauungen darf den Naturgesetzen (mit welchen die aktuelle Lehrmeinung der Naturwissenschaften nicht per se gleichgesetzt werden kann!) natürlich nicht widersprechen. Die Fragen sind doch eher:

Naturgesetze und aktuelle Lehrmeinung: eine Schau, in der z.B. kalte Kernfusion als Energiequelle vorkommt, könnte valide sein, obwohl dieser Vorgang aktuell höchst umstritten ist. Wenn aber so universelle und ständig angewandte Naturgesetze wie die Drehimpulserhaltung ganz offensichtlich grob verletzt werden und man diese Verletzung auch nicht durch symbolische Verzerrung der Wahrnehmung erklären kann, ist das für mich ein Grund, das geschaute Szenario abzulehnen.

1. Zeigen Schauungen durchwegs reale physikaklische Vorgänge, so daß naturwissenschaftliche Erklärungen angebracht sind, oder sind sie mehr oder weniger stark verfälscht und verzerrt?
Wir haben z. B. eine Reihe verschiedener Schauungen von Himmelskörpern, von denen sich selten zwei absolut gleichen. Auch Schauungen, die wir dem "Funkenregen" zuordnen, decken sich nicht, zeigen einerseits Meteoriten, andererseits magmatische, "belebt" wirkende Fetzen. Es überwiegt hier womöglich der seelische Eindruck des Geschehens die realen physikalischen Vorgänge, die wir jedenfalls als zugrundeliegend annehmen.

Da gebe ich dir recht - diese Variationen und Färbungen der Wahrnehmung sind aber allesamt im Rahmen des Natürlichen.

2. Hat die Wissenschaft die Naturgesetze tatsächlich erkannt, so daß das augenblickliche Lehrgebäude als Erklärung reicht? Jeder Wissenschaftstheoretiker weiß, daß es auch in den Naturwissenschaften Paradigmen gibt, die sich im Laufe von Jahrzehnten abwechseln. Dabei ist ein Paradigma ein Grundsatz, bzw. eine Grundannahme oder ein Satz von Grundannahmen, der jedem wissenschaftlichem Vorgang vorausgeht, bestimmt welche Fragen gestellt werden, nach welcher Methode sie beantwortet werden und wie die Ergebnisse interpretiert werden. Auf der anderen Seite werden Widersprüche hinter der Wahrnehmungsbrille entweder ausgeblendet oder abgewiegelt. Da muß schon einiges passieren, es müssen Widersprüche auftreten, die sich nicht mehr weginterpretieren lassen, ehe ein Wissenschaftler sein Paradigma wechselt.
Nach einem Paradigmenwechsel können bereits gemessene Vorgänge tatsächlich in einem völlig anderen Lichte erscheinen.

Siehe meine Gegenüberstellung von kalter Fusion und Drehimpulserhaltung: es gibt Beobachtungen, die man verschieden erklären kann und solche, die so grundlegend und universell sind, dass kein Paradigmenwechsel sie aufheben könnte.

Ein Aktualist wird daher in der Natur immer stetige, gemächliche ablaufende Veränderungen ohne Brüche finden, weil er diese aufgrund seines Weltbildes unterstellt, wohingegen ein Katastrophist für die Entstehung bestimmter geologischer und geographischer Formen Großkatastrophen voraussetzt und damit Bedingungen, die nicht immer Gelten. Diese Annahme führt im weiteren zu Impakts-, Polverschiebungs- oder anderen Katastrophentheorien, um diese Formen zu erklären, und wird etwa als die Annahme von Katastrophen als Antrieb der Evolution oder neuen geophysikalischen Theorien in andere Wissenschaftsbereiche übergreifen.

Geologische Großkatastrophen sind erwiesen, aber auch sie halten sich an die grundlegenden Naturgesetze.


Mich wundert daher die Vehemenz, mit der Spindoktor das wissenschaftliche Weltbild präsentiert als wäre es eine absolute Wahrheit gleich einer Religion. Es scheint fast, als ermangelte es ihm etwas der Fähigkeit zur selbstkritischen Distanz, sodaß er die Ergebnisse der Wissenschaft mit der Wissenschaft selbst verwechselt, die tatsächlich die Methodik der Annäherung an die sichtbare Welt durch Revolution ihrer vorläufigen Ergebnisse ist. So betrachtet kann sie per definitionem keine absoluten Wahrheiten liefern, sondern allenfalls zweckmäßige Arbeitshypothesen. Da jede neue Arbeitshypothese (oder wenn man so will: Arbeitstheorien als System von Hypothesen) den zuvor erreichten Grad der Erkenntnis (= Annäherung) an die Realität miteinbegreift, ist das kein Problem.

Der letzte Satz ist der wichtigste: Naturwissenschaft schüttet eben nicht bei jeder neuen Entdeckung das Kind mit dem Bade aus, sondern versucht sie zunächst im Rahmen des vorhandenen Wissens zu erklären. Erst wenn das partout nicht klappen will, versucht man, die Theorie zu erweitern - aber wiederum nur so, dass gesicherte Resultate weiter gelten. Oft stellt sich dann die ältere Theorie mathematisch als Grenzfall der neueren und umfassenderen Theorie heraus.

Die Existenz der Hochtechnologie spricht für den Erfolg dieser Methode. Schwieriger wird es, wenn aufgrund der Fragestellung oder des gewählten Gegenstandes eine praktische Anwendung ausbleiben muß, wie es bei der Entstehung der Erdoberfläche, dem Aufbau und Dynamik der Erdkörpers, des Sonnensystems usw. der Fall ist. Ein falsch erkanntes mechanisches Gesetz wird sich am Scheitern der auf seiner Grundlage entworfenen Maschine offenbaren, falsche oder unzureichende Grundannahmen über Erde und Sonnensystem werden sich nicht so leicht oder zumindest nicht so schnell als solche erweisen.

Hier irrst du dich: das Sonnensystem ist ein Musterbeispiel für die Anwendung derselben mechanischen Gesetze, die auch in unserer unmittelbaren Umgebung gelten. Nicht umsonst heißt der Zweig der Astronomie, der sich mit der Bewegung von Himmelskörpern beschäftigt, Himmelsmechanik - und ohne diese Himmelsmechanik könnte keine Raumsonde punktgenau landen! Die Erkenntnis Newtons, dass dieselbe Kraft, die den Apfel vom Baum fallen lässt, auch den Mond auf seiner Bahn um die Erde hält, ist in diesem Zusammenhang gar nicht hoch genug einzuschätzen. Auch über den Aufbau der Erde weiß man inzwischen viel mehr als zu der Zeit, als die gängigen Katastrophentheorien aufkamen. Noch sind zwar nicht alle dynamischen Vorgänge im Innern der Erde bekannt, an der Gültigkeit der klassischen Physik auch dort besteht jedoch kein Zweifel.


Freundliche Grüße vom Spindoktor


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