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Mehr Haare als Nudeln in der Suppe (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 07.03.2021, 16:47 (vor 1108 Tagen) @ Leonessa (1842 Aufrufe)

Hallo!

Und genau das wurde in der Bibel prophezeit. Da steht etwas von weltweiten Kriegen und Aufruhr, vor denen man sich nicht fürchten soll. Da ich das letzte Mal, gezwungenermaßen, in der Schule in die Bibel geschaut habe, kann ich jetzt aber leider nicht mit Kapitel sowieso dienen.

Wohl kaum. Die Voraussagen in der Bibel sind für den engen geographischen Horizont des Nahen Ostens und für den engen zeitlichen Horizont der nahen Zukunft des 1. Jahrhunderts. So sagte Jesus (oder es wird ihm zugeschrieben) seinen noch lebenden Anhängern voraus, manche würden den Tod bis zu seiner Wiederkehr nicht schmecken, was zwar nicht eintraf, den Glauben daran aber nicht vermindern konnte. Seitdem warten Christen auf Godot und werden nicht müde, als falsch erwiesene Aussagen auf ihre jewilige Gegenwart hinzubiegen, um sie am Leben zu erhalten. Dieser Impuls treibt die Prophezeiungsszene an und läßt sie auf Ereignisse warten, die nie eintreffen werden.

Gänzlich ungeachtet dessen schreitet das Weltgeschehen mit Umwälzungen voran, die aber gänzlich andere Verläufe nehmen als prophezeit. Nichtsdestoweniger werden Prophezeiungsgläubige nicht müde, entweder die Realtiät auf die Prophezeiungen oder die Prophezeiungen auf die Realtiät hinzubiegen. Alle Vernunft hat da nichts zu melden, denn auf diese Weise behalten sie ja immer recht. Beleg: Die Prophezeiungen stimmen doch nachweislich seit Jahrtausenden. Immer sind ausgerechnet jetzt die letzten Vorzeichen am Eintreffen. ;-)

Und jetzt willst Du Dich vom Thema verabschieden? Wirklich?

Das habe ich jedoch nicht geschrieben.

Gerade jetzt wären aktuelle Schauungen zum Ausgang der Situation höchst interessant.

Für das Liefern aktueller Schauungen bin ich allerdings nicht zuständig. Ich kann hier nur eine Türe offenhalten.

Es gibt aber ganz sicher auch Neue zuhauf.

Dann bitte her damit!

Das Niveau hier ist sehr hoch, was aber auch ein Nachteil sein kann.

Vor allem, wenn man für das Beschaffen neuer Schauungen auf Prophezeiungsgläubige angewiesen ist, die neben ihrem Prophezeiungsglauben die eine oder andere echte Schauung haben, beides aber nicht trennen können oder wollen.

Hat nicht Irlmaier von vielen Fremden gesprochen, die kommen werden?

Nöö. Das ist mittlerweile doch schon so gründlich angezweifelt worden, daß es keine vernünftige Begründung mehr gibt, diese Aussage für wahr zu nehmen. Siehe z. B. hier:
"Das spielt zweifellos auf die angebliche Aussage der Caritasschwester Marie Luise Bender an:
'Alsdann kommt eine große Zahl fremder Leute ins Land.'

Tatsache ist aber:

  • Die Aussage ist unsicher und erst ab 1992 als existent belegt.
  • Sie ist bei Josef Stocker belegt, einem katholischen Priester. Allein das disqualifiziert ihn schon fast, weil er dadurch als Gläubiger der Endzeitprophetie sich in eben deren Echokammer bewegt, in der er stets auf den Beweis der Richtigkeit der Endzeitprophetie hinzuarbeiten bestrebt ist. Die Erfahrung mit dem zweitausendjährigen Fälschungskanon zeigt, daß Katholen zu den eifrigsten Fälschern zählen. Aus ihrer Sicht ist das wohl kaum eine Sünde, da sie ja für die richtige Sache lügen, nämlich die zweifellos wahre Endzeitprophetie. Ähnlich Dir in Deinem Beitrage halten sie die Quelle und die Tatsache des Fälschens, Lügens und Betrügens für nebensächlich, wenn der Inhalt wahr ist (wofür es außerhalb der Echokammer aber keinen Beleg gibt).
  • Eben dieser Stocker hat sich bereits nicht mit Ruhm bekleckert, als er die Katharina aus dem Ötztal aus dem Hute zog, für die er aber keine Quelle nennen konnte. Erst über Umwege stellte sich heraus, daß er sich quasi im Kreis bzw. mittels verschiedener Pseudonyme selbst zitiert hat. Siehe: https://schauungen.de/forum/index.php?id=28754
  • Jemandem, der derartig verschlagen dem Leser scheinbare Quellenqualität vortäuscht, dem glaube ich die Existenz einer Caritasschwester pauschal nicht.
  • Ausgehend von der Entstehung des Textes um 1992, die wir angesichts des obigen annehmen müssen, zeigt sich, daß die angeblichen Irlmaieraussagen der angeblichen Caritasschwester lediglich eine Reflektion der Entwicklungen bis 1992 sind, inklusive der Zuwanderung, die sich auf die tatsächliche Zuwanderung in den Achtzigern und frühen Neunzigern bezog. Typisch für den Endzeitfälschungskanon wurde er mit der Fälschung 'Caritasschwester' abermals auf den damals neuesten Stand gebracht.

Die Projektion dieser angeblichen Prophezeiung auf 2015 ist also völlig verfehlt! Diese ist ebenfalls nichts weiter als der Versuch, den ewig dräuenden, aber niemals in der gegenwärtigen und künftigen Menschheitsgeschichte eintreffenden Fälschungskanon der europäischen Endzeitprophetie auf den Stand unserer Gegenwart zu bringen!"

Und noch etwas ausführlicher: hier

Und eine Bäuerin aus Vorarlberg von "schiache Leit"?

Die Katharina aus dem Ötztal?
"[...] da kommen sie, ganze Horden schiacher (wild aussehender) Leute, und überfallen alles."

Die schlummert ebenfalls unselig in der Tonne, kehrt aber regelmäßig als Prophezeiungszombie wieder. Josef Stocker ist für diese Prophezeiung die einzige Quelle, zitiert in seinem Büchlein einen angeblichen Zeitungsartikel, verschweigt aber, daß er selbst der Autor dieses Artikels ist. Das ist sogar noch unter dem Niveau der Doktorarbeiten von Bundestagsabgeordneten. Die plagiieren wenigstens nicht bei sich selbst. Außerhalb der Stocker'schen Phantasie gibt es nirgendwo einen Nachweis einer Katharina aus dem Ötztal bzw. Emilia Auer.
Inhaltlich ist die Prophezeiung leicht erkennbar auf christlich-endzeitprophetisches Gedankengut zurückführbar. Dabei ist die Formulierungsweise so schwammig, daß man leicht immer wieder etwas findet, das dazu paßt, so daß sich die selbstbetrügerische Masche der Prophezeiungsgläubigen fortführen läßt, immer ausgerechnet in der eigenen Gegenwart die letzten Vorzeichen eintreffend zu wähnen.

In Stockers Machwerk aus den Achtziger Jahren kommt noch die letzte Version des Prophezeiungskanons zur Anwendung, die mit der Zeit des Kalten Krieges und des Sowjetkommunismus in Einklang gebracht wurde: "plötzlich kommen diese schiachn Leute in roten Fetzen".
Als rote Kommunisten tauchen sie schon in der Mühlhiaslfälschung von 1923 und z. B. als "die Schlechten" (aber ohne Rot) bei den französischen Priestern, Nonnen und Hausfrauen, die allesamt einer großen katholischen Fälschungswelle des 19. Jahrhunderts entstammen, durch welche die Kirche dem neuen Zeitgeist entgegenwirken wollte. Die Verheerung der Länder durch üble Horden hat in der Prophezeiungsliteratur Tradition, stets auf die jeweilige Zeit angepaßt. In der Birkenbaumsage sind es "die bärtigen Völker des Siebengestirns", im Mittelalter war es die in vielen zeitgenössischen Quellen zu findende "Türkenschlacht am Rhein" und bei Pseudomethodius, der vielen mittelalterlichen Prophezeiungen als Grundlage diente, die Mohammedaner. Eine Christenverfolgung in der Endzeit wird schon in der Bibel vorausgesagt (als Juden durften sich natürlich auch die Urchristen als verfolgte Nation begreifen ;-)) und stellt die geistgeschichtliche Grundlage dieser vielen Inkarnationen einer Erwartungshaltung dar, in denen stets irgendwelche Teufelsanhänger/Ungläubigen/schiachen Leute/rote Socken über die Christenheit herfallen.

Das ist es ja gerade: Egal, wo man die Prophezeiungsliteratur aufschlägt, überall findet man keine echten Zukunftsvoraussagen, sondern Verarbeitungen eines religiösen Grundstoffes, der eine geglaubte Zukunftserwartung ausdrückt und ohne Schauungsgehalt ist.

Und erst gestern habe ich irgendwo gelesen, daß Nostradamus von einer Königin Korona gesprochen haben soll, was ich jetzt aber intuitiv nicht glaube.

Das sollte man auch besser nicht glauben. Das Wort "corona" kommt nirgendwo bei Nostradamus vor, lediglich Ableitungen wie "sceptre coronal" (Krönungsszepter) und "coronel" (im Provenzalischen der militärische Rang des Colonels).

Daran zeigt sich exemplarisch, warum die Beschäftigung mit Prophezeiungen zur Erhellung der Zukunft offensichtlich nur wenig beitragen kann: Die Prophezeiungen stimmen nicht, sind ein einziger, in sich verflochtener Fälschungskanon und wenn alle Vergewaltigungskünste der vorhandenen Texte keinen Bezug auf aktuelles Zeitgeschehen erlauben, werden die Aussagen einfach erstunken und erlogen und unter's Volk gebracht. Es gibt immer noch genügend Leichtgläubige, die nicht hinterfragen, was ihnen aufgetischt wird.

⇒ Wenn man nach "Schauungen" zu aktuellen Großereignissen sucht, findet man nur aus dem Zusammenhang gerissene und herumgebogene Teilsätze aus Fälschungen oder gar komplette Neuerfindungen. :-(

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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