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1. Ergänzung von Pennywise zum angeblichen Alter 2. Die vermeintlichen Irlmaiertreffer (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 15.08.2019, 09:05 (vor 1709 Tagen) @ Rolf Reinhardt (3235 Aufrufe)

Hallo!

gibt es noch weitere Details und Aussagen in dem Video?
Wir gesagt aus welcher Zeit oder Zeitraum diese Legenden stammen?

Pennywise schrieb mir per E-Mail:
"Interessant ist ja, daß diese Schauungen laut Aussagen der Bauern recht alt sind. Das ist weit VOR der Nachkriegszeit. Eine Bäuerin im Video spricht von 150 Jahren, das wären ja die 1830er Jahre zum Zeitpunkt der Aufnahmen.
Die meisten erwähnen Groß- oder Urgroßeltern, die diesen „Mann“ scheinbar noch persönlich trafen!"

Zwar wird hier immer wieder gesagt das Irlmaier widerlegt sei, doch sind bereits zu viele seiner Worte so eingetroffen, wie er gesagt hat. Auch in der Reihenfolge.

Die Aussage geht angeblich auf die Caritasschwester Marie-Luise Bender zurück und taucht angeblich zum ersten Mal in der 7. Auflage von Josef Stockers "Reinigung der Erde" (S. 105) auf.

Du machst den Fehler von dem Axiom auszugehen, das Dich ein potentieller Fälscher glauben lassen will, nämlich daß es sich um authentische Irlmaieraussagen handeln würde. So wird ein perfekter glaubensmäßiger Zirkelschluß daraus.

Tatsächlich ist eine Grundregel der Schauungsforschung, daß für den Echtheitsnachweis einer eingetroffenen Schau dieselbe vor den Ereignissen eindeutig dokumentiert sein muß. Als Maßstab muß man also den ältesten Literaturnachweis heranziehen, der uns leider nur ins Jahr 1992 zurückführt.

"Zuerst kommt ein Wohlstand wie noch nie!"

Die deutsche Wirtschaftswunderwohlstandsblase, die lange vor 1992 entstand.

"Dann folgt ein Glaubensabfall wie noch nie zuvor.
Darauf eine Sittenverderbnis wie noch nie."

Das ist ein Grundmotiv der christlichen Endzeitprophetie, die in ihrer Dialektik verlangt, daß vor dem Strafgericht, der Wiederkunft Jesu und dem Goldenen Zeitalter ein weltweiter Abfall vom wahren Glauben und damit einhergehend die Verderbnis der Sitten erfolgt.
Davon abgesehen setzte die Entchristianisierung des Abendlandes bereits im 19. Jahrhundert ein. Seitdem beschwert sich die Prophetie jeweils über den in der jeweiligen Gegenwart als bisher am schlimmsten empfundenen Niedergang.
Das hier ist keine eingetroffene Prophezeiung, geschweige denn eine Schauung.

"Alsdann kommt eine große Zahl fremder Leute ins Land."

Das ist die Gastarbeitermigration der Fünfziger und Sechziger Jahre (1964 traf der millionste Gastarbeiter ein), darüber hinaus die anschwellende Migration der Achtziger Jahre, vgl. dieses Diagramm:

[image]

Wie bei Glaubensabfall und Sittenverderbnis wird in der Prophezeiung der jeweils aktuelle Zustand als der schlimmste empfunden, nämlich weil die Prophetie eben nicht wußte, was noch kommen würde!

Die folgenden Sätze der Prophezeiung bezeichnen vermeintliche Zukunft und enthalten Standardmotive:

  • Teuerung und Inflation, die schon in der Volkssage nachweisbar sind (Michalda: "Veränderung im Gelde", "Brot dennoch teuer", "unerträgliche Steuern und Abgaben"). Auch bei Nostradamus spielt dieses Motiv eine Rolle (III/34), sinngemäß "unkontrollierte Teuerung".
    Die ideelle Grundlage ist mal wieder die Offenbarung, auf die sich wohl einige Prophezeiungsmotive zurückführen lassen, in diesem Falle Offb. 6,5-6:
    "5Als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Wesen rufen: 'Komm [und sieh]!' Und ich sah, und siehe, ein schwarzes Roß, und der auf ihm saß, hatte eine Waage in seiner Hand. 6Ich hörte inmitten der vier Wesen eine Stimme rufen: 'Ein Maß Weizen um einen Denar und drei Maß Gerste um einen Denar! Dem Öl aber und dem Wein füge keinen Schaden zu!'"
    Ein Maß entspricht einer Tagesration, ein Denar einem Tageslohn. Es reicht also gerade zur Ernährung eines Mannes, nicht aber seiner Familie, siehe hier.
    So haben die in den Prophezeiungen vielfach vorkommenden Geißen Teuerung und Hungersnot mitnichten eine seherische Grundlage. Es sind Erfordernisse der religiösen Dialektik der Endzeitprophetie, vgl. die Deutung der Stelle in Hinsicht auf Teuerung, Hungersnot und Sittenverderbnis.
  • Die "Revolution". Der Begriff kommt in den Prophezeiungen überhaupt erst seit dem 19. Jahrhundert vor und bezieht sich von Anfang an auf den Erzfeind, den sich die christliche Prophetie als künftigen Antichristen auserkoren hat, nämlich den atheistischen und materialistichen Kommunismus. Auch hiermit bewegt sie sich in der Dialektik der Endzeitprophetie: Glaubenabfall → wenige Rechtgläubige → Herrschaft des Antichristen → Gottes Strafe → Goldenes Zeitalter.
  • Der "Russenüberfall", wobei spätestens seit dem 19. Jahrhundert offenbar die Russen als vornehmlicher Kandidat für "Gog und Magog" gehandelt werden, die in der Endzeit aus dem Inneren Asiens kommens die Christenheit überfallen werden. Daß die Russen ab 1917 kommunistisch wurden, hat dieser Idee erheblich Aufwind verschaft, so daß sie bei Irlmaier detailliert ausgearbeitet wurde und seitdem die Prophezeiungsszene dominiert, die bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf die Rückkehr des Kommunismus und den hundsgemeinen Russenüberfall (mit Massenmorden, Vergewaltigung etc.) warten wird.
    Auch diese Erwartung geht auf christliche Motive zurück, die aber nicht mehr erkannt werden.

⇒ Weil der Text vor 1992 nicht nachweisbar ist, müssen wir vernünftigerweise unterstellen, daß er etwa zu dieser Zeit erfunden und Irlmaier zugeschrieben wurde. Es gibt keine Stelle darin, die nicht entweder in diese Zeit paßte oder Standardmotive der christlichen Endzeitprophetie enthielte. Eine echte Schauung ist als Grundlage auszuschließen. Der Fälscher ist hier aber nicht Adl-/Irlmaier, sondern jemand, der in deren Fahrwasser schwamm. Möglicherweise war es Josef Stocker selbst, der auch die Katharina aus dem Ötztal auf wundersame Weise aus dem Hut zauberte und der sich damit wunderbar in die Tradition der katholischen Fälscherpriester des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (bis zu Pater Ellerhorst mit seinem Kugelbeer) stellen würde, die jeweils Quellentexte veröffentlichten, für die sie selbst der einzige Beleg sind und die stets die Motive der christlichen Endzeitprophetie auf einen zeitgemäßen Stand brachten.

Man kann es drehen wie man will, selbst wenn es erfunden war, so ist es doch wahr geworden.

Das kann gar nicht sein. Wenn es erfunden ist, muß man von dem Wissen und der Intention des Erfinders ausgehen. Wenn sich der Text darin völlig erschöpft, was hier zweifelsohne der Fall ist, kann ausgeschlossen werden, daß auch nur zufällig eine valide Zukunftsschau vorliegt.
Eine versehentlich richtige Beschreibung der Gegenwart können wir vernachlässigen, weil daraus nicht automatisch folgt, daß der Rest einer Fälschung zufällig richtig sein könnte.

Gruß
Taureec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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