Hallo BB,

für andere Kulturen, was die Antike ja war, muss man andere Maßstäbe setzen. Ein Beispiel, das Nachahmen eines Meisterwerkes galt in Ostasien als wirklich hohe Kunst, im Westen gilt es als Plagiat. In der Antike war es üblich Texte posthum jemanden „unterzuschieben“. Das als Plagiatieren zu diffamieren ist aufgrund der antiken Ethik her irreführend.

Hinzu kommt, dass, die mittelalterliche Lehre vom mehrfachen Schriftsinn andersrum gelesen, die Texte als historische, mystagogische, allegorische und moralische Texte konzipiert wurden. Entscheidend ist, was die Texte nach den Maßstäben ihrer Zeit nach sein könnten. Und, was die Texte nach den Maßstäben ihrer Zeit nach sein wollten.

Jeder der sich mit Exegese beschäftigt hat weiß, wie schwierig es ist, rauszufinden, was authentisch sein könnte und was nicht. Die Exegeten differieren in ihren Ansichten, war etwa Jesu Ankündigung der Zerstörung des Tempels bei Markus vor dem jüdischen Krieg geschehen oder nicht? Passt, wie Bultmann es ironisch zugespitzt hatte, das wirklich Authentische der Evangelien auf eine Postkarte? Wer eine Widerspruchsfreiheit des Neuen Testamentes fordert, langt sowieso daneben. Die vier kanonischen Evangelien widersprechen sich in einigen historischen Punkten diametral und wurden trotzdem in ihrer Gesamtheit als „heilig“ gesehen.

Bei den Schriften (und Aussagen) des 19. und 20. Jahrhunderts gelten andere Regeln. Die akademischen und textkritischen Standards, die im Rahmen der Wissenschaft seit dem 18.Jahrhundert etabliert worden sind, sollten auch bei popärwissenschaftlichen Artikeln wenigstens ansatzweise eingehalten werden. Da fallen dann nicht nur ehemalige Verteidigungsminister als Plagiatoren durch.

Ein Mann deiner Bildung sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Vor allem dann, wenn man sich selber dabei nass machen könnte.

Viele Grüße

Leseratte