Zivilisation (Freie Themen)

Lost Centuries, Sonntag, 21.03.2021, 21:00 (vor 1132 Tagen) @ Taurec (1150 Aufrufe)

Hallo Taurec,

Im selben Maße und nicht weniger als Krankheitssymptom der Kultur zu gelten habend "explodierte" in der ersten Phase der Zivilisationsentwicklung die Bevölkerungszahl, deren Wachstum sich mit zunehmender Globalisierung von der Wirtschaftsentwicklung der Industriestaaten abkoppelte und in die Rohstoffländer verlagert wurde.

Wäre es vielleicht möglich, dass die Explosion der Bevölkerungszahl, die Sie erwähnen, nicht eine Begleiterscheinung ("Krankheitssymptom") der fortschreitenden Zivilisationsentwicklung ist, sondern ihr eigentliches Ziel?

Ein Gedankenexperiment, passend zum bevorstehenden Osterfest: Wenn ich zwei schnuckelige Häschen (Männchen und Weibchen) auf einer riesigen Wiese mit ausreichender Menge an saftigem Gras und leckeren Karotten aussetze, dann würden die Tierchen sich innerhalb kurzer Zeit exponentiell vermehren. Zumindest so lange, bis eine gewisse kritische Populationsdichte erreicht ist, natürliche Fressfeinde oder Krankheiten auftauchen oder die Ressourcen zuende gehen. Aber solange das nicht der Fall ist, vermehren sich die Tiere explosionsartig. Würden Sie das als "krank" bezeichnen? Natürlich nicht. Die Tiere folgen einfach ihren natürlichen Instinkten. Und die sind in ihren Genen verankert. Der Reproduktionstrieb dient der Sicherstellung der Arterhaltung in einer feindlichen Welt. Jede Spezies vermehrt sich, wenn sie es kann und die Lebensbedingungen es zulassen.
Warum sollte das für uns nicht gelten? Diese ganze Veranstaltung, die wir "Zivilisation" nennen, würde dann einfach deshalb stattfinden, damit wir uns immer weiter vermehren können, gewissermaßen zur Arterhaltung.

"Seid fruchtbar und vermehret euch" - dieser Satz könnte auch von einem Schimmelpilz stammen.

Rein biologisch gesehen, verhalten wir uns doch nicht anders: wie ein Schimmelpilz sich langsam auf der Oberfläche eines reifen Apfels immer weiter ausbreitet, so breiten auch wir uns auf der Oberfläche unseres Planeten immer weiter aus, besiedeln immer mehr Fläche.

Würde die Bevölkerung, die auf der Fläche Deutschlands lebt, nur noch von dem leben müssen, was Boden, Wasser und Luft hergeben, würde die Zahl der Menschen binnen kurzer Zeit auf wenige Millionen oder sogar nur Hunderttausende zusammenbrechen. Dass hier so viele Menschen überhaupt leben können, haben wir solchen zivilisatorischen Errungenschaften wie weltweiter Handel, moderne Naturwissenschaften, Technik, hochspezialisierte Arbeitsteilung, Globalisierung, medizinischer Fortschritt etc. zu verdanken. Und selbst wenn die Bevölkerungszahlen hier stagnieren, so sorgen die genannten zivilisatorischen Errungenschaften doch dafür, dass sie eben nicht zusammenbrechen sondern auf ihrem hohen Niveau verharren.

Das ist der "Zivilisations-Deal": Wir liefern in die Länder, die sich in der "zivilisatorischen Peripherie" befinden, Know-How, Technik, medizinischen Fortschritt etc., so dass dort die Bevölkerungszahlen explodieren können. Andererseits liefern diese uns im Gegenzug die nötigen Ressourcen (Rohstoffe, Nahrungsmittel, billige Arbeitskräfte), damit hier die Bevölkerungszahlen nicht zurückgehen. Unterm Strich, global gesehen, steigt die Anzahl der Spezies "Mensch" exponentiell an - Ziel erreicht.

Das hat sich die Natur fein ausgedacht.

Was für Deutschland gilt, gilt natürlich auch für die meisten anderen westlichen Industrienationen.

Und dennoch: Andererseits habe ich noch nie einen Schimmelpilz auf einem Apfel bei der Arbeit singen hören. Noch nie hat ein Schimmelpilz Opern oder Symphonien komponiert, Gedichte verfasst, Romane geschrieben oder über sein Kommen und Gehen nachgedacht und darüber tiefschürfende Abhandlungen geschrieben.

Solche Tätigkeiten findet man nur beim Menschen. Doch warum machen wir das nur, wenn es doch für den biologischen Zweck unseres Daseins, nämlich die Arterhaltung sicherzustellen, völlig überflüssige Handlungen sind,

grübelt: Lost Centuries


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