Ein Versuch der Begründung (Freie Themen)

Quintus, Montag, 07.01.2019, 07:15 (vor 1898 Tagen) @ Yogi (4770 Aufrufe)

Hallo IFan
Vordergründig könnte man zu dem Schluß kommen, daß so etwas nicht möglich ist, doch bei Licht betrachtet zeigen sich tiefergehende Probleme. Wie ich schon in diesem Beitrag https://schauungen.de/forum/index.php?id=37292
versucht habe aufzuzeigen, werden sich zwischen 2020 und 2030 mehrere Spannungsfelder entladen. Da sich diese Kartenhäuser aber gegenseitig stützen, wird höchstwahrscheinlich ein fataler Dominoeffekt einsetzen.
Wir haben zwar noch keine Krise, wir befinden uns aber bereits in der Inkubationszeit einer Katastrophe ausgehend von einer sinkenden energetischen Nettorendite.

Was bedeutet dies?
1. Der Erntefaktor, gemessen an der Nutzungsstelle seiner Anwendung, bestimmt die maximale Produktivität und damit das maximale Wohlstandsniveau.
2. Die Produktivität bestimmt das Maximum an zivilisatorischer Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft.
3. Die verfügbare Energiemenge bestimmt die Größe der Population der dieses Zivilisationsniveau zu Gute kommt.(Stefan Wietzke auf Peak-oil.com)

Soviel zum Grundsätzlichen

Aufgrund dieser Tatsache zeigen sich folgende Abbruchkanten in einer sehr vereinfachten Darstellung:
Energie (u.a. Öl)
▪ Die Welt funktioniert auf Basis der fossilen Energieträger – also über mehrere hundert Millionen Jahre gespeichertes Sonnenlicht (Biomasse), hauptsächlich in Form von Kohle, Öl und Gas.
▪ So genannte ‘erneuerbare Energieträger’ sind komplett abhängig von der aktuellen, durch fossile abgetriebenen, industriellen Zivilisation.
▪ Die Nachfrage nach Energie steigt – jedoch ist absehbar, das der Aufwand zur Förderung der fossilen Energieträger immer größer wird. Die Ölförderung ist hier als erstes betroffen.
▪ Beim Öl erwarte ich in den 20er Jahren eine Dramatisierung der Lage, welche erst zu höheren Preisen und dann in Folge zu einer Wirtschaftskrise führen wird – in Folge derer noch weniger in die Sicherung der zukünftigen Ölforderung investiert werden wird.
▪ So gehen seit 2014 die Funde in Bezug auf neue Ölfelder dramatisch zurück und erreichten in 2017 ein Allzeit-tief. Ebenso sind die Investitionen seit 2014 um 45% zurückgegangen.

Finanzsystem
▪ Die systemischen Gründe 2008/9’er ‘Krise’ (u.a. Verschuldungsniveau und Steigerung der anteiligen Kosten für Energie) wurden nie gelöst bzw. beseitigt – nur verschoben und werden uns bei der nächsten Krise einholen.
▪ Zinsen können nicht mehr gesenkt werden.
▪ Preise von Assets werden (real) nicht weiter inflationiert werden können – so das sogar der gefühlte ‘Papier’-Wohlstand sinken wird (und damit die Sicherheiten für Kredite schwinden -> Krisen-Verstärkung).
▪ Das System braucht also unbedingt Wachstum – selbst eine statische Ökonomie würde zum Kollaps führen, da zukünftige Verbindlichkeiten dann nicht mehr bedient werden können.
▪ Aktuell hat sich das System auf Finanz- (Asset-) Spekulationen umorientiert um (Schein-) Renditen zu erwirtschaften. Dies ist jedoch nicht nachhaltig.

Globale Wirtschaft und Versorgungsketten
▪ Sehr viel Länder haben sich von globalen Markt & Lieferketten – auch für die notwendigsten Güter (u.a. Nahrung, Stahl, Basis-Industrien & Produkte) – abhängig gemacht. Lokale Industrien und Know-How existieren (zum Teil) nicht mehr.
▪ Viele grundlegende Industriegüter und (Ersatz-) Teile sind das Produkt aus einer Kette von sehr vielen Produktionsorten in sehr vielen Ländern…
▪ In einer wirklich (globalen) Wirtschaftskrise besteht das Risiko das diese Zulieferer- und Handelsketten kollabieren bzw. unzuverlässig werden [7].
▪ Wichtig: Schon ein fehlendes Ersatzteil kann eine Industrieanlage, ein Kraftwerk und/oder Stromnetz lahmlegen.

Demografie
▪ Die weltweite Population wächst immer weiter: 1970 ca. 4 Milliarden, 2000 ca. 6 Milliarden und aktuell über 7,5 Milliarden Menschen.
▪ Alle diese Menschen streben ein höheres (materielles) Wohlstandsniveau an. Dies bedeutet das mehr Energie, mehr Ressourcen, mehr Nahrung & Co. nachgefragt (und benötigt) werden.
▪ Umwelt- und Wohlstandsmigration werden zusätzlich Druck (bzw. Stress) auf die (noch) reichen Länder und (die Reste) derer Sozialsysteme ausüben – je mehr die Krisenschaukel zuschlägt.

Umwelt
▪ Die heutige Population der Menschheit übernutzt bereits die natürlichen Ressourcen und (regenerativen) Kapazitäten des Planeten deutlich.
▪ Bereits mit einer Milliarde Menschen wurden (vor Nutzung der fossilen Energieträger) regelmäßig landwirtschaftliche Flächen und Wälder übernutzt – was zu Krisen führte.
▪ Insbesondere die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser für Mensch, Industrie und Landwirtschaft wird zunehmend ein Problem.
▪ Die globalen Fischbestände befinden sich auf dem Wege in den Total-Kollaps (siehe u.a. mein Buchprojekt).
▪ Durch Pestizide, Kunstlicht und Mikrowellen (EMV) werden Insekten und insb. Bienen & Bestäuber negativ beeinflusst.

Ernährung
▪ Nur durch Nutzung der fossilen Energieträger konnten wir die Schwelle von 1 Milliarden Menschen deutlich überwinden (-> Mechanische Landwirtschaft, Haber-Bosch Verfahren).
▪ Einher gingen mit dem Ausbau der Landwirtschaft eine Übernutzung von Fluss & Grundwasser, etc. pp (-> Ogallala Aquifier, Nil, etc.)
▪ Ein weiteres Problem der Flächen-Übernutzung sind sinkende Nährstoffgehalte in Lebensmitteln, Versalzung von Ackerflächen, Humus-Verlust, etc.
▪ Zudem ist die Ernährungsbasis in sehr vielen Ländern stark abhängig vom globalen Markt und Importen – kein gutes Rezept für eine Krisenresilienz.
▪ Klima
▪ Ob Mensch gemacht oder nicht – das Klima war schon immer starken Schwankungen unterworfen. Die aktuellen Trends (+ Situation in der Arktis) verheißen da nichts gutes.
▪ Ein globaler Klima- und Umweltschutz (CO2, Methan, Toxine, Abfälle, etc. pp) ist faktisch nur durch eine Verminderung des Verbrauchs bzw. industriellen Outputs herbeiführbar.
▪ Dieses würde jedoch einen Kollaps des auf Kredit vorfinanzierten Wirtschaftssystems – und damit unserer aktuellen Lebensbasis – bedeuten.
▪ In Zukunft werden die Folgen (und Kosten) des Klimawandels die Systeme immer mehr belasten und das globale System zusätzlich stressen.
▪ Die Situation am Nordpol ist bereits dramatisch – zwischen 2025 und 2030 könnte hier das letzte Eis verschwinden, was starke Auswirkungen auf Methanhydrate in Nordpolarmeer und den Golfstrom hätte.

Ressourcen (Metalle, Rohstoffe, Holz, etc. pp.)
▪ Auch hier wird es immer knapper – immer mehr (energetischer) Aufwand für immer weniger Ertrag. Dies ist ein globaler und un-umkehrbarer Trend.
▪ Bisher konnten mehr und bessere Technik und mehr Energieeinsatz die negativen Effekte überkompensieren – die Technik ist jedoch immer mehr ausgereizt (Grenznutzen -> Tainter) und die Energieverfügbarkeit (u.a. Öl) wird immer mehr zum Problem.
▪ Dies, da die Ressourcenverfügbarkeit & deren ‘Preis’ direkt an die Verfügbarkeit von günstigen Energieträgern gekoppelt ist.
▪ Militär / Kriege / Kulturen
▪ Zusätzliche Risiken beim Eintreten von Knappheiten sind Kriege und militärische Auseinandersetzungen, welche Infrastrukturen zerstören und begrenzte Ressourcen sinnvollen Anwendungen vorenthalten.
▪ Zunehmend inhomogene Kulturen (u.a. Europa -> Migration) werden instabiler, der soziale Zusammenhalt sinkt -> was nicht gut für die Bewältigung von Krisen ist.
http://limitstogrowth.de/2018/06/05/von-kollaps-abbruchkanten-und-naechster-wirtschaftskrise/


Dazu kommt das grundsätzliche Problem der Komplexität:
Tainter, der als Archäologe den Kollaps von vielen Zivilisationen untersucht hat, geht dabei davon aus, das es bei der Erhöhung der Komplexität zur Bewältigung von (immer neuen) Problemen einer (technischen) Gesellschaft bzw. Zivilisation einen Grenznutzen gibt. Ab einem bestimmten Punkt bringt die Komplexitätserhöhung nichts mehr – und Ihr Nettobeitrag ist dann sogar negativ.
http://limitstogrowth.de/2018/04/27/mehr-komplexitaet-mehr-energieverbrauch-schnellerer-kollaps/


Abhängigkeit des Wohlstandes von Energie und die sich daraus ergebenden Folgen:
1. Gesamtenergieüberschuss wächst schneller als die Bevölkerung
- Wohlstand nimmt zu
2. Insgesamt weiter steigend, aber mit gleicher Geschwindigkeit wie die Bevölkerung
- Wohlstand stagnierend
3. Gesamtwachstum, aber langsamer als die Bevölkerung
- Wohlstand sinkt.
4. Gesamtschrumpfung
- Wohlstand sinkt durch Rückkoppelungsprozesse nicht linear, sondern exponentiell.

Gruß
Quintus
P.S. Die merkwürdige und für mich nicht nachvollziehbare Bevölkerungsentwicklung einiger Länder wie Pakistan, Ägypten und Holland bereitet mir ebenfalls Kopfzerbrechen.....


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