Avatar

Der Weg, die Naturwissenschaft und das Ich (Freie Themen)

Luzifer, Österreich, Samstag, 01.09.2018, 18:23 (vor 2089 Tagen) @ Sandstaub (2291 Aufrufe)
bearbeitet von Luzifer, Samstag, 01.09.2018, 18:39

Hallo Sandstaub,

es ist in unserer Gesellschaft eher unüblich, gewisse Dinge zu hinterfragen, so z.B. das Vorhandensein eines ICHs.

Ich bin etwas erstaunt, dass hier, in einem Forum, wo sich doch so viele Naturwissenschaftler befinden, an Inkarnation, an eine eigenständige Seele und Geister als eigenständige Wesenheiten geglaubt wird. Einfach so offenbar, oder?

Ich selbst glaube nicht daran, dass irgendetwas ist oder nicht ist, sondern ich prüfe, ob etwas sein kann oder nicht bzw. ob ich darüber möglicherweise keine Aussage treffen kann. Machen das Naturwissenschaftler nicht normalerweise ähnlich? ;-)

Ich komme auch aus dieser "Ecke", habe das schon recht eingehend beschrieben (einfach suchen, falls es Dich interessiert). Also ich habe mein materialistisches Weltbild nicht freiwillig aufgegeben, das hat mich auch fast den Verstand gekostet.

Naturwissenschaft ist vollkommen klar definiert. Das Sachgebiet, der Gegenstand der Natur, der der Beobachtung zugeführt wird, ist fixiert. Gleiches gilt für die Methodik, mit der man versuchen kann, den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch wenn die Methodik stetig weiterentwickelt wird, man muss sich an sie halten, der "Stand der Technik und Forschung" oberste Prämisse. Regeln des Publizierens sind einzuhalten, generell muss man sich an die "Spielregeln" des Wissenschaftsbetriebs halten, solange man damit sein Auskommen finanzieren muss. Deswegen publizieren Naturwissenschaftler erst in der Pension andere Sichtweisen, oder sie können sich es aufgrund ihres Bekanntheitsgrades leisten. Aber selbst ein Anton Zeilinger, der meiner Meinung nach schon lange "nobelpreiswürdig" wäre, wird nie einen bekommen, da er mal zugegeben hat, an Gott zu glauben.

Zusätzlich wird oft gar nicht mehr der Versuch einer Interpretation von zunächst bewährten Theorien getätigt, man ist Positivist, solange es funktioniert gilt es als vorläufig akzeptiert, warum auch immer, solange man damit rechnen kann, geht das in Ordnung. Beobachtungen müssen wiederholbar sein und die Theorie so schlank wie möglich sein, es darf kein Experiment geben, das ihr widerspricht, dass sind ein paar der Axiome.

Allerdings gibt es hinter der Naturwissenschaft ein ganzes Land von Gedankengebäuden, die man stillschweigend hinnehmen muss, die man aber normalerweise nichteinmal mehr kennt. Früher einmal musste jeder Naturwissenschaftler ein Philosophikum absolvieren, die Zeiten sind vorbei. Du kannst Deinen Dr. machen, ohne jemals mit Wissenschaftstheorie in Berührung gekommen zu sein. Das ist der Grund, warum in unseren Reihen vielfach nurmehr Fachidio... zu finden sind.

Ich war das beste Beispiel dafür. Später musste ich doch zu den Philosophen, da meine Fachlehrveranstaltungen im Doktorat für einen Berufstätigen zeitlich nicht besuchbar waren. Da fragte doch dieser Philosophieprofessor beim ersten Mal, ob im Saal auch Naturwissenschaftler wären. Zu sechst zeigten wir auf, der Professor meinte, das wir uns nicht kränken sollten, da wir ja auch eine Art von Wissenschaft betreiben würden. Ich dachte mir nur: "Also ich sehe unter den mindestens 50 Hörern nur 6 Wissenschaftler und dann noch mehr als 40 Dampfplauderer und einen gleichartigen Professor, na das kann heiter werden." War aber unglaublich spannend und regte zum Nachdenken an.

So und eine Methode, die die Naturwissenschaft so erfolgreich gemacht hat, ist einer ihrer größten Archillesfersen. Das möglichst perfekte Isolieren von einem zu beobachteten Objekt, das Ausschließen aller vermeidbaren Randbedingungen und Einflussfaktoren. Nur so kann man die Gesetzmäßigkeiten ableiten.

ABER, und das ist Ideologie und Religion und sonst nichts in meinen Augen, es wird als unzulässige Folgerung angenommen, dass man diese einzelnen Teile wieder zusammensetzen kann und dann ein größeres Ganzes erklären kann und das ist völlig falsch. Alle wesentlichen Dinge sind emergent. Ist ein Wassermolekül nass?

Leben ist Emergenz in Reinkultur, daher ist Gesundheit und Krankheit, ja auch der Tod emergent, das heißt prinzipiell steuerbar und nicht in "Hardware" kodiert.

Dass es kein ICH geben kann, also keine Seele, die den Körper bewohnt, kann man leicht herausfinden. Man muss sich dazu nur eingehend beobachten, seine Wahrnehmungen, seine Gedanken, die Art, wie man Entscheidungen trifft,....
Wer trifft Entscheidungen? Wenn du eine der zahlreichen Entscheidungen am Tag triffst, wer oder was macht das in dir? Beobachte mal genau, wenn du vor dem Regal im Supermarkt stehst und was in den Einkaufswagen legst, das gar nicht auf der Liste stand. Findest du ein ICH, das diese Entscheidung getroffen hat? Beobachte ganz genau.
Und was passiert, wenn du ganz in deiner Wahrnehmung bist? Such dir einen deiner Sinne aus. Z.B. Hör dem Vogel vor deinem Fenster zu. Lausche. Und? Kannst du im Prozess der reinen Wahrnehmung irgendwo ein ICH entdecken?


Nun,unser Ich ist nicht komplett losgelöst von anderen Ich's ok. Aber das Problem ist ein anderes. Das "Ich" hat eine interne Struktur, eine Ich-Instanz und eine Mich-Instanz. Für die mehr esoterisch Angehauchten, eine männliche Flamme des Seins und Wollens und eine weibliche Flamme des Werdens und Geschehens. Das eigentliche "Ich" ist von Hause aus ewig und unsterblich (der Geist, wenn Du so willst), das "Mich" aber in Veränderung begriffen und flüchtig. Alles was dem Wandel unterworfen ist, ist Teil des Mich, also auch die Persönlichkeit mit all den Gefühlen, Ideen und Ein- und Vorstellungen. Diese sind im Wandel und daher Teil des Mich (der Seele). Das Mich ist aber "sterblich" sozusagen bis zu jenem Punkt an "dem man den Tod nicht mehr schmeckt".

Tut man etwas, so induziert der Seinsaspekt (Ich BIN und ich WILL) das in den Aspekt des Werdens (MICH trifft es, es geschehe). Die meisten Menschen haben sehr wenig "Ich", daher führt deren "mich" die Befehle anderer "Ich's" aus. Daher scheint es, sie hätten keines.

Den Rest werde ich mir anschauen, sobald ich Zeit habe.

LG
Franz


Ass der Stäbe


Gesamter Strang: