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Thomasevangelium, Bewußtsein und geistiger Wesenskern (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Samstag, 01.09.2018, 11:05 (vor 2069 Tagen) @ Bubo (2347 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Samstag, 01.09.2018, 13:58

Hallo!

Luzifers Zitat ist nicht Bestandteil der Bibel, sondern des Thomasevangeliums.

Wenn Jesus (sofern der Spruch authentisch ist) sagt, "ich wundere mich", so verstehe ich das wie den Ausspruch eines heutigen Menschen, der sagt, "ich wundere mich", und meint: "ich frage mich". Es ist eine rhetorische Frage bzw. ein rhetorisches Wundern. Die Antwort kennt der Urheber natürlich schon.
Der Geist ist sehr viel reicher als die Armut der Materie (womit man an die neuliche Reichtumsdiskussion anknüpfen könnte). Daß er sich hierher traut, ist immerhin wunderlich.

Um den Faden nicht noch weiter aufzublähen, mache ich hier noch ein paar Feststellungen, wo mir die Diskutanten wegen vorschneller Grundannahmen möglicherweise auf den Holzweg geraten.

Intelligenz ist nicht gleichzusetzen mit Bewußtsein bzw. mit Leben.
Einem Computer kann man meines Erachtens durchaus intelligentes Verhalten beibringen (ein Beispiel sind möglicherweise Schachcomputer). Dadurch hätte man lediglich eine Maschine geschaffen, die auf äußere Reize (Probleme) auf adäquate Weise reagiert. Für nichts anderes scheint mir die Intelligenz, die eine reine Funktion des Gehirns und somit ebenfalls rein mechanisch ist, da zu sein.
Selbst wenn es gelänge, das Gehirn als Computer nachzumodellieren, hätte man nicht Leben oder Bewußtsein erschaffen, sondern eine intelligente Maschine, die auf beigebrachte Weise Verhalten imitiert.
Der ganze amerikanisch geprägte Science-Fiction-Bereich, insbesondere neuere/ältere Serien wie "Westworld", welche sich mit genau diesem Thema beschäftigt, krankt an der Tatsache, daß sie die Welt rein materiell betrachtet und Seele/Geist als biologische/maschinelle Funktionen. So kommt die Serie am Ende ihrer zweiten Staffel ("Spoileralarm"!) zu dem in diesem Denksystem gleichermaßen unvermeidlichen wie objektiv falschen Schluß, daß der Mensch nichts weiter sei als ein auf Überleben getrimmter Algorithmus von 10.000 Codezeilen (ungefähr so viel wie der PHP-Code des Weltenwendeforums ;-)).
Wenn ich mich recht entsinne, entpuppt sich der Ersatzjesus in "Matrix" am Ende ebenfalls als intelligentes Computerprogramm mit der Aufgabe, durch menschliche Willensfreiheit entstehende Ungleichgewichte im Gleichungssystem auszugleichen. Vom Menschen unterscheidet er sich im Filmverlauf nur darin, daß er den Programmcode im Prozeß manipulieren kann.

Wenn man auf diese Art von der amerikanischen Popkultur verseucht ist, neigt man dazu, deren unausgesprochene Grundannahmen unhinterfragt zu adaptieren. Die ganze Diskussion über künstliche Intelligenz beruht darauf, den Menschen als Maschine zu begreifen und höheres Leben mit Intelligenz an sich gleichzusetzen. Mir ist noch keine populäre Science-Fiction-Serie untergekommen, in der dieser unverschämt dümmliche Kurzschluß nicht zur Grundlage allen Sinnierens über die menschliche Natur gemacht würde. Das gipfelt dann in Gestalten wie dem Androiden Data, dem es wie dem Blechmann im "Zauberer von Oz" der Emotionen gebricht, welche ihn allein vom Menschsein zu trennen scheinen. Diesem Lapsus wird im Laufe der Serie zum Glück durch einen "Emotionschip" Abhilfe verschafft. Damit werden neben der Intelligenz die Emotionen, ebenfalls eine rein physikalisch-biologische Gehirnfunktion, zum zentralen Definitionsmerkmal des Menschen gemacht. Zu einer größeren Tiefe ist die amerikanische Populärkultur, welche die Zivilisation mit ihren rein materialistischen Prinzipien "Geld und Technik" repräsentiert, nicht fähig. Man löse sich davon und nähere sich wieder dem Jesus des Thomasevangeliums an!

Daraus ergibt sich natürlich, daß "Ich-Bewußtsein" nicht gleichzusetzen ist mit "Geist" und "Seele", gleichwohl es ohne letztere das erste nicht geben kann. Was wir als Bewußtsein an uns selbst begreifen (alle anderen Definitionen sind nur Luftschlösser), ist lediglich ein Ausschnitt unseres Daseins. So sind wesentliche Bestandteile des Geistes wohl rein unbewußt-intuitiv wirksam. Im Körper inkarniert wirkt das Nervensystem mit dem Gehirn wie ein Brennglas oder Transmissionsmodul, welches Impulse des Geistes und Reize der Umwelt und des Körpers (wobei der Körper für den Geist zur Umwelt gehört) im Bewußtsein konzentriert. Letzteres ist bloß der eng begrenzte Brennpunkt, während der eigentliche Mensch, sein geistiger Wesenskern mehr und umfangreicher ist.
Nachdem im Bewußtsein (vom Dieseits aus betrachtet) innerweltliche Reize und äußerweltliche geistige Impulse kollidieren, wobei der Geist im Grunde die Entscheidung über mittels Intelligenz evaluierte Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit der Umwelt trifft, ist die Konstellation durchaus denkbar und häufig anzutreffen, daß der Geist aus reiner Schwäche des Bewußtseins den Reizen und "Sachzwängen" unterliegt. Dies resultiert in Personen (lat. "persona" = eine Maske des Menschen), die automatisch ihren im Umgang mit der Welt antrainierten Verhaltensmustern folgen, auch wenn der Geist zu anderen Handlungs- und Denkweisen drängt. Solche Menschen können höchst intelligent vorgehen und (gerade deswegen!) in höhere gesellschaftliche Ränge aufsteigen, nachdem Intelligenz eine rein körperliche und damit vom Geist getrennte Funktion ist, unterliegen aber einem eingeschränkten Bewußtsein und handeln automatisch-maschinell.
Insofern ist lediglich möglich, daß sich der Mensch der Maschine annähert, nicht aber die Maschine zum Menschen wird, weil ihr das wesentliche Mehr stets fehlen wird.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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