Goldenes Zeitalter? (Freie Themen)

Ranma, Samstag, 25.08.2018, 13:40 (vor 2096 Tagen) @ Taurec (2436 Aufrufe)

Hallo!

Du unterschätzt die Tatsache, daß all diese Szenarien (wie übrigens auch der "Urknall") in weite zeitliche Fernen gerückt und im Falle des Endes des Universums zeitlich auch gar nicht fixiert sind. Ganz dem dynamischen, auf Unendlichkeit angelegten Weltgefühl des faustischen Menschen gemäß werden hier Zeiträume angesetzt, die zwar als Zahl mit einer Reihe Nullen benennbar sind, aber jegliches Vorstellungsvermögen übersteigen.
Die Naherwartung der nahöstlichen Wüstenreligionen sieht hingegen ein Weltende in allernächster Zukunft. weil deren Weltgefühl "höhlenhaft" und abgeschlossen ist.

Dann wäre aber nicht die Idee eines Endes, sondern nur die Naherwartung charakteristisch für die nahöstlichen Wüstenbewohner. Eine Naherwartung allerdings, die wir in Form des „Jetzt geht es aber lohoos!“ auch kennen.

Mit dem Urknall wird sogar das gesamte Universum zu einer einzigen gigantischen Explosion erklärt.

Eigentlich ist das nur eine Verunglimpfung der Theorie, mit der ursprünglich keine Explosion postuliert werden sollte. Die Urknalltheorie (der Name stammt von ihren Gegnern) ist eine wissenschaftlicher anmutende Version des jüdisch-christlichen Schöpfungsmythos. Jüdisch-christliche Mythen schlagen sich überall innerhalb unserer Kultur nieder, weil wir ihnen einen passenden Resonanzboden bereitstellen. Sonst ginge das schließlich nicht?

Die kamen nicht zu uns, weil wir dazu Resonanz hätten.

Warum sonst? Und wie geht das ohne Resonanz?

Was den zentralen Kern der ursprünglichen christlichen Lehre, nämlich das nahe Weltende, angeht, unterstelle ich, daß uns hierfür jegliches Verständnis und das Bewußtsein fehlt, ein solches zu entwickeln. Dem Abendländer fällt allerdings nicht auf, daß er es nicht versteht.

Hoffentlich fällt ihm wenigstens mal auf, daß Jesus von Nazareth kein nahes Weltende gelehrt hat.

Die Naherwartung durch Europäer und Nordamerikaner greift darum ersatzweise gerne auf moderne Mythen aus Hollywood zurück.

Bestenfalls liest er seine eigenen Beweggründe hinein. Konsequenterweise wird die "Endzeit" in der europäischen Prophetie nicht eigentlich als Endzeit begriffen, nach der die Schöpfung in einer Art umgekehrten Schöpfungsaktes wieder in den gottidentischen Urzustand zurückkehrt.

Das ist amüsanterweise hinduistische Lehre. Die kennt allerdings ähnlich lange Zeiträume wie die moderne Naturwissenschaft. Wofür beide nichts können, denn es sind Erkenntnisse, nicht Spekulationen.

Sie wird vielmehr als Durchgangszeit begriffen, nach der ein "goldenes Zeitalter" folgt, in dem die Welt erneuert weitergeht. Das ist etwas grundverschiedenes. Das gesamte christliche Endzeitkonzept ist eine für den faustischen Geist viel zu kurze Krücke, die wir aufgrund unserer vermeintlichen christlichen Wurzeln (mehr politische Oktroyierung in der Spätantike/Frühmittelalter) zu benutzen gezwungen waren.

Wir haben die Wüstenreligion über den Umweg über das Römische Reich übernommen. Da hatte sich schon einiges geändert. Das Goldene Zeitalter kenne ich nur aus Spekulationen in der altgriechischen Philosophie. Gleichfalls durch das Römische Reich auf uns gekommen. Ein neues Goldene Zeitalter in einer erneuerten Welt kann ich mir dagegen nicht so einfach vorstellen. Wie würde das aussehen?

Gruß,
Ranma


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