Zarathustra (Schauungen & Prophezeiungen)

ITOma, Dienstag, 08.04.2014, 21:08 (vor 3671 Tagen) @ Ulrich (5144 Aufrufe)

Hallo,

in seiner "Statistik der Kriegslektüre" stellte Tögel 1917 fest, daß "im Schützengraben vor allem gelesen worden seien: Das Neue Testament, Goethes 'Faust' und Friedrich Nietzsches 'Zarathustra'."

Nietzsches 'Zarathustra' wurde in einer (gekürzten) "Feldausgabe" von 150.000 (!) Exemplaren an die Soldaten verteilt, dazu wurden in den Jahren 1914 bis 1919 noch einmal etwa ebenso viele Exemplare verkauft.

Darin sind markige Sprüche zu lesen wie dieser:

"Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.«"

Wenn Rill im Kontext von "das fleißigste Volk der Welt" und von "das Volk steht auf mit den Soldaten" (gegen wen ?) im Zusammenhang mit einem Zusammenbruch der Ordnung den Begriff "Ungeheuer" verwendet, der so, wie er ihn verwendet, unverständlich scheint, dann hat er vielleicht nur eine lyrische Anwandlung gehabt, sich bildhaft auszudrücken, und weist damit verkürzt darauf hin, daß der Untergang eines 'Staates', der öffentlichen Ordnung, nicht gleichbedeutend mit dem Untergang eines Volkes ist, das - angeblich - von diesem untergehenden Staat repräsentiert wurde.

Hallo Ulrich,

das ist eine Deutung, die mir grundsätzlich einleuchtet. Besonders, da sie die verquere Grammatik auch einigermaßen erklärt.

Ich vermute allerdings, daß es Rill nicht um eine lyrische Anwandlung gegangen ist, denn er schrieb ja nach Hause, und da möchte man ja vorrangig verstanden werden, nicht dichten. (Ich glaube nicht, daß die Leute bei ihm daheim alle "Zarathustra" gelesen hatten.) Also nehme ich an, daß er da eher den Franzosen zitiert, der dem Leutnant gegenüber Nietzsche zitierte (denn der Leutnant hatte bestimmt auch "Zarathustra" gelesen).

Grüße
ITOma


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