Große Themen bei Nostradamus (Schauungen & Prophezeiungen)

ITOma, Dienstag, 05.08.2014, 14:25 (vor 3569 Tagen) @ Taurec (3712 Aufrufe)
bearbeitet von ITOma, Dienstag, 05.08.2014, 14:32

Hallo!

Ich meine, man sollte Nostradamus nicht zu seicht deuten und in die Versen irgendwelche kleinen Randereignisse hineinlesen.

Sonst vermeint man dort als nächstes das Scheitern der Ehe Heidi Klums zu lesen.

Haha! :-D


Er beschreibt in seinen Versen eine Zukunft, die (angeblich) bis zum Ende des vierten nachchristlichen Jahrtausends reicht.

Das ist mir bekannt.


Ich habe mit BB nun schon einige Verse durchgesprochen, die recht plausibel auf vergangene Ereignisse passen.

Außergewöhnlich häufig widmet sich Nostradamus dabei großen "Ereigniskomplexen":

  • Das Schicksal der Kinder Heinrichs II. bis zur Thronbesteigung Heinrichs IV.
  • Der Protestantismus in Europa: Hugenotten, Calvinisten, Lutheraner, Anglikaner
  • Die französische Revolution
  • Der Kommunismus
  • Napoleon
  • Hitler
  • Der Konflikt mit dem Islam
  • Die Weltenwende
  • Die Krise der katholischen Kirche(!)
  • ...

Dazu gibt es jeweils nicht nur einen Vers, sondern gleich mehrere, allein in den ersten beiden Centurien. Selbst wenn wir manche falsch gedeutet haben sollten, spricht das dafür, daß dieser Eindruck nicht ganz falsch ist.

Ja, für solche großen Themenkomplexe spricht einiges.

Und da soll er ausgerechnet einen Vers an den Einsturz einer Kirche in einer Kleinstadt verschwenden?

=> Man muß groß denken, um ein großes Werk auch nur ansatzweise zu begreifen!


Le Puy ist keine normale Kleinstadt, sondern ein uralter und berühmter Marien-Wallfahrtsort, 12 französische Könige und 6 Päpste sind zu der dortigen Schwarzen Madonna gepilgert. Außerdem ist die Stadt seit dem zehnten Jahrhundert einer der Haupt-Sammelpunkte des Jakobswegs und Startpunkt der Via Podiensis. Le Puy hat das Vorrecht, ein Heiliges Jahr zu feiern, wenn am 25. März das Hochfest Mariä Verkündung und Karfreitag zusammenfallen. Dies Vorrecht des Heiligen Jahres haben außer Le Puy nur noch Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela, und das Kloster Santo Toribio de Liebena in Nordspanien. In einem Heiligen Jahr können Pilger, die an diesen Orten beichten, Vergebung aller Sünden ihres ganzen Lebens erlangen.
In der katholischen Welt, insbesondere Frankreichs, war und ist Le Puy also alles andere als unbedeutend. Und diese Kirche, von der Du so abschätzig sprichst, ist eine große Kathedrale, die auf das 11.Jahrhundert zurückgeht, und zum Unesco Weltkulturerbe gehört.

=> Man sollte sich mal informieren, bevor man etwas klein macht.

Zum Schicksal der Kirche gibt es eine Reihe Verse. Darin kommt "Schiff" als Chiffre für Kirche vor, dementsprechend Schiffbruch und andere schiffverwandte Begriffe. Der Vers, der auf II/56 direkt folgt, führt meines Erachtens die Handlung fort:

II/57
Auant confliçt le grand tombera,
Le grand à mort, mort, trop ſubite & plainte:
N’ay miparfaiçt: la plus part nagera,
Aupres du fleuue de ſang la terre tainte.

Vor dem Kampf fällt der Große,
Der Große zu Tode, Tod, zu plötzlich und beklagt.
Schiff unfertig. Der größere Teil schwimmt,
Beim Fluß von Blut die Erde gefärbt.

"Der Große" = der Abbé aus II/56, der plötzlich stirbt, vom Himmel geschlagen. "Puys sommet" ist schlichtweg der "Gipfel der Berge", nämlich der allerhöchste, der Papst.

Ich merke, daß Du als Quelle die vierte Ausgabe (Lyon Benoist Rigaud 1568) benutzt. Diese Ausgabe weicht leider an vielen Stellen vom Text der ersten Ausgabe von 1555 ab. (Faksimile hier)

So steht z.B. in der Ausgabe von 1568 zwischen "puys" und "sommet" in Vers II/56 kein Komma, in den ersten drei Ausgaben (1555 Lyon Bonhomme, 1557 Lyon Du Rosne und 1557 Utrecht Du Rosne) aber schon. Das Komma macht es meines Erachtens unmöglich, "puys, sommet" als "der allerhöchste" zu übersetzen.

(Außerdem steht da dieses dumme Wörtchen "dans". Die ganze Zeile heißt "mort dans le puys, sommet frappé du ciel". Das wäre dann ja "gestorben IM Papst", oder "gestorben IM Bergesgipfel". Macht nicht so recht Sinn, finde ich. )

Auch beim Vers II/57 gibt es markante Unterschiede. In Bonhomme 1555, der ersten Ausgabe,
heißt die erste Zeile nämlich:

Auant conflit le grand mur tombera

während in den drei anderen Ausgaben das Wort "mur" fehlt. Da fällt also nicht der Große, sondern die große Mauer!
Man kann jetzt wieder spekulieren: Berliner Mauer? Chinesische Mauer? Vielleicht auch eine symbolische Mauer, aber wo? Vielleicht zwischen den Konfessionen?

Die dritte Zeile heißt bei Bonhomme 1555:

Nay imparfaict: la plupart nagera:

in Rigaud 1568 aber:

N’ay miparfaiçt: la plus part nagera,

Man sieht, die 1568er Ausgabe ist voller Druckfehler. Vielleicht sollten wir uns deshalb besser auf Bonhomme 1555 stützen.

Das Schiff ist unfertig. Offenbar handelt es sich hier nicht um den Schiffbruch, sondern um den (Neu-)Bau eines Schiffes nach dem Schiffbruch. => Kirchenreformen, die der Papst begann, die er aber nicht vollenden konnte, weil er stirbt (oder gestorben wurde?). Die wichtigste Arbeit ist getan, der Großteil der Kirche ist schwimmfähig (zukunftsfähig), in manche Bereiche tritt jedoch noch das Wasser ein. Hierzu paßt, daß Nostradamus häufig Umstürze, Revolutionen etc. als Flutkatastrophen verschlüsselt. Folglich sind in der Kirche noch immer geistig verseuchte, "linke" Elemente am Werk, eben jene, die in II/56 auf der Klippe, auf der die Kirche auflief, in den Trümmern fleddern. Aber auch die gehen zu Grunde!

Das erscheint mir durchaus plausibel. Daß sie zugrunde gehen, steht dort allerdings nicht (daß sie "links" sind, auch nicht).

"Der Kampf" könnte der Endkampf innerhalb der Kirche sein oder ein anderer Krieg, der außerhalb tobt, z. B. der russische Feldzug. Zu letzterem würde Zeile vier passen: Bei einem Fluß wird die Erde vom Blute rot gefärbt. Der Rhein? Oder doch der Tiber, an dem Rom liegt?

Schwer zu sagen. Man müßte wissen, wann und wo das "neue Schiff" der Kirche gebaut wird. Rom halte ich da für recht unwahrscheinlich, da zu sehr "geistig verseucht".

Das Schiff für die Kirche ist nicht abwegig. Auch in Don Boscos Vision vom Schicksal der Kirche ist selbige ein Schiff. Auch dort stirbt der Papst:
"Da auf einmal fällt der Papst, schwer getroffen. Seine Umgebung eilt ihm sofort zu Hilfe und hebt ihn auf. Zum zweiten Male wird der Papst getroffen, er fällt von neuem und stirbt. Bei den Feinden erhebt sich Sieges- und Freudengeschrei, von ihren Schiffen vernimmt man unbeschreiblichen Jubel. Allein, kaum ist der Papst tot, so tritt schon ein anderer Papst an seine Stelle. Die versammelten Kapitäne haben ihn so schnell gewählt, daß die Todesnachricht des Papstes mit der Wahl seines Nachfolgers gleichzeitig bekannt wird. Nun schwindet den Gegnern der Mut."

Mir scheint, diese Art der Symbolik ist auf der geistigen Ebene, von welcher die Informationen stammen, irgendwie veranlagt.

Zumindest ist sie sehr alt und stammt wohl noch aus der Antike.

Auch die "Pest" ist keine körperliche Seuche, sondern eine spirituelle. Man vergleiche I/52:

Les deux malins de Scorpion conioinçt,
Le grand ſeigneur meurtry dedans ſa ſalle:
Peſte à l’Eglise par le nouueau roy ioinçt,
L’Europe baſſe & Septentrioanle.

Die beiden Übeltäter des Skorpions verbunden,
Der große Herr ermordet drin in seinem Saal.
Pest in die Kirche durch den neu gefügten König,
Südeuropa und Nordländer.

Der Vers ist aber einstweilen nicht vollständig zu deuten. Er sei hier nur erwähnt, weil auch hier ein "grand seigneur", ein großer Herr, bzw. ein großer Alter (seigneur von lateinisch "senex" = Greis) stirbt, bzw. ermordet wird, während ein anderer, vielleicht ein Gegenpapst(?), die Pest in die Kirche bringt. Der wird natürlich nicht Priester und Gläubige mit AIDS anstecken. ;-)

Auf die Idee mit dem AIDS bin ich noch gar nicht gekommen ;-)

Eher interpretiere ich das so:
Die beiden Übeltäter der traditionellen Astrologie sind Mars und Saturn. Wenn die in Konjunktion stehen, womöglich noch im Skorpion, gibt's Blutvergießen. (Das würde auch zu der blutgeröteten Erde aus Vers II/57 passen.) Da wird der alte Herrscher in seinem Saal ermordet.

Der König ist aber (so denke ich) nicht "neu gefügt", sondern die/eine Kirche (eine Organisation, kein Gebäude, wegen des großen E) wird von dem neuen König zusammengefügt (eine Satzkonstruktion, die im Lateinischen häufig ist, mir fällt nur grade der Fachbegriff dafür nicht ein). Vielleicht eine globale NWO-Religion, zusammengestückelt aus allen möglichen Glaubensrichtungen, damit für jeden was dabei ist. Und die ist dann Staatsreligion, da sie vom neuen König eingeführt wird. Kein Wunder, daß Nostradamus dieser Patchwork-Kirche des neuen Königs die Pest an den Hals wünscht, und dem "niederen" Europa (Europe basse) (Niederlande, Norddeutschland, vielleicht auch England und Dänemark) sowie den Nordländern (Skandinavien) gleich mit. "Bas/basse" bedeutet ja nicht nur physisch, sondern auch geistig "nieder". Diese Länder sind eher protestantisch und vielleicht machen sie darum bei der neuen Staatsreligion mit.

Ich meine, diese und noch einige andere Verse drehen sich um das Großgeschehen um die katholische Kirche und beleuchten dieses von mehreren Seiten.

Ohne Zweifel.

Nostradamus beschäftigt sich nicht durchgängig mit dem steten Verlauf der Geschichte, um lückenlos das Weltgeschehen bis 3797 vorzuzeichnen. Er widmet sich großen Stationen des Schicksals Europas, denen er immer eine ganze Reihe Verse widmet. Allein durch einen einzigen Vierzeiler ließen sich solche Ereignisse gar nicht hinreichend darstellen. Das Problem ist jedoch, daß die Originalreihenfolge der Verse zerstört und die Ereignisse durchmischt wurden, was es wahrscheinlich unmöglich macht, alle Verse eines Geschehens zu erkennen und das ganze Bild zu erhalten.

Das meine ich auch. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf :-)

Sehr interessant, und sehr anregend, dieser kurze Abriß!

Gruß
ITOma


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