Umgang mit historischen Texten (Schauungen & Prophezeiungen)

Sagitta, Samstag, 22.02.2014, 10:00 (vor 3725 Tagen) @ BBouvier (4169 Aufrufe)

Hallo BB,

ich erinnere mich, dass Du Texte aus der Bibel öfters mal lächerlich machst und als Legenden bzw. Fälschungen abqualifizierst, den Lesern hier im Forum suggerierend, dass dieses "alte Zeugs" nichts Reales beschreibe und somit wertlos sei.

Da verwundert es nun, wenn Du von einem "Bericht über den Phaeton-Impakt" sprichst, dem Forum also nahelegend, es handele sich dabei um den politisch korrekten Report eines Vor-Ort-Auslandskorrespondenten.

Ich möchte dem Forum hier deswegen gerne weitergeben dürfen (aus schnell zusammengetragenen Internetquellen), dass Phaeton eine Gestalt der altgriechischen Sagenwelt ist, etwa Fol und Wodan im nordischen Sagenkreis. Das älteste Zeugnis von ihm findet sich bei Hesiod, die nächsten beiden Zeugnisse bei Platon und Euripides. Die umfangreichste Schilderung des Geschickes von Phaeton bietet Ovid in seinen Metamorphosen: ein sehr schönes und deshalb entsprechend bekanntes Stück römischer Dichtkunst. Publius Ovidius Naso starb im Jahr 17 n.Chr., und es ist nach dem jetzigen Stand der historischen Kenntnis auszuschließen, dass er direkter Augenzeuge eines Impaktes war. Ovid hatte aber, ausweislich seiner erhaltenen Dichtungen, eine sehr ausschweifende Phantasie (siehe Anmerkung am Ende).

Bereits Platon hat einen Unterschied zwischen Mythos und Realität erkannt (was ist denn Realität?) und die Vermutung geäußert, es handele sich bei der Phaetonsage, die bei ihm mit rund 20 Worten lediglich summarisch erwähnt wird, um eine Erinnerung an eine Naturkatastrophe. Goethe hat diese Idee aufgegriffen, ein paar Geologen sind ihm nach dem Zweiten Weltkrieg darin gefolgt.

Zusammengefasst: Die Geschichte von Phaeton ist eine antike Sage, die literarisch(!) seit 2500 Jahren immer mal wieder verarbeitet wird. Man kann vermuten, dass sie ein Naturereignis beschreibt. Beweisen kann man das aber nicht. Wenn es denn so wäre, dann würden zwischen dem Ereignis und dem Bericht wohl Jahrhunderte bis Jahrtausende liegen, über die der Bericht zunächst nur mündlich tradiert worden und von daher für Veränderungen äußerst anfällig gewesen wäre. Die älteste Textquelle zum Phaeton-Mythos(!) ist Hesiod, der um 700 v.Chr. gelebt hat. Die älteste der erhaltenen Handschriften zu Hesiod stammt übrigens aus Byzanz, ist rund 800 Jahre alt, vor rund 550 Jahren wurde sie zum ersten Mal übersetzt und gedruckt. Die ältesten Textzeugnisse zur Bibel sind, nebenbei bemerkt, rund 1000 Jahre älter.

Mit freundlichem Gruß
Sagitta

Anmerkung: Dass die Sonne nach dem Phaeton-Ereignis eine andere Bahn genommen habe, findet sich nicht so bei Ovid & Kollegen, ist nach meinem Kenntnisstand also nicht Teil des Phaeton-Mythos, aber ich lasse mich gerne von Dir eines Besseren belehren.


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