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Der "spinnade" Schuster von Geltendorf, bzw. der Schuster Johann Kristl (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 22.10.2009, 19:07 (vor 5271 Tagen) (11554 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 31.08.2017, 08:37

Hallo!

Bekh zitierte einmal Pater Frumentius Angaben über einen Seher, auf den dieser gestoßen sei.

Quelle:
Bekh, Wolfgang Johannes: Bayerische Hellseher. Pfaffenhofen 1976.

"Der Vollständigkeit halber sei angeführt, was P. Frumentius von seinen Forschungen über die prophetischen Äußerungen eines Schusters aus einem Dorf der Geltendorfer Umgebung erzählte. Um 1940 sei dieser Schuster, den man 'spinnad' - ähnlich wie den Hellseher des Feldpostbriefschreibers - nannte, gestorben. P. Frumentius erlegte sich bei seinen Angaben äußerste Zurückhaltung auf, da er - das Gespräch fand wie gesagt am 16.1.1976 statt - erst beim Sammeln und Sichten des Materials sei.
Der 'spinnade Schuster' hatte bereits anfangs dieses Jahrhunderts gesagt: Er sehe in der nächsten Umgebung hohe, himmelhohe Hauser (wir würden sie heute 'Wolkenkratzer' nennen), Häuser mit Dutzenden von Fenstern übereinander. Er sehe aber auch einen Krieg, Verheerung und Blutvergießen. Erst 'danach' sei Frieden. Auf die Frage, wann dieses 'Danach' sei, antwortete der, Schuster: 'Dann, wenn dort, wo ich die hohen Häuser sehe, wieder ebene Erde ist. Erst müssen die hohen Häuser verschwinden. Danach wird Frieden sein.'
Man stelle sich vor, welches Aufsehen die Schilderung von Hochhäusern zu Anfang unseres Jahrhunderts in einem oberbayrischen Bauerndorf erregt hat. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen. Man erklärte den Schuster kurzerhand für 'spinnad'."

Im Jahre 1993 hat Frumentius Renner ein kleines 38-seitiges Heftchen über den "Dorfschuster Johann Kristl" veröffentlicht. Darin gibt es jedoch deutliche Abweichungen zu Bekhs Darstellung.

Quelle:
Renner, Frumentius P.: Der Dorfschuster Johann Kristl - ein verkannter Gottesbote. Augsburg 1993.

Bekh schreibt, der Schuster habe in der Nähe von Geltendorf gelebt. Laut Frumentius stammt er aber aus der Nähe von Tierhaupten nördlich von Augsburg. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß Bekh und Frumentius beide verschiedene Personen meinen. Jedoch ist das mehr als unwahrscheinlich. Man kann nicht annehmen, daß Frumentius zwei seherisch begabte Schuster kannte, die beide von ihrer Umgebung als spinnend bezeichnet wurden.
Bei den Lebensdaten könnte Bekh etwas falsch verstanden haben: Laut ihm starb der Schuster 1940. Bei Frumentius starb er 1949.

Ich vermute, daß Bekh in seinem Bericht wieder bei wichtigen Angaben herumgebogen hat oder falsch aus dem Gedächtnis zitiert hat. So könnte er schlicht Frumentius' Wohnort mit dem Herkunftsort des Sehers verwechselt haben. Laut Frumentius fanden alle Gespräche über den Seher in St. Ottilien mit Nachfahren und Bekannten statt. St. Ottilien liegt höchstens 3 Kilometer von Geltendorf entfernt. Vielleicht hat Bekh daraus irrig geschlossen, daß auch der Seher aus der Gegend stamme.

Die Schauungen über die Wolkenkratzer, die Bekh zitiert, finden sich bei Frumentius nicht. Überhaupt sind die Informationen über die Prophezeiungen des Schusters, die Frumentius liefert, eher dürftig. Er scheint sich in dem Heftchen eher auf den Kontakt mit "höheren Mächten", den der Schuster hatte, konzentriert zu haben.
Es gibt nur einen Absatz, in dem für uns wichtige Informationen stehen.

Johann Kristl stand ab 1919 mit dem Schriftsteller Peter Schrönghamer-Heimdal in intensivem Kontakt. Mit ihm hat er einiges über seine Schauungen geteilt.
Frumentius zitiert aber nur einen Absatz von Schrönghamer:

"Herr Kristl erzählte mir noch zahlreiche Geschichten über Krieg und Umsturz, die alle sehr zutreffend waren. Hier sei nur erwähnt, daß wir wieder einen Kaiser bekommen, daß die Gold- und Silberwährung abgeschafft wird, daß alle Menschen, die durch Zinsleihe, den eigentlichen Kapitalismus zu Schaden kommen, ihre Güter zurückerhalten, und daß es nach mancherlei Kämpfen bei uns schöner und besser wird, als es jemals war, so daß alle Völker unsere Freundschaft suchen und uns nacheifern werden. Sollte die Welt also doch am deutschen Wesen genesen? An dem Deutschtum, das mit dem wahren Christentum wesensgleich ist?"

Am ersten Satz ist schon ersichtlich, daß die Schauungen des Schusters noch weitaus umfangreicher gewesen sein müssen, als Frumentius darstellt. Auch muß Frumentius mehr gewußt haben, als er geschrieben hat, denn irgendwoher muß die Geschichte mit den Wolkenkratzern kommen.

Andere Aussagen des Sehers werden von Frumentius nur beiläufig erwähnt:
Demnach habe Kristl schon 1929/30 vorausgesagt, daß Menschen auf dem Mond spazieren sollten und daß sie sich von Tabletten ernährten. Vor der Bombardierung im zweiten Weltkrieg habe er durch Augsburg spazierend genau bezeichnen können, welches Haus zerstört werde und welches nicht. Von 1944 stammt der Ausspruch "Schade um das neue Deutschland!" und meinte damit wohl die zukünftige BRD.

Fähigkeiten des Schusters scheinen außergewöhnlich gewesen zu sein: So wurde Johann Kristl von "oben" (also von Geistwesen, mit denen er "telepatisch" in Kontakt stand) 1919 zu der Begegnung mit Schönghamer geleitet. Ohne zu wissen, wohin er gelangen sollte, legte Johann Kristl aufgrund eines Befehls von oben mitten im Winter innerhalb von 18 Stunden ohne Pause 100 Kilometer nach Neu-Ulm zu Fuß zurück, um dort zielsicher den Schriftsteller in einem Gasthaus zu treffen. Das beste daran ist: Schönghuber hat sich erst 14 Stunden nach Kristls Aufbruch dazu entschlossen, mit dem Zug nach Neu-Ulm zu fahren, um von dort nach seinem Umzug noch ein paar persönliche Sachen zu holen. Kristl wußte schon 8 Wochen vorher, daß er Schönghamer irgendwann begegnen würde und hat den Ahnungslosen brieflich davon in Kenntnis gesetzt. Über Zeitpunkt, Ort und Umstände wußten beide nicht bescheid.

Exkurs:
Diese Art der Begegnung ist nicht neu: Der norwegische Seher Anton Johansson bekam 1907 bereits den Namen seines zukünftigen Verlegers Gustafsson mitgeteilt und wurde 1918 von seiner übersinnlichen Gabe zielsicher nach Stockholm geführt, wo sich Gustafsson kurzeitig aufhielt.

Ab 1932 war Johann Kristl Mitglied in einer christlichen Vereinigung in Augsburg, den "Marienrittern", bei denen er ziemlich prominent war. Was er dort von sich gab, ist Frumentius bekannt gewesen, allerdings schreibt er es nicht. Er zitiert nur einen von religiösem Hochgefühl getragenen Brief des Sehers an den Leiter der Organisation. Kurz vor seinen Tod hat Johann Kristl einen zweistündigen Vortrag bei den Marienrittern gehalten, dessen Inhalt an Frumentius überliefert wurde.

Eine hochinteressante Information liefert Frumentius allerdings:
Bei den Marienrittern war neben ein paar anderen paranormal begabten auch Erna Stieglitz Mitglied! Die beiden Seher kannten sich vermutlich.
Auf der Suchen nach Aussagen des Schusters und (!) von Erna Stieglitz könnten Nachforschungen zu den Marienrittern in Augsburg erfolgreich sein.

Wieso hat Frumentius Bekh Aussagen mitgeteilt, die er später in seiner Veröffentlichung nicht zitiert? Warum unterschlägt er die anderen Aussagen des Sehers?

In der Annahme, daß die von Frumentius nicht überlieferten Aussagen sich noch irgendwo im Nachlass des 2000 verstorbenen Paters befinden müssten, hat BBouvier in meinem Auftrag - denn er kannte Frumentius noch persönlich - in St. Ottilien nachgefragt. Der dortige Archivar, der auch Zugang zu Frumentius Nachlass hatte, war sehr aufgeschlossen und hat die Dokumente nach entsprechenden Informationen durchsucht.
Ergebnis: Fehlanzeige. Im ganzen Nachlass des Paters Frumentius fand sich wohl nirgendwo ein Hinweis auf den spinnenden Schuster, bzw. auf Johann Kristl.
Es scheint, als habe Frumentius sein Wissen mit ins Grab genommen oder aus irgendwelchen Gründen nicht Teil des Nachlasses werden lassen, indem er seine Aufzeichnungen beispielsweise woanders hinterlegt hat oder jemandem vermacht.

Das Werk des Schriftstellers Peter Schrönghamer-Heimdal habe ich mir angeschaut. Abgesehen von den oben zitierten Aussagen fand sich darin nichts.

Meine bisherigen Nachforschungen zu den Marienrittern in Augsburg, bei denen sowohl Johann Kristl, als auch Erna Stieglitz (!) ein und aus gingen, förderten keine Hinweise auf diese Gruppierung zutage.

Es besteht noch die Hoffnung, irgendwann den Verbleib dieses Ordens in Erfahrung zu bringen und über diese Ecke mehr über Johann Kristl und vielleicht sogar Erna Stieglitz zu erfahren, deren völlig entstellte oder gefläschte Aussagen Bekh nur "über mehrere Mittelsmänner" zitieren konnte.

Ich werde in Bälde das Heftchen mal einscannen und hier einstellen. Darin finden sich noch mehr Informationen über den Schuster und sein Leben.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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