Wortvergewaltigungen (Schauungen & Prophezeiungen)

DerBerliner, Freitag, 13.01.2012, 19:28 (vor 4488 Tagen) @ Alex (3557 Aufrufe)

Hallo,

als Informatiker und Analytiker komplexer "Systeme" graut es mir bei dieser Ausage:

alles was wir wissen haben wir mal geglaubt

und auch mein semantisches Sprachzentrum rebelliert über diesen - pardon - Schmarrn.

Der ganz überwiegende Teil meines "Wissens" existiert, ohne daß ich vorher dazu irgend etwas "geglaubt" habe. Ich habe gelernt und/oder erkannt und darum "weiß" ich es.

Da helfen auch lustige Wortspiele nix, wie:

was wir früher glaubten zu wissen erwies sich .... als falsch

obwohl das vielleicht noch einen Hauch näher an der Semantik dieser Worte ist, denn "Wissen" heißt eben, Sachverhalte als gegeben zu KENNEN (bzw. erkannt zu haben), während "Glauben" impliziert, daß man solche Sachverhalte nur annehmen oder unterstellen, sie jedoch nicht verifizieren und deshalb nicht zu fundiertem und begründetem Wissen entwickeln kann.

Bestes Beispiel, ohne daß ich dazu eine erneute OT-Diskussion lostreten will, ist die "Existenz von Gott", denn wir unendlich dumme Menschen mit unserem Fliegenhirn noch nicht mal ansatzweise verstehen, ergo dessen Existenz weder beweisen noch widerlegen können.

Ein anderes Beispiel: Habe ich eine starke Intution, dann "weiß" ich den Sachverhalt, obwohl meine Ratio - und jeder andere Mensch - mir sagen, daß es allenfalls Glaube sein kann - und aus deren Sicht haben sie recht. Hier sind wir am Schnittpunkt, abgegrenzt durch "objektiven" Logos versus - tja, und dafür fehlt mir jetzt das perfekt passende Wort - sagen wir mal so: Der tiefen Annahme der Existenz eines Sachverhaltes, ohne diesen "beweisen" zu können.

Ähnlich dürfte es für manche Seher sein: Sie selbst wissen, daß das Gesehene geschehen wird. Andere können es nur glauben, denn zum Wissen fehlt der objektive, logische Beweis. Wäre es anders, gäbe es kaum dieses Forum.

Mich schmerzt diese allgemeine Verluderung der Sprache, insbesondere der deutschen Sprache, die wie kaum eine andere fähig ist, Gedanken höchst präzise zu formulieren und damit zu kommunizieren.

Denn Voraussetzung für intelligente Gedanken ist eine präzise Sprache! Primitve, unpräzise Sprache schafft Cretins. Siehe USA.

Und hinter den vielen Bestrebungen, Sprache allgemein und unsere im Besonderen zu verludern, sehe ich Plan und System. Man höre sich nur mal einen durchschnittlichen US-Amerikaner an. Dabei läuft es mir, der ich mein sehr britisches, leicht singendes, für manche arrogant tönendes English in gebildeter Upper Middle Class im Lande gelernt habe, kalt den Rücken runter.

Gruß
DerBerliner


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