Ein paar Gedanken zu Wien - Freude, Entsetzen und der Versuch einer Analyse

[ Prophezeiungen & Aktuelles Weltgeschehen ]

Geschrieben von Elias am 19. November 2001 21:08:29:

Hallo Leute,

das Wien-Treffen vom letzen Wochenende empfand ich als wirkliche Bereicherung. Hauptsächlich das Wiedersehen mit einigen „Veteranen“, die sich sonst inzwischen ebenso wie ich hier im Forum etwas aus dem alltäglichen Smalltalk heraus halten, das erstmalige Kennenlernen einiger Teilnehmer, die bislang noch etwas „gesichtslos“ waren und auch die beeindruckende Vorführung von Otto zum Thema CO2-Abbau.

Eigentlich begannen für mich das Treffen und die Diskussionen schon bei der Anfahrt als Fahrgemeinschaft in einem 6-Sitzer, so dass der doch recht lange Weg nach Wien nicht unbedingt komplett als „verlorene Zeit“ gewertet werden muss.

Deutlich wurde aber auch wieder einmal die tiefgreifende Spaltung innerhalb der Forums-Gemeinschaft zwischen zwei Gruppen, zwischen konservativen, kirchennahen Menschen auf der einen Seiten und weltoffenen und vielseitig interessierten Menschen ohne derartige Fixierungen auf der anderen Seite.

Besonders auffällig wurde dieser Spalt bei dem Vortrag eines klerikalen Insiders, der die These aufstellte, dass das vom Vatikan veröffentlichte 3. Geheimnis von Fatima eine Fälschung sei und nach seiner Meinung das Original schwerpunktmäßig die Zersetzungserscheinungen innerhalb der kath. Kirche behandeln würde.

Meiner Meinung nach begann die Zersetzung des Christentums aller spätestens bereits mit Konstantin, der durch eine geschickte Manipulation erreichte, ursprünglich pazifistische Christen für den Wehrdienst zu gewinnen. Durch das Zeichen des Christentums gewann zwar Konstantin. Aber durch Konstantin verlor das Christentum. Konstantin machte sich so zum Führer einer Bewegung, damit diese ihm nutzte. So besiegte Konstantin nicht nur seinen Gegner bei der Schlacht, sondern auch das Christentum. Bereits damals begann das unheilige Bündnis zwischen Glaube und Macht. Bereits damals war der Glaube Mittel zum Zweck.

Diese Zersetzung innerhalb der kath. Kirche wird aber von klerikalen Fundamentalisten immer wieder mit freimaurerischen Kreisen in Verbindung gebracht, welche die Kirche angeblich unterwanden würden. Schon oft hatte ich in den letzten Jahren vergleichbare Thesen über eine „freimaurerische“ Unterwanderung des Klerus gehört, auch wenn diese Unterstellungen und Vorstellungen wohl eher ein Zeichen einer klerikaler Paranoia und einer übersteigerten Phantasie sein dürften.

Trotzdem empfand ich gerade auch diesen Vortrag regelrecht als Offenbarung, denn er verdeutlichte mir in einer besonders reinen Form die psychologischen und weltanschaulichen Wurzeln dieser Unterwanderungsphantasien. Ich konnte dadurch erstmals die grundlegende Logik erkennen, die hinter diesem Wahn steckt.

Das Grundproblem brachte eine sich ereifernde klerikale Fundamentalistin in einem Zwischenruf auf den Punkt: Menschrechte haben in der Kirche nichts verloren. (oder so ähnlich).

Man mag als selbst-denkender Mensch zunächst von so einem Zitat entsetzt sein, doch um so stärker wirft dieses Entsetzen die Frage auf, welche Kraft wohl in der Lage sein mag, Menschen so weit den Verstand zu verdrehen, dass sie schließlich so einen Satz aussprechen können, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.

Ich versuche das Weltbild jetzt einmal so weit darzustellen, wie ich es zu verstehen glaube und möchte gleich von vorneherein ausdrücklich betonen, dass ich zwar derartige Gedanken nachvollziehen kann, dass ich aber keinesfalls diese Gedanken damit gut heißen oder rechtfertigen möchte. In Anbetracht der Millionen Toten, die diese Ideologie im Laufe der Jahrhunderte brachte, empfände ich sogar jede Form der Solisarisierung mit derartigen Ideologien regelrecht als Verhöhnung der Opfer.

Trotzdem möchte ich versuchen meine Analyse über die Denkweise dieser fundamentalistisch-elitären Kreise darzustellen, damit die Leser die Denkweise der Kräfte und Kreise beurteilen können, in denen ich seit einiger Zeit eine Bedrohung für unsere freiheitliche Grundordnung sehe.

In diese Darstellung fließen natürlich neben den Erlebnissen vom Wochenende auch etliche frühere Kontakte mit derartigen Menschen ein.

Menschenrechte, Humanität, Vernunft, Toleranz werden von diesen klerikalen Fundamentalisten offensichtlich zwar durchaus als hohe Ziele anerkannt, aber es bleiben aus der Sicht dieser Menschen eben nur „beliebige“ bzw. „relative“ Ziele, die sich Menschen selbst gesetzt haben. Diese Ziele dürfen somit aus dieser Perspektive nicht über die Ziele gestellt werden, die den Menschen von Gott gegeben sind.

Wenn also Gott sagt „tauft alle Menschen“, so wird diese „göttliche Ziel“ von diesen Menschen gegenüber dem nur rein menschliche Ideal der Toleranz übergeordnet. Konkret ein Zitat des amtierenden Papstes, dass Moslems gute Moslems bleiben sollten, wurde ihm beim Vortrag regelrecht verübelt. So ein Zitat sei für einen richtigen Katholiken geradezu ein Grund zur Exkommunikation.

Diese „richtigen“ Katholiken empfinden bereits das Vordringen der humanistischen Ideale innerhalb der Kirche als eine „Unterwanderung“. Da gerade die Freimaurerei diese Ideale vertritt, sind es tatsächlich freimaurerische Ideale, von den sich diese Menschen bedroht fühlen. Das eben erwähnte Papstzitat wird so regelrecht zu einem Symptom, wie weit sich bereits innerhalb des Klerus derartige Ideen durchgesetzt haben. Der göttliche Auftrag wird somit inzwischen sogar innerhalb der Kirche rein menschlichen uns somit „beliebigen“ Idealen untergeordnet.

Wenn selbst das Oberhaupt der Kirche bereits keinen klaren Kurs mehr vorgibt und sich an die Beliebigkeit der modernistischen Gesellschaft anpasst, so ist es natürlich nur konsequent, wenn die Gläubigen bei diesem Schlingerkurs regelrecht verwirrt werden, ebenfalls diesem scheinbaren Trugbild der Liberalität und des Pluralismus folgen und somit ohne jede klare Moral und Norm die Menschheit ins Chaos stürzen.

Unterschiedliche aktuelle gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Probleme werden schließlich noch als der scheinbare Beweis empfunden für die negativen Folgen dieser „freimaurerischen Ideale“ von Humanität, Vernunft und Toleranz.

Jeder Mensch, der für seinen andern Weg Toleranz fordert, der seinen anderen Weg öffentlich vertritt trägt aus dieser Perspektive zu dem Sittenverfall bei.

Die Vielfalt der unterschiedlichen anderen Wege wird dabei auf ein Feindbild reduziert, die Freimauererei , die gerade durch ihre Toleranz gegenüber scheinbar „beliebigen“ Wegen dieser Vielfalt Vorschub leistet und die somit scheinbar „gezielt“ sich dem göttlichen Auftrag der Kirche entgegenstellt und somit die heile Welt und eine heile Gesellschaft zerstört.

Der Redner fasste dieses unter dem Begriff der „Chimäre des Liberalismus“ zusammen, so als würde der Liberalismus uns eine bessere Welt versprechen, würde aber dieses Versprechen nicht halten können.

Aber hat denn die Kirche in Zeiten wo sie dominierte uns eine „heile Welt“ und eine heile Gesellschaft bereitet? Was in den Geschichtsbüchern steht, hört sich für mich anders an.

Natürlich steht dieses ideologische Kartenhaus auf einem sehr wackligen Fundament, auf dem naiven Glauben man würde tatsächlich Gottes Willen kennen. Da aber das was man über Gottes Willen zu wissen glaubt, ebenfalls nur Menschenwerk ist, bricht diese gesamte ideologische Kartenhaus in sich zusammen. Diese MEINUNG der klerikalen Fundamentalisten über den Willen Gottes ist eben auch nur eine beliebige neben vielen anderen rein menschlichen Meinungen über den Willen Gottes.

Somit wird aus der Überordnung des Willen Gottes über die scheinbar nur von Menschen gemachten Ideale eine Unterordnung der fremden Ideale unter die eigenen.

Gerade die Schwäche dieses Fundaments birgt dabei aber auch ein gewaltige Gefahr. Dieser Glaube wird angreifbar, und da er mit Argumenten nicht zu halten ist, wurden andere Lehren und Ideale in Ermangelung sachlicher Argumente im Laufe der Geschichte schließlich doch immer wieder mit Waffen und Gewalt bekämpft.

Gerade die vielfältigen Quellen, die uns heute einen Eindruck geben können von den unterschiedlichen außerchristlichen und vorchristlichen Quellen der christlichen Mythologie enttarnen die strahlende Fassade der christlich-fundamentalistischen Ideologie mit seinem oberflächlichen real-historischen Verständnis der Bibel und einem naiv-kindlichem Wunderglauben als unhaltbare Illusion.

So wie die klerikalen Fundamentalisten sich von der „Beliebigkeit“ und der daraus resultierenden Sittenlosigkeit bedroht fühlen, so fühle ich mich durch die Kreise bedroht, welche im Nahmen ihres Glaubens die Freiheiten „beliebiger“ anderer Glaubensrichtungen, Weltbilder und Ideale bekämpfen.

Die relative Freiheit der letzten Jahre brachte nämlich neben vieler Probleme, die man ehrlicherweise eingestehen muss, auch den Freiraum für die Menschen, befreit von Denkverboten und Scheuklappen über den Willen Gottes und den Sinn des Lebens nachzudenken. So wie der Wind nur durch die Wohnung wegen kann, wenn man die Fenster öffnet, so kann der Geist Gottes nur wehen, wenn man ihn wehen lässt. Wenn man ihn einsperrt in Dogmen und Kathechismusparagraphen, dann kann er nicht mehr wehen. Dann stellt man die Meinung einer „belieben“ Religion und längst verstorbener Kirchenfürsten über die Erkenntnis Gottes bei den Menschen.

Wenn man das Wehen des Geistes durch Kathechismusparagraphen ersetzt, dann ersetzt man Gewissen durch Folgsamkeit, auch wenn man ins Verderben folgt. Dann ersetzt man den Dialog mit dem Göttlichen durch leeres und stumpfsinniges Geplapper. Dann ersetzt man Kreativität durch feste Regeln. Dann wird aus der frohen Botschaft ein Zwang.

Wir sollten uns immer vor Augen halten, welche grauenvollen Folgen die Phasen kirchlicher Dominanz in der Geschichte immer wieder brachten.

So wie man in der Landwirtschaft erkennen musste, wie anfällig reine Monokulturen sind, so wie hier die immer wieder hervorbrechenden Krankheitserreger mit immer mehr Gift bekämpft werden, so sollte man erkennen, dass eine Monokultur des Denkens ebenso anfällig ist. Man hält sie nur aufrecht durch mit ganz viel Ignoranz und massiver Unterdrückung anders denkender Menschen.

Dazu darf es einfach nicht kommen!

Es gibt im Jüdischen das Sprichwort „Gott geht nie zweimal den gleichen Weg“. Man könnte auch sagen: Hätte Gott gewollt, dass alle Menschen gleich sind, dann hätte er nicht so viele unterschiedliche machen brauchen.

Mit jedem Wesen kann Gott eine neue Erfahrung machen, einen neuen Weg gehen. Das macht jedes Geschöpf einzigartig. Jeder Versuch die Menschen durch eine Unterwerfung auf nur eine Meinung einer Religion gleich zu schalten beraubt sie ihrer Individualität.

Daraus ergibt sich zwingend, dass nur dort eine Einschränkung der Freiheit verantwortbar ist, wo sonst die Freiheit des Einen die Freiheit des Anderen in unangemessener Weise einschränken würde.


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