Mein erster und heftigster Niederschlag (Freie Themen)

Isana Yashiro, Donnerstag, 21.10.2021, 08:22 (vor 919 Tagen) @ Fenrizwolf (1001 Aufrufe)

Hallo!

Ich bin nicht so der „Pro-Bro“ und leichte Jungs sind für mich so interessant wie leichte Mädchen, aber ich habe den Kampf zwischen Magomed Abdusalamov und Mike Perez gesehen, und die Tragödie die sich daraus entwickelt hat, hat auch mich verändert.

Es gibt Menschen, die sind mit einer so robusten Natur gesegnet, daß sie sich nicht von Menschenhand niederschlagen lassen, wie zum Beispiel Timo Hoffmann - doch war ihm, insbesondere wenn er sich die Hose bis zur Brust hochgezogen hatte, nicht die Bewegungsästhetik zu eigen, wie sie weniger massige Menschen auf die Tanzfläche bringen können.
Leider konnte die „deutsche Eiche“ nicht ansatzweise mit „Snap“ schlagen, aber immerhin hat Vitali Klitschko nur einen Pyrrhussieg landen können.

Der aktuelle Schwergewichtsweltmeister, Tyson Fury, hat mit einem Athleten eigentlich nicht viel gemein. Seine schiere Masse verleiht ihm Robustheit, und seine „Bare-Knuckle-Gipsy-Schule“ hat in ihm einen morbiden Geist heranwachsen lassen, der in seinen Hochphasen weder Angst noch Respekt zuläßt. Zum Leidwesen anderer Gladiatoren hat er offensichtlich weit mehr Kontrolle über seine unansehnliche Physis als es solch dinosaurierartige Menschengeschöpfe sonst innehaben.
Die Giganten sind es oft eben nicht, die besonders gefährliche Schlagwirkung entfachen können. Ihnen fehlt neuronal wohl einfach die Geschwindigkeit der Reizübertragung.

Nikolai Valuev war vermutlich der körperlich in Daten stärkste Schwergewichtler, doch David Haye, ein körperlich fast überzüchteter dunkelhäutiger, schneller Schwerathlet, hatte ihn damals kurz vor dem Niederschlag, nachdem er vom Cruisergewicht erst ins Schwergewicht aufgestiegen war.
Haye selbst verlor dann gegen einen schwabbeligen Briten, der aufgrund seiner angeblichen Unterlegenheit fast meine Mutterinstinkte geweckt hat.

So viele Namen, die mir alle nichts sagen. Die Tragödie, soviel konnte ich herausfinden, war oder ist ein künstliches Koma, das nach einer Kopfverletzung, zusätzlich zu einer gebrochenen linken Hand, erforderlich wurde. Die Medizin ist im Wesentlichen noch immer auf mittelalterlichem Stand. Weil ich mich für den Boxsport nicht sonderlich interessiere, darum habe ich dazu nicht viel zu sagen. Interessant finde ich nur, daß Boxen vom Ringen abstammt.

Nun habe ich zwei Wochen mit je 60 Arbeitsstunden hinter mir – in Friedenzeiten – und frage mich, wer wann welche Hirnschädigung schon mitgebracht hat, welcher meiner Kollegen schon eine hatte, oder erst bekommen hat, und wie ich mit einem „Knock-Out-Punch“ meinem Chef sanft und feinfühlig signalisiere, daß sein Lebensstil auch mal eine Ruhepause in einem Viereck benötigt.

Was Du beschreibst ist ein eher üblicher Lebensstil. Auf solche Art leben zu dürfen ist eigentlich ein Grund, um darüber froh zu sein. Vor allem, wenn man sogar versteht, daß unterschiedliche Menschen sich dann unterschiedlich verhalten, wenn sie auf unterschiedliche Weisen vorgeschädigt sind.

Mein Wunsch ist nicht, meine Kräfte zu messen, sondern sie zu bewahren, und mich vor Cholerikern, Kraftmeiern und Wütenden zu verwahren.

Dafür wäre eine Wirtshausschlägerei kontraproduktiv. Darum gehe ich nunmehr davon aus, daß der Vorschlag nicht wörtlich gemeint war. In dem einen wie in dem anderen Fall erdet eine Schlägerei jedoch nicht. Gartenarbeit tut das. Aber das ist natürlich nicht so einfach, wenn man keine Zeit dafür findet. Ich selbst hasse Gartenarbeit, weil ich sie nur als vergebliche Mühe kenne. Darum erzähle ich stattdessen nun von einem eigenem Erlebnis.

Ich ging in die fünfte Klasse. Ich war von der Grundschule auf ein Gymnasium gewechselt. In meinem Jahrgang war ich der einzige aus meinem Dorf dort, so daß mich dort zunächst niemand kannte und umgekehrt genauso. Das wäre eigentlich die perfekte Gelegenheit gewesen, um mich neu zu erfinden und mich so zu präsentieren wie ich gesehen werden wollte. Aber leider übersteigt das die geistige Reife eines Fünftklässlers und überstieg darum meine Möglichkeiten. Ich sah stattdessen nur ängstlich darauf, wer wohl stärker als ich sein und wer mir Probleme bereiten würde. So dauerte es auch nicht lange bis mich einige Schlägertypen auf dem Kieker hatten. Die waren stärker als ich und oft echt fies. Also rannte ich immer wieder vor denen weg. Blöderweise waren die auch noch schneller als ich!

Also baute ich unvorhersehbare Haken und waghalsige Sprünge in meine Fluchtrouten ein. Die neue Schule bot dazu ausreichend Möglichkeiten. Andererseits hat man als Schüler das Pech zu bestimmten Zeiten an bestimmte Orte gebunden zu sein. Auf das Klassenzimmer zuzugehen war eine gefährliche Strecke. Vor den Türen der Klassenzimmer standen Garderobenständer, die alle drei Stockwerke des Gymnasiums jeweils auch optisch unterteilten, abgesehen von ihrem praktischem Zweck. Die Garderobenständer waren Rahmenkonstruktionen aus Stahl mit vielen stählernen Haken im oberen Bereich. Unten verlief zwischen den Seiten noch ein Blechband mit Löchern, die als Schirmständer dienten. Sehr praktisch. Auch um Verfolger abzuhängen. Zu dem Zweck rannte ich auf einen Garderobenständer zu und sprang dann über das Blechband und unterhalb der Haken durch die Rahmenkonstruktion hindurch. Seltsamerweise traute sich niemand auf diese Weise hinterherzuspringen. Darum hatte sich das einige Wochen lang bewährt.

Eines Tages mußte ich wieder einen Fiesling abhängen. Also rannte ich um einen Garderobenständer herum, der Fiesling schnitt mir den Weg ab und ich sprang wieder. Aber dieses Mal nur gegen den Garderobenständer. Ich knallte mit der Stirn gegen einen der stählernen Haken. Dann geht meine Erinnerung an den Vorfall praktisch nahtlos damit weiter, daß ich langsam auf der Liege eines Arztes zu mir kam, während der Arzt an meiner Stirn herumfummelte. Da war ein seltsames Pochen und ich fühlte zweimal ein Zwicken auf meiner Stirn. Wahrscheinlich hatte der Arzt da gerade meine Platzwunde genäht. Aber ich weiß es nicht genau. Ich weiß weder was der Arzt genau getan hat noch wie ich dort hingelangt war noch was sonst in der Zwischenzeit passiert ist.

Dafür wußte ich jedoch, daß es so nicht weitergehen konnte. Vor Schlägertypen nur zu fliehen war offenbar lebensgefährlich. Spätestens da begann mein Weg zum Experten im Kampf. Alle meine weiteren Interessen entstanden aus diesem einen Interesse. Das gilt für mein Interesse an anderen Kulturen so wie für mein Interesse an den Naturwissenschaften. Mein Interesse am Paranormalen hat damit zu tun, daß man allen berühmten Kriegern paranormale Fähigkeiten nachsagt. Das wahre Ziel jeder echten Kampfkunst (wobei echt bedeutet, daß sie nicht zum Sport oder auf eine andere Weise degeneriert ist) ist es, nicht zu kämpfen! Aber das klappt in der realen Welt halt oft nicht. Wie mein eigenes Erlebnis als Beispiel zeigt ist nicht zu kämpfen manchmal der gefährlichere Weg. Darum müssen manche Menschen den Weg der Kampfkunst beschreiten, um am Ende wieder auf der Stufe des Nichtkämpfens herauszukommen. Ich mußte schon seit sehr vielen Jahren nicht mehr kämpfen. Manchen ist dieser Segen von Anfang an gegeben. Das ist ein Grund dazu, sich darüber zu freuen, aber kein Grund dazu, einen Weg zu beschreiten, der für einen selbst nicht vorgesehen ist. Ich erwähne kampfkunstbezogene Themen sehr selten, weil sie von den meisten Menschen ja doch nicht verstanden werden. Die Kampfkünste gehören einfach nicht zu deren Lebensweg.

Übrigens waren die stählernen Garderobenständer im nächsten Schuljahr verschwunden und durch einfache, an den Wänden angebrachte Haken ersetzt worden.

Gruß,
Shiro


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