Reflexion über fundiertes Reflektieren (Freie Themen)

aber @, Dienstag, 26.10.2021, 02:50 (vor 908 Tagen) @ Isana Yashiro (771 Aufrufe)
bearbeitet von Forumsleitung, Dienstag, 26.10.2021, 19:49

reflectere, reflecto, reflexi, reflexum. => reflexio, reflexionis, f. - die Zurückbeugung, das Zurückbiegen, die RefleXion.

Hallo,

Die Verbeugung zeugt nicht nur von Respekt, sondern ist auch Ausdruck des Dankes für die Auseinandersetzung, an der beide wachsen, wenn
sie es denn wollen. Eigentlich ist es auch eine Kommunikationsform.


Ja, ist es auch. Aber vor allem ist es ein Import aus der japanischen Kultur. Obwohl ich schon als Kind zu den Kampfkünsten recherchiert habe, damals noch ganz ohne WWW, verstehe ich manches erst jetzt. Die Verbeugung findet man als Kommunikationsform in präzivilatorischen Standesgesellschaften, vielleicht auch noch während der Zivilisation. Durch die Tiefe und Dauer der Verbeugung werden Standesunterschiede ausgedrückt. Postzivilisatorische Gesellschaften, die Standesunterschiede abgeschafft haben, schafften damit zugleich die Verbeugung ab. Bei uns sieht man Verbeugungen in historischen Filmen oder Theaterstücken. Verbeugungen waren hierzulande eine übliche Kommunikationsform, jetzt sind sie es nicht mehr.


Offensichtlich warst du noch nie in einem katholischen oder orthodoxen Gottesdienst zugegen. Ich empfehle die Erweiterung deines Horizonts: > Tellerrand > über > hinaus.

Wenngleich die kirchlichen Liturgien heute nurmehr ein zombieskes Ritual darstellen, so beinhalten sie doch Remineszenzen an das, was einst lebendige Magie war. Ganz unabhängig von irgendwelchen pseudo-religiösen Ritualen hat aber - ich behaupte mal - jeder Mensch, der das Erwachsenenalter erreicht hat, schon erlebt, wie er sich vor seinem Lehrmeister, dem Schmerz verbeugen durfte. Voller Inbrunst, voller Bewusstheit in jeder schmerzenden Faser, knickte er in der Körpermitte ein, den Unterarm stützend auf dem Solarplexus, als wollte er verhindern, dass ihm seine Eingeweide herausfallen. Bei so manchem dürfte es auch der Brechreiz gewesen sein, welcher nur eine andere Variante des Schmerzes ist, die aber, nicht weniger peinvoll, die Tiefe der Verbeugung noch zu intensivieren vermag.

Die Steigerung der Verbeugung ist der Kniefall. Die Agonie, die einen solchen hervorruft, findet man eigentlich nur bei Gebärenden, Gefolterten oder Sterbenden vor. Bisweilen auch bei Heuchlern, die ihren Kniefall öffentlich vor der ganzen Welt inszenieren, um sich in ihrem Schuldkomplex zu suhlen. Was letzteren jedoch gegenüber den ersteren sichtlich fehlt, ist, die gnadenlose Macht der Unterwerfung zu spüren, die der Schmerz ausübt, aber gleichzeitig das Geschenk vollsten Bewusstseins und intensivsten Lebensgefühls, während es dir gebietet, dich zurück in die Grundfesten der Erde zu beugen.
Wer jemals unter lautem oder ersticktem Schrei sein Gesicht in den Staub rieb, weil er seine Körperhaltung und Menschenwürde in Demut dem Schmerz zu Füßen legte, weiß wovon ich rede.

LG,
und


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