Biomacht: Gegenwärtiges Gesundheitswesen (Freie Themen)

Pat @, Mittwoch, 27.10.2021, 17:11 (vor 911 Tagen) @ Isana Yashiro (928 Aufrufe)

Hallo Shiro, Hallo Leseratte,

folgender Hörbeitrag; "was Macht macht", gibt ebenfalls einen guten Einblick in Foucaults Thesen.

https://www.youtube.com/watch?v=dZifLDpl5EY

Einige "Zitate" daraus:

"Vor dem 18. Jahrhundert bestand die Machtausübung in der direkten Gewalt, zum Beispiel durch einen Fürsten angeordnet: Sie war willkürlich, nicht nachvollziehbar und nicht anzufechten. […]In der Moderne entsteht die Macht durch Wissen, das sich durchsetzt und nicht mehr durch staatliche Autoritäten, die von oben nach unten regieren."

"Die Macht ist nicht mehr nur in Ministerien oder Behörden lokalisiert, sondern auch als Hintergrundrauschen eines immens anwachsenden Wissens, dass zu Gesetzesentscheidungen … oder Umgestaltungen führt: Familien, sexuelle Beziehungen, Wohnsituationen, Schulen, Psychiatrien, Krankenhäuser, Psychiatrie, Gefängnisse – all das wird zum Forschungsgegenstand zur Optimierung von Macht und Herrschaft."

"Die Macht muss als etwas analysiert werden, dass zirkuliert … sie ist niemals lokalisiert hier oder da, sie ist niemals in den Händen einiger.
Die Macht übt sich als Netz aus und über dieses Netz zirkulieren die Individuen nicht nur, sondern sind auch stets in der Lage, diese Macht zu erleiden und auch sie auszuüben. […] Die Macht geht durch die Individuen hindurch, sie wird nicht auf sie angewandt."

"Dass Macht Bestand hat, wirkt ganz einfach dadurch bewirkt, dass sie nicht bloss wie eine Macht lastet, die … 'Nein!' sagt, sondern dass sie die Dinge hervorbringt, Lust verursacht, Wissen formt und einen Diskurs produziert. Man muss sie als ein produktives Netz ansehen, das weit stärker durch den ganzen Gesellschaftskörper hindurchgeht als eine negative Instanz, die die Funktion hat, zu unterdrücken."

"Die Prüfung des Gewissens – in früheren Zeiten, von kirchlichen und erzieherischen Institutionen vorgenommen – führt der moderne Mensch selbst durch. Zusätzlich stellt sich Foucault die Frage, inwiefern interessiert sich das Machtsystem Gesundheitswesen für den menschlichen Körper und seine Funktion?"

"Wie die Menschen leben, ob sie rauchen, ob sie trinken, mit wem sie schlafen, das hat die Politik nicht interessiert, lange nicht. Diese Phänomene der Reproduktion, der Ernährung, der Gesundheit, die sind jetzt politisiert worden. Dass eigentlich die Politik sich nur noch mit dem Leben, Sterben und der Gesundheit der Bevölkerung beschäftigt."

"Wie führt auch das wachsende medizinische Wissen […] zu neuen Zumutungen und Schuldzuschreibungen an die Subjekte; was hätten sie tun können, um ein bestimmtes Krankheitsereignis zu verhindern?"

Das Individuum aus dem gemeinem Volk muß und will nun auch beobachtet werden. Bei jeglicher Tätigkeit. Das kommt den wahren Herrschern sehr entgegen, denn dadurch wird sich das Sozialkreditsystem chinesischen Vorbilds umso leichter umsetzen lassen.

Treffender Punkt! Die Frage ist noch, ob das, was wir heute feststellen - ein grosser Teil der Menschen, welche die Massnahmen mittragen, eben der Logik sich selbst beobachtender Menschen entspricht, welche sich in einem Netz bewegen und Macht erleiden sowie ausüben? Oder ob die Bemerkung des Philosophen Peter Sloterdjik ebenso vorausschauend ist, wonach "der Staat nun seine Samthandschuhe abstreift", "seine eiserne Faust zeigt" und eine alte oder neue Form der Disziplinarmacht (Zertifikate?) bzw. Macht autoritärer Herrschaft - der gewaltsamen Einwirkung auf das Individuum - aufkommt? ( https://petersloterdijk.net/werk/der-staat-streift-seine-samthandschuhe-ab/ )

Zitat aus der Leseprobe (S. 14): "Keine Sorge, das westliche System wird sich als ebenso autoritär erweisen wie das chinesische."

Oder sind das nur punktuelle Geschehnisse - Polizei, welche auf harmlose Demonstranten angesetzt wird etc. - und wird die Tendenz, sich selbst regulierender Menschen und Netzwerke, auch in der kommenden Zeit im Westen ähnlich weiter gehen und vorherrschen, wie vor der Krise?

Viele Grüsse, Pat


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«Die Kritik der Religion endet mit […] dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.»
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«Also war die Kritik der Utopie implicite bereits eine Kritik der Technologie in der Vorschau ihrer extremen Möglichkeiten.»
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«Das ist wirklich ein zu weites Feld.»


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