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Ein sinkendes Schiff retten (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 18.07.2019, 20:35 (vor 1748 Tagen) @ Frank Zintl (1217 Aufrufe)

Hallo!

Ich habe lediglich geschrieben, dass auch eine Fälschung, die einem
anderen Autor untergeschoben wurde, seherisch inspiriert gewesen
sein KÖNNTE, man das also nicht wegen der Fälschung völlig ausschliessen
kann.

Das ist doch eher nur der wegen der notwendigen abwegigen Zusatzannahmen unersprießliche Versuch, einen unhaltbaren Text, an den man dennoch irgendwie glauben will, doch noch zu retten.

Neri oder irgendein anderer, anonymer Fälscher hätte also mit der Intention, eine Politfälschung zu lancieren, einen Text fabriziert und dabei aus Versehen trotzdem gesehen? :lol:
Es ist eigentlich augenfällig, daß es ein konstruiertes und an den Haaren herbeigezogenes Argument ist, um an den Fakten vorbei einen Glauben zu begründen.
Ließe man dieses Argument zu, könnte man damit nicht nur Malachias, sondern jede beliebige Fälschung als echt deklarieren, denn es wäre bei keinem Machwerk auszuschließen, daß der Fälscher sich den Text zwar ausgedacht, der Inhalt ihm aber durch übersinnliche Inspiration zugeflossen sein könnte. Der Beliebigkeit wären keine Schranken mehr gesetzt. Mithin wäre eine saubere Analyse des Themas völlig unmöglich gemacht. Willkommen in der postfaktischen Phase der Prophezeiungsforschung!

Rein theoretisch könnte der später heiliggesprocchene Kardinal Neri seherisch veranlagt gewesen sein, auch wenn sein Text nur eine Papstwahl beeinflussen sollte.

Dem Sparsamkeitsgrundsatze folgend wäre diese Annahme eigentlich auszuschließen. Sie erklärt nichts und ist nur rückwirkend konstruiert, um von der augenblicklichen Krise der Kirche ausgehend eine darauf hinweisende Prophezeiung zu erhalten.

Geht man indes vom Texte selbst aus und nicht von den eigenen Wunschvorstellungen, wird schnell klar, daß eine Sehergabe Neris oder irgendeines anderen gar nicht in Frage kommt. Zwei simple Tatsachen weisen darauf hin:

1. Von den Sprüchen nach 1590 (dem Datum der Fälschung) paßt so gut wie nichts mehr auf die jeweiligen Päpste. Manche Devisen stehen sogar in eklatantem Widerspruche zu den Personen, auf die sie historisch zufällig fallen. Manche vermeintlichen Treffer (etwa die Sonnenfinsternisgeschichte bei Johannes Paul II. / "de labore solis") sind erkennbar hingebogen, weil sich ums Verrecken nichts Passendes finden lassen wollte.

2. Das Ende der Liste betrifft nicht etwa irgendeinen bestimmten Papst oder ein bestimmtes, gesehenes Ereignis, sondern ist der obligatorische letzte Akt des christlichen Endzeitdramas.

"In der letzten/größten Verfolgung der Kirche wird Petrus der Römer sitzen/regieren, der die Schafe in vielen Drangsalen, welche, durchgeführt, den Staat der sieben Hügel zerstören werden, hütet und der schreckliche Richter wird über sein Volk urteilen."

Der alle seine Vorgänger (außer dem ersten) überragende Endzeitpapst, die Kirchenverfolgung in der Endzeit, die Zerstörung des vom Antichristen befallenen Roms, das Endgericht, das die Recht- von den Falschgläubigen scheidet. Dieser Satz enthält keine einzige Information, die nicht jedem Zeitgenossen aus dem christlichen Endzeitglauben heraus bereits geläufig gewesen wäre. Es ist schlichtweg der notwendige Endpunkt, den eine in der Tradition der christlichen Prophetie stehende Weissagung besitzen mußte, um überhaupt ernstgenommen zu werden. Vor allem eine Weissagung, die sich mit dem Stellvertreter Christi auf Erden befaßt, muß zwingend mit einem solchen Satze schließen, der das Ende der Liste mit dem von allen ohnehin erwarteten und in einer ellenlangen Liste mittelalterlicher Prophezeiungen kolportierten Ende des Papsttums begründet. In Malachias' Falle liegt es schön weit in der Zukunft, um nicht vom Zwecke der Fälschung, nämlich der Förderung eines bestimmten Papstkandidaten abzulenken (der es übrigens nicht wurde, weil die Devise für Gregor XIV. tatsächlich auf den Verlierer paßt).

Die Malachiasweissagung enthält offensichtlich nichts, das die Annahme einer seherischen Eigenleistung Neris oder irgendeines anderen begründen hülfe. Darob davon auszugehen, daß angesichts einer Reihe schlecht oder nicht passender Devisen und eines bloße religiöse Vorstellungen reflektierenden Schlußsatzes ausgerechnet die Länge der Liste einzig präkognitiv sei, ist sehr weit hergeholt und eben nur eine Wunschvorstellung.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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