zur Glaubwürdigkeit Pier Carpi's (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Montag, 04.04.2011, 02:52 (vor 4771 Tagen) @ Gerhard (3811 Aufrufe)

Hallo Gerhard,

auch wenn Du es für Zeitverschwendung hältst, sich mit Carpi auseinanderzusetzen, erscheint es mir nicht belanglos, ob er - aufrichtig - etwas so weitergibt, wie er es erhalten hat, oder ob er verfälscht, weil er mit der Publikation nicht genannte Absichten verfolgt.

Warum sollte man an Carpi's Glaubwürdigkeit einen anderen Maßstab anlegen als beispielsweise an den hier oft zitierten "Salzburger Priester" und dessen Irlmaier-"Zitate"?

Zu Carpi:

In einem "offenen Brief an das Episkopat" mit dem Titel "John XXIII 'Blessed', Too?" von einem "Father Dr. Luigi Villa" erwähnt der Autor auf Seite 32, daß Carpi Freimaurer gewesen sei.

Er nennt in einer Fußnote nun aber nicht irgendeine Loge sondern Licio Gelli's kriminelle P2 und zitiert als Quelle eine Schrift von Ennio Innocenti: “Inimica Vis”, Rome, 1990, Seite 34.
http://www.novusordowatch.org/resources/John-XXIII-Beatified.pdf

In der zweiten Auflage von “Inimica Vis” wird Carpi mit dem Eintrag "Regista Carpi Piero (Milano)" als Mitglied in Licio Gelli's P2 genannt, außerdem auf Seite 95 noch einmal bzgl. der Zuständigkeit für die Region "Sant’Ilario D’Enza" im P2-Ressort "R.L. Propaganda Massoneria 2 Oriente di Roma".
http://www.scribd.com/doc/2877757/INIMICA-VIS-II-EDIZIONE

Im Dezember 1974 entzog der italienische Großlogentag des "Grande Oriente d’Italia" Licio Gelli die Anerkennung für seine Loge P2, 1976 erscheint die italienische Ausgabe von Carpi's Buch.

Ich halte es für naheliegend, daß Carpi das Buch in seiner Funktion als P2-Mitglied verfasst hat.
Ich stimme mit Dir überein, daß Carpi wohl nicht selbst der Autor der Texte ist und würde vermuten, daß Carpi einen
vorhandenen Text benutzt und diesen mit "rückblickenden Prophezeiungen" ergänzt hat, um einen aktuellen Zeitbezug
herzustellen.

Als "Werkzeug, um die Wahrheit zu finden", wie Du Deine Herangehensweise beschreibt, scheint mir ein schon im Original vieldeutiger Text, der aus dem Französischen ins Italienische und dann ins Deutsche übersetzt wurde, wegen des daraus folgenden allzu großen Interpretation-Spielraums wenig geeignet.

Es ist fast 20 Jahre her, daß ich das Buch von Carpi gelesen habe und da ich es nicht mehr besitze, beziehe ich mich auf Deine Charakterisierung:
- sie (die Texte) halten vom Staat nicht viel, am allerwenigsten von den Staatsentwürfen der letzten Jahrhunderte
- Der Staat bzw. Politik machen für die Texte ganz offensichtlich nicht das Wesen des Menschen aus
- Die Texte sorgen sich zwar um die Katholische Kirche, doch sparen sie andererseits nicht mit Kritik an dieser Kirche.
- Interessanterweise erweisen sie der chinesischen und indischen Kultur ... einen gewissen Respekt
- ein ganz offenes Bekenntnis zur "Reinkarnation"
- ... mit "synkretistischer Esoterik" zu etikettieren
- Technik- und Wissenschaftskritik
- verfolgen die Texte die Idee einer "wahren Wissenschaft"

Sowohl Deine Charakterisierung der Texte als auch Carpi's Verweis auf de Saint-Martin, de Saint Germain und Cagliostro und deren angebliche Unsterblichkeit lassen meines Erachtens nicht eine freimaurerische oder rosenkreuzerische, sondern eine theosophische Quelle vermuten.

In den 15-bändigen "Collected Writings" von H.P. Blavatsky selbst würde ich nicht nach einer Vorlage für die Texte suchen, da Blavatsky sich mit der Zukunft der katholischen Kirche nicht beschäftigte, wahrscheinlicher wäre eine "Ur-Fassung" der Texte in den umfangreichen Schriften des französischen Zweigs "Société Theosophique d'Orient et d'Occident".
Das erklärte Ziel deren Präsidentin, Maria de Mariategui ("Lady Caithness, duchesse de Medina Pomar") war es, den
Katholizismus mit Theosophie und Buddhismus zu verbinden. Eines ihrer bekanntesten Bücher ist: "Old Truths in a New Light, or, an Earnest Endeavour to Reconcile Material Science with Spiritual Science."

Gruß
Ulrich


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