Pier Carpi (Schauungen & Prophezeiungen)

trace, Samstag, 02.04.2011, 15:14 (vor 4771 Tagen) @ Taurec (4400 Aufrufe)
bearbeitet von trace, Samstag, 02.04.2011, 15:34

Hallo!

Johannes' XXIII. Prophezeiung habe ich bislang als "wahrscheinlich was
dran" betrachtet, weil sie so verworren ist, daß man keine Intention darin
erkennen kann. Eine solche müßte bei Fälschungen aber sinnvollerweise
vorhanden sein und auch für den Laien erkennbar. Ein Fälscher will ja
manipulieren, bzw. seine Sicht oder eine gewünschte Sicht auf die Dinge mit
einer Scheinquelle untermauern.

Möglich ist natürlich, daß Carpi diesen kryptischen Text verfaßt und die
Intention in seiner Auslegung (ohne welche die Prophezeiung im Grunde
ähnlich "nutzlos" ist wie Nostradamus, weil jede Deutung mehr oder
weniger spekulativ ist) transportiert hat. Leider kenne ich Carpis Buch
nicht, sondern nur Gerhards Zitate im Forum, weswegen ich mir ein Urteil
darüber nicht erlauben kann.
Daher die Frage an Besitzer des Volltextes: Ist in Carpis Erläuterungen
eine politische Richtung zu erkennen, eine Botschaft oder Weltsicht, die
durch die Prophezeiung quasi erhärtet wird? Was will er damit?

Wenn sich Carpi tatsächlich bei Ludlum bedient hat, würde ich mir eine
Gegenüberstellung von Motiven aus seinen Romanen mit Stellen der
Prophezeiung oder zumindest Beispiele dafür wünschen. Dieser Spur müßte
nachgegangen werden.

Gruß

Taurec


Es ist tatsächlich an der Zeit, den Autor Pier Carpi etwas unter die Lupe zu nehmen, zumal Gerhard seine favorisierten Prophezeiungen immer wieder mal rauskramt und hier mit entsprechenden Interpretationen serviert. Im Forums-Archiv selbst findet man ja nur die Texte der so genannten Prophezeiungen von Papst Johannes XXIII und nicht die dazu erfundene (?) Rahmengeschichte nebst Carpi's eigenen Interpretationen, die mehr als die Hälfte des 179-seitigen Büchleins beanspruchen und die mit Begriffen wie "mystischer Wert", "die esoterische Tradition", "die reine Esoterik" geradezu gespickt ist (allein in den wenigen Seiten vor der Einleitung taucht "Esoterik" oder "esoterisch" 14 mal auf). Beinahe witzig ist die ebenfalls vorangestellte "Urkunde der drei Meister", (denen Carpi übrigens Unsterblichkeit attestiert, aber nicht etwa aufgrund hervorragender Leistungen, wie man es z.B. bei einem Hölderlin machen würde) die selbige auch noch handschriftlich und eigenhändig unterschrieben haben sollen, und zwar Luis-Claude de Saint-Martin, Le Compte de Saint-Germain und last but not least Le Compte de Cagliostro jeweils mit Signum ihrer Geheimbundzugehörigkeit. Hier kann jeder selbst Wikipedia oder andere einschlägige Seiten bemühen, um sich diese Figuren beschreiben zu lassen. - Ich will aufgrund der fehlenden Rahmenerzählung keine unlauteren Absichten unterstellen - obwohl, merkwürdig ist das schon ...

Wem allein beim Lesen der dubiosen "Urkunde der Meister", die der "große Unbekannte" dem Pier Carpi als Echtheitsbeweis für die folgenden Prophezeiungen angeblich vorlegte, das Büchlein nicht schon vor Lachen aus der Hand gefallen ist, dem sollte im weiteren Text schnell klar werden, welch Geisteskind der Verfasser war und worum es diesem ging. Bemerkenswert ist vielleicht auch die Feststellung, dass sämtliche Schriftstücke, die der Unbekannte Carpi vorlegte, ja in französischer Sprache gewesen sein sollen. Er müsste sie demnach beim Abschreiben gleich ins Italienische übertragen haben, da der Unbekannte laut Carpi die Seiten direkt wieder an sich nahm. Ob sein Schulfranzösisch dafür ausreichte oder sogar Ursache für dem "komischen" Text gewesen sein könnte, sei mal dahingestellt. Okay, er kann auch erst mal in Französisch abgepinnt haben...

Taurec bemerkte ganz richtig, dass diese "Prophs" so "verworren" sind, "dass man keine Intention darin erkennen kann". Dem ist hinzuzufügen, dass diese "Prophs" dermaßen "offen", dünn und unklar gehalten sind, dass so ziemlich jeder - sofern er möchte - Raum genug findet, um darin eine eigene Spielwiese für seine Phantasie zu aufzumachen. Wer Liebhaber der Esoterik, Magie und alles Okkulten ist und nebenbei noch eine ausgeprägte Schwäche für Geheimbünde (wie Freimaurer, Rosenkreuzer, Martinisten u.s.w. u.s.f.) hat, der wird seinen Spass daran haben.

Gerhard wiederum glaubt nun, in den Prophs einen roten Faden gefunden zu haben, den man diesem Forum nahe bringen könnte. Auf welches Terrain er sich damit begibt, wird aber erst deutlich, wenn man das ganze Büchlein kennt und vor allem auch die Person "Pier Carpi" etwas näher beleuchtet hat.
(Ich hatte mal erfolglos versucht, Gerhard darauf hinzuweisen. Er selbst hielt das für nicht wesentlich, aber es sollte sich jeder ein eigenes Urteil bilden).

Carpis langjährige Hauptbeschäftigung bestand darin, die Sprechblasen von allen möglichen Comics zu füllen (Superman, Batmann, z.T Donald-Duck-Heftchen etc.). Es gibt auch Eigenkreationen von Cartoons unter Mitarbeit entsprechender Zeichner mit den Themen Horror, Sience Fiction Abenteuer, Diabolik u.ä.. Er war Mitarbeiter für die Monatshefte "Diabolik" und schrieb für die Zeitschrift "Horror". Seinem Interesse entsprechend verfasste er Bücher über Zauberei, Cagliostro, Kauffleute des Okkulten, Geheimbünde mit ihrer Romanze zum Teuflischen, aber auch Jesus, Maria und anderes. Er schrieb zwar in Romanform, aber mit dem Kniff, dem Leser zu suggerieren, dass es sich um Tatsachen handeln würde (den gleichen "Kunstkniff" verwendet er auch bei den Prophs Joh. XXIII).

Er schrieb wohl auch ein paar Drehbücher für das Cinema Esoterico (man findet Szenen bei YouTube unter "Master of Trash", grauenvolle Streifen mit schlechten Schauspielern, wenig Dialog und sinnfreier Handlung, von denen er aber gerne das Gerücht streute, dass einer davon mal für die Biennale in Venedig ausgewählt worden sei). Auf italienischen Internet-Seiten findet man in seiner Biographie hin und wieder auch die Erwähnung von Preisen und Ehrungen (Internationaler Journalisten-Preis ohne nähere Angaben, einen Hans-Cristian-Andersen-Preis, selbst den deutschen Karls-Preis etc.), die sich aber nirgendwo belegen lassen, was dann alles eher nach Geltungsbedürfnis und Profilneurose aussieht. Zu wirklicher Berühmtheit geschweige denn Beachtung oder Anerkennung in literarischen Kreisen brachte er es auch in Italien nicht. Die Johannes-Prophs. waren meiner Meinung nach ein ebenfalls wenig gelungener Versuch hierzu.

Auf dieser Internet-Seite versucht ein von der Witwe Carpi's beauftragter PR-Manager dessen Image aufzupolieren, auch um für das Copyright zwecks Wiederbelebung und eventueller Neuauflagen einiger Druckerzeugnisse zu werben. Immerhin erhält man einen Überblick über das Schaffen von Carpi.
http://piercarpi.interfree.it/
siehe auch: http://teddybob.too.it/ und http://www.diabolikclub.it/Romanzi/It01-10.htm

http://www.youtube.com/watch?v=8w4dV21hZ0A&playnext=1&list=PL804FC089DD849BB4
(Ciclo: "Master Of Trash" Un'Ombra Nell'Ombra di Pier Carpi)

Auch sehr putzig:
http://www.youtube.com/watch?v=rRC1Uqwac-8&feature=autoplay&list=PL804FC089DD849BB4&index=2&playnext=2

Ich hoffe, die Links sind auch in Deutschland zu öffnen.

Mit Gruß von
trace


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