Fahrrad zur Flucht

Geschrieben von Humorvoller Bunkerbauer am 13. Juni 2006 16:13:27:

Hallo alle!

Wer ein Fahrrad zur Flucht verwenden woll, sollte auf Qualität achten. Kein Fahrrad vom Baumarkt, von Aldi oder aus dem Kaufhaus. Warum keines dieser billigen Dinger? Nun, man kann das tun, nur muß man es nach dem Kauf komplett auseinandernehmen und schmieren, Teile festziehen und Billigstteile gegen bessere Qualität austauschen. Aber dann kann man sich gleich ein richtiges Qualitätsrad kaufen. Wer unbedingt ein Baumarktrad kauft, sollte folgendes beachten.

Was muß man tun, um aus so einem Baumarkt-Teil ein richtiges Fahrrad zu machen? Und was passiert, wenn man es unterläßt. Und warum ist das überhaupt so? Warum sind Baumarkträder so billig?

1. Speichen anziehen, sonst brechen bald einige Speichen. Einspeichautomaten arbeiten um so schneller, je weniger die Speichen angezogen werden müssen. Speichen brechen um so eher, je häufiger die Vorspannung unzureichend ist, um Stöße abzufangen.

2. Laufräder neu zentrieren. Wenn man die Speichen nachzieht, ist normalerweise die Zentrierung hin. Nicht zentrierte Räder bremsen sich schlecht und sind unkomfortabel ("eiern").

3. Bowdenzüge ausbauen, fetten, wieder einbauen -- sonst schaltet die Schaltung bald nicht mehr ordentlich oder die Züge reißen. Fett kostet Geld, kein Fett kostet kein Geld. Züge, die kein (oder wenig) Fett brauchen, sind teuer.

4. Dynamo ausrichten, besser wechseln -- sonst hat man beim ersten Regen kein Licht. Einstellarbeiten am Rad sind teuer, also werden alle Feineinstellungen nicht vorgenommen. Es werden meist Billigstdynamos verbaut, die erst schwer und bald gar nicht mehr laufen.

5. Neu verkabeln, sonst steht man bald im Dunkeln. Es wird billigstes Kabel verwendet, das bald versprödet und bricht.

6. Schaltung einstellen. Bei der 3-Gang-Schaltung geht zum Beispiel nur der dritte Gang, weil der Schaltzug nicht eingestellt wurde.

7. Nach ein paar hundert Kilometern alle Schraubverbindungen auf Lockerheit prüfen und ggf. nachziehen. Alle Lager -- Lenklager, Radlager, Tretlager -- auf Spiel prüfen und ggf. einstellen. (Das wird bei Markenrädern bei der kostenlosen Erstinspektion gemacht.)

8. Sattelstütze ausbauen, fetten und wieder einbauen -- sonst ist das Teil nach kurzer Zeit so festgerostet, daß sich der Sattel nicht mehr verstellen läßt. Fett kostet Geld; Einfetten beim Zusammenbau des Rades kostet Arbeitszeit.

9. dto. für Lenker

10. ...

Was spricht dann eigentlich noch für ein Baumarktfahrrad? Sehr wenig, würde ich sagen. Mit dem Kauf eines Markenrades erwirbt man etwas solides, beste und langlebige Bauteile, die Chance auf ein Liegenbleiben in Extremsituationen sinkt.

Während Krieg und Katastrophen wird man kaum auf befestigten Straßen fahren, eher querfeldein, Feldwege, Wälder. Statt eines Straßenrades sollte man ein Trekking-Rad oder ein Mountain-Bike auswählen. Die Technik sollte so wenig wie möglich aber so viel wie nötig beinhalten. Grobstollige Reifen fürs Gelände, eine wartungsfreie Nabenschaltung mit 7-8 Gängen. Dreigang ist zu wenig, freiliegende Kettenschaltung mit 24 Gängen ist zu empfindlich. Kettenschutz nicht vergessen. Rahmenfederung und Gabelfederung ist im Gelände eine gute Wahl, entlastet Gelenke und Wirbelsäule. Schutzbleche sind einerseits gegen hochfliegenden Matsch sinnvoll, andererseits im Gelände gefährlich wegen des Hängenbleibens im Gestrüpp, also besser ohne. Beleuchtung ist nicht notwendig, mit Licht ist man nachts ein ideales Ziel. Wenn, dann mit Nabendynamo, keinen Anbaudynamo. Der Rahmen des Rades ist wichtig. Er sollte aus leichtem Aluminium bestehen, jedes Kilo weniger Gewicht zählt. Keinen Stahlrahmen. Baumarkträder haben in der Regel billige Stahlrahmen. Der Rahmen wiederum sollte für Geländefahrten stabil sein, also vom Typ her "Herrenfahrrad mit Stange". Ein "Damenrad ohne Stange" ist in der Stadt perfekt, nicht im Gelände (Verwindung, Steifigkeit). Trekking-Räder und Mountain-Bikes haben serienmäßig einen stabilen Dreieckrahmen. Ersatzschläuche, Flickzeug, Isolierband, Ventile, zwei Luftpumpen, Basiswerkzeug sollten mit dabeisein.

Muß ein Trekking-Rad oder Mountain-Bike teuer sein? Nein, man kann sie im Fachgeschäft oder von einem zuverlässigen Bekannten gebraucht kaufen. Alle kritischen Teile wechseln, alles auf Gängigkeit prüfen, fetten. Ein gebrauchtes Rad hat den Vorteil, daß es "heruntergekommen" aussieht. Ein Rad sollte nicht neu oder wertvoll aussehen. Von der Farbe her auch eher dunkel, wenn man sich ein Rad selbst aufbaut evtl. mattschwarz oder mattdunkelgrün lackieren. Egal wo man es kauft, sollte man immer eine Probefahrt machen, der Rahmen sollte zum Körper passen, man muß ermüdungsfrei fahren können. Vor der Flucht sollte man regelmäßig radfahren, um die Eigenheiten des Drahtesels kennenzulernen und um trainiert zu sein für den Ernstfall. Dann kann nicht mehr viel schiefgehen, außer der Komet fällt exakt auf den Radler. :-)

Noch ein wichtiger Ausspruch eines Ökonomen zu Billigkäufen:

"Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend
jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger
verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis
orientieren, werden gerechte Beute solcher Machenschaften.

Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch
schlechter, wenig zu bezahlen.

Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das
ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren
sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm
zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.

Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld
viel Wert zu erhalten.

Nehmen Sie das niedrigeste Angebot an, müssen Sie für
das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechen.
Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld,
um für etwas Besseres zu bezahlen."

John Ruskin, engl. Sozialreformer (1819-1900)

Oder kurz:

"Billig gekauft ist doppelt gekauft." --- Sprichwort

Alles Gute, HB

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