Re: Billigräder und lebensgefährliche Überraschungen

Geschrieben von Humorvoller Bunkerbauer am 16. Juni 2006 19:34:49:

Als Antwort auf: Re: Billigräder und lebensgefährliche Überraschungen geschrieben von Wizard am 16. Juni 2006 17:15:42:

Hallo Wizard!

>Bei dem abgebildeten Teil handelt es sich um die Reste eines Blechstanzteiles, das dazu verwendet wird um die Kugeln an Ort und Stelle zu halten. Außerdem spart man mit diesem billigen Blechteil einige der viel teureren Kugeln ein. Leider schon länger eine gängige Praxis und auch bei teuren Rädern üblich. Normalerweise halten diese Teile einige Jahre, wenn das Lager gut gefettet und vor allem gut eingestellt ist. Wenn ein solches Teil dann mal so aussieht, liegt es daran, dass das Lager nicht richtig eingestellt war und viel zuviel Spiel hatte und es dauert in der Regel Monate bis es so aussieht.

Man bekommt, wofür man bezahlt, bei teuren Rädern ist dieser Billigmist definitiv nicht üblich. Ein wirklich gutes Fahrrad gibt es ab 500 Euro, ein exzellent gutes ab 1000 Euro. Baumarkträder für 99-199 Euro sind nunmal Müll, ist auch logisch, wirtschaftlich betrachtet, es muß überall eingespart werden, selbst vor lebenswichtigen Teilen macht man nicht halt. Man google mal nach "Discountrad" und informiere sich mal bei echten Fahrradfreunden über diese Krücken. Bei Komplettüberholung nach Kauf taugen sie als gutes Stadtrad -- als Fluchtrad aber eher kaum. Obiger Lenkgetriebefehler war über Monate nicht zu bemerken, der Lenker ging kurze Zeit vor dem Problem mit Geräuschen, und dann ging er plötzlich fest.

Was das zerschrotete Lenkergelenk betrifft: Es ist definitiv völlig unüblich, daß das a) kaputtgeht und b), daß man da als Fahrer sich überhaupt drum kümmern muß. Das wird in der Fabrik eingesetzt, gefettet, und dann hält das ein Fahrradleben lang. Mein Fahrradmechniker war geschockt, als er das kaputte (und natürlich ungefettete) Teil rausholte. Sowas kennt er nur von Baumarkt-/Discounträdern. Und er hielt einen langen Vortrag, daß jedes Teil an einem Auto tausendmal TÜV-geprüft wird, aber essentielle und lebenswichtige Teile eines Rades (wie die Lenkung) keinerlei Kontrollen unterliegen. Mein Mechaniker/Händler (der selbst Bahnrennen fährt) handelt mit Markenrädern ab etwa 400 Euro, Diamant, Ridley, Merida etc. Er ist vertrauenswürdig.

>Ein solcher Vorfall zeugt von Unwissenheit oder einfach nur Faulheit, weil man recht lange mit einem nicht richtig eingestellten Lager gefahren ist. Da hilft dann auch nicht die Ausrede, ich hab’s nicht gewusst oder nicht gemerkt. Man merkt beim Fahren, das ein Lager lose ist und sorgt für Abhilfe. Entweder zieht man es selber fester oder wenn man es nicht kann, lässt man es machen. Das sage ich auch immer wieder den Leuten, die bei mir mit so was ankommen. Begeistert sind die dann nicht von meinem Kommentar, aber nach einigem Hin und Her geben sie in der Regel zu, das da was schon länger lose war. Man hat halt gedacht, das müsse so sein und wäre nicht schlimm.

Am Lenkgetriebe (das ist innendrin, im Rahmen gekapselt) ist absolut nichts einzustellen oder festzuziehen, das ist innerhalb des Rahmens eingebaut und wird niemals geöffnet (außer man nimmt sein Rad alle 5 Jahre komplett auseinander, um es generalzuüberholen, was nur Fans tun). Ich habe schon drei Räder gehabt und bin dutzende gefahren. Selbst bei der Mangelwirtschaft der Ostzone hat es niemals den Fall gegeben, daß das Lenkgetriebe versagt hätte. Obiges Baumarktrad ist neu, ein Jahr alt, selten gefahren, sehr pfleglich behandelt. Es ist nun aber mal ein Naturgesetz, daß Schrott Schrott bleibt. Und mein Spruch aus meinem ersten Artikel wird wahr: "Ein Markenrad kann man kaufen und fahren. Ein Baumarktrad muß man nach dem Kauf komplett demontieren und komplett neuaufbauen, viele Teile (Lager, Anbauteile, Dynamo) ersetzen, alles korrekt fetten, damit man es benutzen kann." Macht natürlich niemand. Und wenn man alles nach dem Kauf komplett überholen muß, dann kann man sich auch ein neues oder gebrauchtes Markenrad leisten, wo Qualitätsteile verbaut werden. Wer ein wenig in die Radlerszene reinlauscht, der kann sich informieren, was man als Tretlager, Ketten, Schaltung, Reifen, Felgen verwenden sollte und welche Qualitäten es gibt. In Discounträdern ist nur der billigste Mist drin, abgesehen von der Nabenschaltung (die aber meist nicht korrekt eingestellt wurde, denn Einstellung kostet Zeit und Geld, was man bei Billigrädern nicht erübrigen kann) und vom Rahmen (meist gute Qualität Made in Taiwan).

>Die gängige Methode in Werkstätten so was zu beheben ist, ein neues Lager gleicher Bauart einzubauen. Kostet dann mal eben so um die 30 bis 50 Euro (0,25 Euro für das Teil und der Rest ist Arbeitslohn).

Das Problem: Mein Fahrradmechaniker hatte ein Lager dieser Bauart nicht da, da seine Markenräder diesen Schrott nicht verwenden. Er beschaffte ein baugleiches guter Qualität und in der Größe, wie es unser Baumarktrad brauchte. Kostenpunkt von recht komplizierter Reparatur, Beschaffung und Einbau des Ersatzteils: 12 Euro. Ein guter Mann!

>>Heute mußte ich weitere kleinere abgefallene Billigzeile ersetzen, so die Lenkerrückzugsfeder.

>Abfallen tut in der Regel nur etwas, wenn es schon länger lose ist. Was ist eine Lenkerrückzugsfeder?

Die billige Halteöse aus Blech war schon länger angeknackst und nun gebrochen, da Fehlkonstruktion. Ich habe einen beweglichen Fanghaken gebaut, nun geht es. Eine Lenkerrückzugsfeder haben alle Räder mit Zentralständer. Wenn keine dran ist, dann schlägt der Lenker des abgestellten Rades um und wirft mit Pech das ganze Fahrrad zu Boden.

>>Der Dynamo ist so ein Billigteil. Rattert laut und wird wohl bald den Geist aufgeben.

>Hört sich bisher für mich so an, als wenn das Rad gekaut wurde um dann so lange damit zu fahren, wie sich die Räder drehen. Wartung scheint das Rad wohl nicht viel gesehen zu haben. Etwas, das in der heutigen Wegwerfgesellschaft leider üblich ist. Hier bei mir im Ort gibt es Leute, die sich alle paar Monate neue Räder kaufen, weil die alten "nichts getaugt haben". In der Praxis sah das dann so aus, das die Räder nicht auf den Ständer gestellt wurden, sonder einfach fallengelassen. Seht beliebt ist auch das Fahren mit zu wenig bzw. ganz ohne Luft.
>Wer sein Rad nicht gut behandelt, muss sich nicht wundern, wenn es nicht mehr fährt.

Lustige Unterstellungen, aber unser Rad ist ein Jahr alt, wird perfekt gepflegt, nur taugen eben Billiganbauteile wie dieser Kunststoffdynamo absolut nichts. Irgendwo müssen die Billigklitschen ja sparen, wenn sie zehntausende Räder für eine Billigkette herstellen müssen, und dann gibt es eben nur das Billigste vom Billigen (Geiz ist nicht geil). Der Dynamo ist so ein Teil, wo man Einsparen kann. Ein guter Außendynamo kostet 30-50, ein sehr guter bis 100 Euro.

In einer gutbürgerlichen Reihenhaussiedlung mit Überfluß und Langeweile lebe ich zum Glück nicht, wo die Leute dauernd Räder wegschmeißen. Hier im Osten ist man noch nicht ganz so "westlich-dekadent", daß man alles einfach wegwirft und neukauft. Aber viele sind schon erfolgreich umerzogen, nicht zuletzt daher, daß eine Reparatur dank utopischer Reparaturkosten teurer kommt als ein Neukauf. Räder schmeißt hier dennoch keiner weg. Die werden eher geklaut. :-)

Ich bin bloß froh, daß dieser Unfall mit dem Discountrad bei mir passierte und nicht bei meiner Freundin. Mal schauen, was als nächstes kommt, das Tretlager? Von den beiden Pedalen dreht auch nur das rechte leicht durch, das linke geht schwer. Da nützt alles Fetten und die Behandlung mit Silikonspray nichts. Billig, billig. Ich plane aber den Kauf zweier Markenräder für mich und für sie, die ich mir bei unserem vertrauenswürdigen Händler/Mechaniker noch etwas nach meinen Wünschen tunen werde, vor allem Beleuchtung mit LED. Ein guter Nabendynamo ist ein Muß. Und die deutsche Herstellerfirma gibt auf das Rad sogar 10 Jahre Garantie. Die bauen sogar die Rahmen noch selbst. Preisklasse pro Rad um die 500 Euro. Das zur Zeit zuverlässig reparierte Baumarktrad werden wir zum Bahnhofsrad umfunktionieren.

Gruß, HB

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