zum Buch Daniel (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Mittwoch, 12.10.2011, 14:36 (vor 4580 Tagen) @ Taurec (3324 Aufrufe)

für eine (text-)kritische Betrachtung des Ganzen, die in diesem Forum idealerweise > vorherrschen sollte, völlig untauglich.

... falls mit dem "Ganzen" das Buch Daniel gemeint sein sollte, so wüßte ich nicht, wie eine Textkritik hier auf dem Forum geleistet werden könnte, denn für eine solche Art der Anaylse wären nicht nur Kenntnisse in Hebräisch sondern auch in Aramäisch nötig.

Im Übrigen aber ist die Vorstellung von einer „Weltenwende“ geistesgeschichtlich nicht denkbar ohne gerade das Buch DANIEL. Denn dieses Buch wirft die Frage nach einer „Weltgeschichte“ und deren „apokalyptischer“ Endphase erstmals auf. Zuvor gab es in den Erzähltraditionen und Prophezeiungen nur solche Geschichten und Voraussagen, die aus der Perspektive eines einzelnen Volkes, Stammes, einer Stadt oder eines Reiches gesprochen wurden. Ab Daniel kann nun die gesamte „Weltgeschichte“ ins Visier genommen werden. Und der Autor des Buches Daniel liefert gleich eine weitere Idee mit: es könnte sein, dass die Weltgeschichte mathematischen Baugesetzen folgt.

Das Buch Daniel ist ferner hochinteressant, weil mit ihm innerhalb des Judentums zum ersten Mal ganz vorsichtig der Gedanke ausgesprochen wird, dass es eine "Auferstehung von den Toten" geben könnte – zuvor war dieser Gedanke den Juden völlig unbekannt. Auch die eigenartige Vorstellung von einem „Messias“ (chiffriert als „Menschensohn“, auf den sich Jesus vermutlich bezieht) wird zum ersten Mal im Buch Daniel formuliert. ***)

Wer dagegen glaubt, dass das Buch Daniel über den Gang der Geschichte eine Realaussage, eine Prognose oder eine Prophezeiung abgeben wolle (die womöglich auch heute noch eine Gültigkeit habe), der geht an den zentralen Aussagen des Buches völlig vorbei.

***) man muss aber vorsichtig sein, alle diese "neuen Gedanken" der jüdischen Kultur zuschreiben zu wollen; bereits der Hinweis auf das Aramäisch aber auch der Inhalt des Buches zeigt, dass es stark von Einflüssen aus "Neu-Babylonien" und Persien geprägt ist. Wenn ich einen geschichtsmorphologischen Vergleich a la Spengler versuchen wollte, so könnte ich sagen, der Autor des Buches Daniel greift in ähnlicher Weise fremdes Kulturgut auf (und verarbeitet es eigenständig weiter) wie etwa die europäischen Autoren des Spätmittelalters und der frühen Renaissance von den Arabern gewisse (oft antike) Kulturtraditionen übernommen haben.


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