Gott ist größer ... (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Mittwoch, 12.10.2011, 14:19 (vor 4577 Tagen) @ Elfe (3514 Aufrufe)

Hallo, liebe Elfe, vielen Dank für die schönen Zitate aus dem wundervollen Buch, vor allem aber auch für Deinen Schlußsatz (Glaube, Verstand und das "Sehen" nicht gegeneinander auszuspielen sondern zusammenzubringen), der meinen eigenen Intentionen in Bezug auf dieses Thema voll und ganz entspricht.

Unter den ersten Christengenerationen waren tatsächlich sehr viele „Schauende“. In der Pfingstler-Bewegung (seit 100 Jahren) zeigen sich ähnliche Phänomene wieder, wobei man gleichzeitig auch die kritischen Seiten neu erfährt. Wenn ich es richtig sehe, stammen auch der Grundriss und viele Bausteine der Weltenwende-VORSTELLUNG allesamt von Menschen, die in christlichem Sinne „sehr gläubig“ waren (Eismeerfischer, „Seher von Colmar“, Irlmaier usw.). Die Betonung liegt auf "sehr" - man kann nämlich nicht behaupten, diese Seher wären nur Christen gewesen, weil es zu ihrer Zeit nichts anderes gab - sie waren wohl auch in Glaubensangelegenheiten offenbar "überdurchschnittlich". Also lass Dich bitte nicht durch jene hier im Forum verunsichern, denen es offenbar Spaß macht, die Bibel und deren Leser zu beschädigen. Wie weit gespannt und tiefgründig die Texte der Bibel sind, darf ich mit folgender Kurzgeschichte illustrieren, die sehr an die ganze Problematik dieses Forums rührt und die nach meinem Wissen noch niemals hier diskutiert worden ist – obwohl sie das verdient hätte. Herzliche Grüsse, G.

J. lebte vor vielen, vielen Jahren an der östlichen Küste des Mittelmeeres. Er war von Schauungen geplagt. Ein Geist mit einem unaussprechlichen Namen verlangte Dinge von ihm, die auszuführen J. absolut keine Lust hatte. So zum Beispiel nötigte der Geist ihn in den Schauungen, dass J. in die Stadt N. gehen und dort verkünden solle, dass sie dem Erdboden gleichgemacht würde. Das empfand J. als unanständig, auch wollte er sich nicht lächerlich machen und hatte überdies eigene VORSTELLUNGEN über die Zukunft, die von dem, was der Geist ihm zeigte, völlig verschieden waren - J. unternahm also nichts.

Als der Geist aber nicht locker ließ und ihn weiter mit seinen Schauungen und Aufforderungen nervte, kam J. auf den Gedanken, es handele sich vielleicht um einen bösen Lokalgeist. Er versuchte diverse kleinere Ortswechsel, um weitere Schauungen zu vermeiden. Als das immer noch nicht half, kaufte er sich eines Tages kurz entschlossen ein Schiffsticket, um auszuwandern.

Der Geist hatte sich allerdings schon an seine Fersen geheftet, und ein paar Tage nachdem J. das Schiff bestiegen hatte, fing der Geist an zu poltern, schaukelte das Schiff auf gefährliche Weise und zog es in einen Sturm hinein. Der verzweifelte Kapitän wollte schon Teile der Ladung über Bord werfen lassen, um das Boot zu stabilisieren, da hatte J. die Nase gestrichen voll und fasste J. einen schwierigen, aber klaren Entschluss: er sprang selbst ins Wasser. Und siehe da, der Sturm beruhigte sich, das Schiff war gerettet und segelte weiter. J. aber wurde von einem großen Fisch gefressen.

Was dann geschah, ist immer noch eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Weltgeschichte. Der Fisch nämlich schwamm gemächlich, man sagt in vierzig Tagen, zurück ins Heimatland des J. und spuckte ihn dort quicklebendig an den Strand. Nachdem J. sich von all dem Sabberschleim gereinigt und getrocknet hatte, ging er schnurstracks und ohne etwas zu essen in die Stadt N. und zog dort vom Leder: "Wenn ihr nicht sofort Euch anders benehmt und wie ordentliche Menschen aufführt, dann wird der Geist, der mich geschickt hat, diese Stadt in vierzig Tagen dem Erdboden gleich machen." Sprach’s und verzog sich schleunigst wieder, denn er wollte weder verspottet noch verprügelt werden. Aber da ihn sehr interessierte, wie die Geschichte nun weiter verlaufen würde, ließ er sich in gehörigem Abstand von der Stadt N. auf einem Berg nieder, von dem aus er gute Sicht auf sie hatte. Inzwischen nämlich hatte er die VORSTELLUNG des Geistes übernommen, dass die Stadt tatsächlich vernichtet werden müsse.

Nach vierzig Tagen aber geschah gar nichts. Und als nach achtzig Tagen sich immer noch nichts getan hatte, änderte J. seine Frisur, rasierte seinen Bart, verkleidete sich und drückte sich abends in der Dämmerung als letzter verstohlen durchs Stadttor. Durch Herumhören in den Stadtschenken fand er heraus, dass nach seinem Auftritt zwar einige wenige Leute gefastet und die Priester etliche Opfer dargebracht hätten - der Bürgermeister verstreue auch jetzt noch ab und zu mahnende Worte - aber ansonsten war es die gleiche Stadt wie zuvor. Nach vierzig Wochen prüfte J. es erneut nach: die Bewohner der Stadt waren so liederlich wie in alten Zeiten - aber nichts geschah! J. konnte es einfach nicht glauben und blieb weitere Jahre auf dem Berg vor der Stadt, pflanzte Feigenbäume, saß in der heißen Sonne und blickte hinab, um zu sehen, wie die Stadt vernichtet würde. Er war zutiefst frustriert. Und wenn er nicht gestorben ist, dann sitzt er wohl heute noch dort und isst Feigen.

Die Geschichte von J. hat übriges ein pikantes Nachspiel. Denn der Geist, der ihn zunächst völlig in Ruhe ließ, meldete sich eines Tages wieder - wer möchte, der kann das Ende ja nachlesen in den Propheten der Juden, zwischen Obadja und Micha. Man es kaum fassen, wie viele Interpretations-Bücher über diese winzige Geschichte schon geschrieben wurden, irgendwie scheint sie ziemlich inspirierend zu sein: unter dem Stichwort „Jona“ bekommt man in der deutschen Nationalbibliothek mehr als 500 entsprechende Treffer.


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