Die Lage 1890

Geschrieben von franke43 am 15. April 2004 09:40:43:

Als Antwort auf: Re: Prophetische Landkarte von 1890 ? geschrieben von H.Joerg H. am 14. April 2004 20:50:58:

Hallo

Klar ist das Willem II, denn um den dreht sich ja die
ganze Karte.

Wir rekapitulieren:

Die beiden Kolonialmächte England und Frankreich
akzeptierten 1871 nur widerwillig die deutsche Reichs-
gründung. Frankreich blieb gar nichts anderes überig,
denn man hatte ja soeben gegen die preussische Armee
und ihre Verbündeten verloren. England hatte aber auf
dem Kontinent eine schwache Stellung, denn man hatte
ja auf Übersee und auf "Britannia rule the waves"
gesetzt. Frankreich und England waren gleichermassen
entsetzt über den schnellen Sieg, den die deutschen
Armeen (trotz fehlender nationaler Einheit) über die
französischen Kontingente Napoleons III errungen
hatten. Ausserdem war der Konflikt von Bismarck
durch die Emser Depesche bewusst herbeigeführt
worden.

Der erste gesamtdeutsche Kaiser überliess die Politik
weitgehend seinem Reichskanzler Bismarck, der sich
ja schon vorher realpolitisch bestens bewährt hatte.

Bismarck wusste, was vom neuen deutschen Reich erwartet
wurde: internationale Zurückhaltung und innere Aufbau-
arbeit. Auch sah er (moderner als Willem II) die
Zukunft Deutschlands eher in einer Industrialisierung
im Innern als in einer Expansionspolitik nach aussen.

Bismarck setzte also auf folgende Komponenten:

- Industrialisierung Deutschlands

- Zurückhaltende Aussenpolitik auf der Basis von
bi- und trilateralen Bündnissen

Im Klartext verzichtete Bismarck auf eine deutsche
Flotten- und Kolonialpolitik, um England und wohl
auch Frankreich zu beruhigen.

Wilhelm I starb 1888 und wurde - nach kurzem Interregnum -
von seinem enkel abgelöst. Der hatte völlig neue Ideen,
und die wurden 1890 allmählich klar:

- Das alte Schlachtross Bismarck wurde geschasst

- Der junge Kaiser nahm selber das Ruder in die Hand

- Der junge Kaiser setzte zusätzlich zur schnellen
Industrialisierung ("Gründerzeit") auch auf eine
expansionistische Aussen- und Flottenpolitik.

Wir kennen seine Mottos:

"Volldampf voraus !" "Deutschlands Zukunft liegt auf
dem Wasser" (Bau einer neuen deutschen Kriegsflotte)

"Ein Platz an der Sonne" (Schaffung deutscher Kolonien)

Damit war Englands Vormachtstellung zur See und in
Übersee bedroht. Deshalb wollte man wohl Deutschland
in den Zustand vor 1871 zurückversetzen. Und Franreich
wollte die verlorenen Ostprovinzen zurückhaben.

Unklar ist mir, warum Österreich auf der Karte
trotz dem Verlust Tschechiens so eine glänzende
Expansion (bis nach Griechenland) eingeräumt wurde.

Gruss

Franke



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