Re: Macht ist nicht gleich Recht

Geschrieben von Marc Malbec am 15. April 2004 15:16:17:

Als Antwort auf: Kriegsschuldfragen geschrieben von franke43 am 15. April 2004 12:22:58:

Hallo Franke,

ich fange mal von hinten an:

>Wie wir weiter unten gelernt haben, wollte sich
>A.H. nicht mit einer Wiederherstellung der Ostgrenze
>von 1914 zufrieden geben, und auch das war in Polen
>bekannt. Im Gegensatz zu vielen Deutschen hatten
>die polnischen eliten garantiert Hitlers "Mein
>Krampf" gelesen.

Da ist genau das Gegenteil richtig. Die Stelle in Mein Krampf besagt, daß keine Absicht besteht, die im Versailler Diktat abgetretenen Gebiete mit Gewalt
zurückerobern zu wollen. Deshalb ja auch der Verzicht auf Gebietsansprüche (Elsaß) an Frankreich. Bitte bei Schultze-Rhonhof nachlesen.

Die Todsünde Adolfs, wieder Schultze-Rhonhof, war der Einmarsch in die Tschechoslowakei, ein offener Verstoß gegen das Münchner Abkommen. Deshalb sei in London und anderswo der Entschluß gereift, Deutschland in der Danzig-Frage, wo das Recht zweifellos auf deutscher Seite war (anders als beim Einmarsch in Prag!) um jeden Preis scheitern zu lassen.

Das war der Sprengsatz, der schlußendlich den 2. WK gezündet hat. Dieses nicht erkannt zu haben, ist die politische Todsünde von 1939.

>Also es ist ja hinlänglich bekannt, dass man in der
>Geschichte nicht immer nach dem einfachen Verfahren
>vorgehen darf, das nicht mal im Sandkasten bei
>balgenden Kindern immer richtig ist:
>"Wer hat angefangen ?"

Von mir aus. Aber wenn, dann auch für die Jahre 1914 und 1939.

>Beim Krieg 1870/71 hat Bismarck offenbar eine Taktik
>verwendet, die die Boulevardpresse heute ständig im
>Gebrauch hat:
>Verfälschung durch gezieltes Weglassen

Ja.

>Allerdings war es von Napolen III auch naiv zu glauben,
>Bismarck werde Frankreich als Stillhalteprämie deutsches
>Land opfern,

Nein. Bismarck hat es ihm aller Wahrscheinlichkeit mal in Aussicht gestellt, ohne eine verbindliche Zusage zu geben. So über´n Tisch in Schampuslaune muß man sich das vorstellen. Du unterschätzt Bismarcks ungeheure geistige Beweglichkeit, seine an schiere Prinzipienlosigkeit grenzende politische Taktik. Der hätte seine Großmutter verkauft, um Erfolg zu haben. Verkauft vielleicht nicht, er hätte sie zum Verkauf angeboten.

>österreichische Krieg 1866 um die Durchsetzbarkeit der
>kleindeutschen Lösung geführt wurde. Wie konnte man in
>Frankreich glauben, dass dann deutsches Land im Westen
>abgetreten werde, wenn man doch genau dieses Land
>(anders als die Habsburger Kronlande) im kleindeutschen
>Reich vereinigen wollte ?

Bismarck wußte, wo man Frankreich kitzelt. Für den Gebietwunsch Napoleons II gab es eine Präzendenzfall. Für seine militärische Unterstützung der italienischen Einigung hat Frankreich Gebietsabtretungen verlangt, und auch bekommen. Teile Savoyens und der Cote d` Azur. Nizza, Menton und andere Städte waren mal italienisch!

>Die Angst vor Einkreisung ist verständlich, wenn man
>bedenkt, dass Frankreich ja durch die Kaiserwahl
>Karls V in Deutschland (1519) schon einmal eingekreist
>und danach mit Krieg überzogen worden war.

Warum nicht auch im Falle Deutschlands, wo im 30jährigen Krieg das Land zum ersten Mal Spielball und Schlachtfeld fremder Mächte geworden ist?

>Dahingegen hatte Frankreich gegenüber Deutschland 1914
>keine Einkreisung vorgenommen, lediglich waren der
>russische Zar und Frankreich verbündet.

Was ist denn ein französisch-russisches Bündnis anderes, als eine perfekte Einkreisung, eine Zange, die Deutschland zerquetscht? Monate vor dem Attentat von Sarajewo ist der damalige französische Außenminister Poincare nach Petersburg gereist, und hat das Bündnis mit Rußland perfekt gemacht. Sein Kommentar anschließend, ich zitiere frei: "Ich habe den Krieg im Gepäck."

>Ausserdem war es ja auch Deutschlands Fehler, dass man die alten
>Bündnisse der Bismarckzeit höhnisch und überheblich
>verfallen liess, anstatt sie tunlich zu verlängern.

Absolut einverstanden. War es Wahnsinn oder Hochverrat, der im Auswärtigen Amt regierte?

>Aber es stimmt schon: auch 1914 kann die Kriegsschuld-
>frage nicht eindeutig geklärt werden, sie wurde nur per
>Diktat mit vorgehaltener Waffe 1919 "geklärt".

Ja, darauf will ich hinaus.

>Was 1939 anbetrifft, so gab es Gründe für Kriegs-
>drohungen gegen Deutschland spätestens ab dem
>Einmarsch ("Anschluss") in Österreich, wo man von
>deutscher Seite die Volksabstimmung hätte abwarten
>sollen.

Wie bitte? Wenn Schottland zu England kommt, gibt es Grund für Kriegsdrohungen? Wir reden nicht mehr von der Donaumonarchie in ihrer großen Ausdehnung, sondern nurmehr von deutsch-österreichischen Kernland, dem geographischen Hühnerschenkel.

Daß der Anschluß in den jedem Völkerrecht hohnsprechenden Versailler Bedingungen untersagt war, ist klar. Nur, was ist ein Vertrag wert, der nur EINE Seite verpflichtet, und bei dem die andere Seite noch nicht einmal die Bedingungen einzuhalten bereit ist (Abrüstung), die sie selber ausgehandelt und unterschrieben hat?

>Polen sah sich bereits 1934 noch unter
>Pilsudski durch die deutsche Aufrüstung bedroht,

Noch mehr Grund haben andere Länder gehabt, sich durch lauthals vorgetragene großpolnische Expansionsgelüste bedroht zu fühlen; sogar Russland.

>...zumal man in Polen wusste, dass die polnische
>Unabhängigkeit gegen deutsche Interessen und
>unter Inanspruchnahme deutscher Territorien
>durchgedrückt worden war, obwohl Deutschland im
>Osten 1918 Siegermacht war und nicht Verlierer.

Polen war Profiteur des Versailler Verbrechens-Vertrags. Kann jemand, der wisenrtlich von einem Verbrechen profitiert, daraus Ansprüche ableiten?

>Gebietsabtretungen trotz siegreichen Feldzugs hatten
>viele in Deutschland nicht eingesehen, und das
>wusste man in Polen. Wobei der Verlust des ober-
>schlesischen Kohlereviers besonderen Ärger erregt
>hatte.

Man muß halt Macht und Recht auseinanderhalten. Die neue deutsche Gehirnwäsche eines Guido Knopp geht dahin, diesen Unterschied wieder zu verwischen. Und keiner merkt, daß das Ineinssetzen von Macht und Recht nichts anderes darstellt, als den Wesenskern des Faschismus.

Marc Malbec


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