Kriegsschuldfragen

Geschrieben von franke43 am 15. April 2004 12:22:58:

Als Antwort auf: Re: Die Emser Depesche. Pressemitteilung provoziert Kriegserklärung geschrieben von Marc Malbec am 15. April 2004 11:07:45:

Hallo

Also es ist ja hinlänglich bekannt, dass man in der
Geschichte nicht immer nach dem einfachen Verfahren
vorgehen darf, das nicht mal im Sandkasten bei
balgenden Kindern immer richtig ist:

"Wer hat angefangen ?"

Beim Krieg 1870/71 hat Bismarck offenbar eine Taktik
verwendet, die die Boulevardpresse heute ständig im
Gebrauch hat:

Verfälschung durch gezieltes Weglassen

Allerdings war es von Napolen III auch naiv zu glauben,
Bismarck werde Frankreich als Stillhalteprämie deutsches
Land opfern, wo man doch genau wusste, dass der deutsch-
österreichische Krieg 1866 um die Durchsetzbarkeit der
kleindeutschen Lösung geführt wurde. Wie konnte man in
Frankreich glauben, dass dann deutsches Land im Westen
abgetreten werde, wenn man doch genau dieses Land
(anders als die Habsburger Kronlande) im kleindeutschen
Reich vereinigen wollte ?

Die Angst vor Einkreisung ist verständlich, wenn man
bedenkt, dass Frankreich ja durch die Kaiserwahl
Karls V in Deutschland (1519) schon einmal eingekreist
und danach mit Krieg überzogen worden war.

Dahingegen hatte Frankreich gegenüber Deutschland 1914
keine Einkreisung vorgenommen, lediglich waren der
russische Zar und Frankreich verbündet. Aber in Moskau
(bzw. St. Petersburg) und Paris sass nicht dieselbe
Monarchenfamilie auf dem Thron. Ging ja auch nicht, da
Frankreich seit 1871 wieder Republik war. Ausserdem war
es ja auch Deutschlands Fehler, dass man die alten
Bündnisse der Bismarckzeit höhnisch und überheblich
verfallen liess, anstatt sie tunlich zu verlängern.

Aber es stimmt schon: auch 1914 kann die Kriegsschuld-
frage nicht eindeutig geklärt werden, sie wurde nur per
Diktat mit vorgehaltener Waffe 1919 "geklärt".

Was 1939 anbetrifft, so gab es Gründe für Kriegs-
drohungen gegen Deutschland spätestens ab dem
Einmarsch ("Anschluss") in Österreich, wo man von
deutscher Seite die Volksabstimmung hätte abwarten
sollen. Und Polen sah sich bereits 1934 noch unter
Pilsudski durch die deutsche Aufrüstung bedroht,
zumal man in Polen wusste, dass die polnische
Unabhängigkeit gegen deutsche Interessen und
unter Inanspruchnahme deutscher Territorien
durchgedrückt worden war, obwohl Deutschland im
Osten 1918 Siegermacht war und nicht Verlierer. die
Gebietsabtretungen trotz siegreichen Feldzugs hatten
viele in Deutschland nicht eingesehen, und das
wusste man in Polen. Wobei der Verlust des ober-
schlesischen Kohlereviers besonderen Ärger erregt
hatte.

Wie wir weiter unten gelernt haben, wollte sich
A.H. nicht mit einer Wiederherstellung der Ostgrenze
von 1914 zufrieden geben, und auch das war in Polen
bekannt. Im Gegensatz zu vielen Deutschen hatten
die polnischen eliten garantiert Hitlers "Mein
Krampf" gelesen.

Gruss

Franke


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