Die Diskussion lohnt
Geschrieben von franke43 am 16. April 2004 15:43:11:
Als Antwort auf: Re: Wollte nie gegen Polen polemisieren geschrieben von Marc Malbec am 16. April 2004 14:47:03:
Hallo
>Hallo Franke,
>die Komplimente hast Du sehr wohl verdient. Vor allem Deine Einsicht in Sachen >Bismarck hebt Dich aus den Heerscharen der politisch korrekten Mehrheit >himmelweit heraus; egal, ob Deine Äußerung intuitiv aus dem Bauch heraus >gekommen ist, oder historisch fundamentiert war.Dabei kenne ich Bismarck nur aus drei Zusammenhängen:
- Aus einem kleinen Teilstück seiner Autobiographie,
in dem er eienn Urlaub hier in Schweden berichtet hat- Aus Carl Amery´s SF-Roman "An den Feuern der Leyermark",
in dem Bismarck als "Trutz von Donnersmark" vorkommt. Der
Bayer Amery hatte von Bismarck eine sehr hohe Meinung- Aus einer kleinen Bildergeschichte von Wilhelm Busch
zum Krieg 1870/71, in dem Busch sich als Anhänger von
Bismarck offenbart hat.>Gestern wollte ich zu Deinem Talleyrand-Vergleich noch eine Ergänzung >schreiben, und bin froh, daß ich jetzt dazu die Gelegenheit habe.
Den habe ich (glaube ich) auch von Amery.
>Bismarck selbst bezeichnet sich in seinen Memoiren mehrfach als typischer >Höfling, und am Ende des Buches sogar als deutsche Ausgabe von Kardinal >Richelieu. Ich bin sowieso der Ansicht, daß Bismarck so ziemlich der einzige >deutsche Politiker gewesen ist, der französische Politik, d.h. Politik nach >französischen Mustern getrieben hat.
Bismarck hat jedenfalls eine intelligente "Politik des
Möglichen" gemacht.
>Du müßtest mal lesen, welch großen Eindruck Bismarck während seines >Aufenthalts in Biarritz auf Prosper Merimee (Autor der Novelle Carmen, die >später von Bizet veropert wurde) gemacht hat. Du würdest Deinen Augen nicht >trauen, wie sich Merimee äußert. Er sagt, ich muß wieder stehend freihändig >zitieren: "Bismarck ist mein Held. Er ist ein Mensch ohne jedes Gemüt (sic!), >aber voller Geist und mit perfekten Umgangsformen. Als einer der wenigen >scheint er die Deutschen als das erkannt zu haben, was sie sind, >Einfaltspinsel." (Quelle: Irgendwo bei Moritz Busch, Bismarcks Pressemensch)Der andere Busch (Wilhelm) hat das Thema Bismarck bzw.
deutsches Reich kontra Partikularstaaten auch in seiner
Bildergeschichte "Der Geburtstag oder die Partikularisten"
auf den Punkt gebracht. Die Partikularisten sind Bauern
in einem Dorf, die davon träumen, dass das Königreich
Hannover wieder aufersteht, und die einem Angehörigen des
Hauses Hannover zu irgendeinem Geburtstag ein Geschenk
überreichen wollen.>Auch in einem Roman von Guy de Maupassant findet sich eine Eloge auf >den "Eisernen".
Wie erwähnt: ich kenne hauptsächlich die Eloge des
Bayern Amery.>In der Frage der polnischen Grenzen bin ich völlig ahnungslos. Um >Mißverständnisse zu vermweiden, möchte ich sagen, daß ich keine Sekunde jemals >daran gedacht habe, das Existenzrecht eines eigenständigen polnischen Staates >zu bestreiten. Was ich für mich und Deutschland einfordere, bin ich >selbstverständlich bereit, auch anderen zuzugestehen.
Habe ich auch angenommen.
>Ob jedoch Danzig und andere Städte sowie Schlesien so ohne weiteres dem >polnischen Gebiet zuzuordnen sind, dahinter darf man wohl ein Fragezeichen >setzen.
Danzig war Hansestadt. Die deutsche Kolonisierung von
Ostpreussen einschl. Gründung der Hansestadt Danzig
wurde unter Anerkennung der Oberhoheit der polnischen
Krone und auf deren Auftrag in Gang gesetzt. Der
deutsche Orden musste den polnischen König als obersten
Lehensherrn anerkenne. Als der Orden sich unabhängig
erklären wollte, kam es zwischen dem Orden und dem
polnischen Heer zur ersten Schlacht von Tannenberg
(1410: in polnischen Büchern die Schlacht von Grunwald).
Der Orden verlor und musste weiterhin die Lehens-
verpflichtungen anerkennen. Auch Schlesien war so
eine Gegend, die unter Duldung oder im Auftrag der Polen
kolonisiert wurde.>War nicht August der Starke König von Polen.
Ja, aber Polen war ein Wahlkönigtum, und August hatte
eben Anhänger im polnischen Adel. Er musste für diese
Wahl mit dem gesamten Hof zum Katholizismus übertreten.>Für wen hat Bach seine h-moll Messe geschrieben?
Für den Dresdner Hof, richtig.
>Und wie sieht es mit den schlesischen Dichtern Gryphius, Opitz und Hofmann von >Hofmannswaldau aus, und wer hat den schlesichen Webern literarische Denkmäler >gesetzt?
Zur damaligen Zeit war nicht entscheidend, welche Sprache
gesprochen wurde, sondern unter welcher Lehenshoheit man
sich befand (dynastische Politik). So waren die Elsässer
und Lothringer ab den späten 17. Jahrhundert deutsch-
sprachige Franzosen und die deutschsprachigen Vorpommern
Schweden, die tschechischsprachigen Böhmen und Mähren
Österreicher usw. usf. Schlesien kam dann irgendwann
zu Österreich (genau wie Böhmen und Mähren) und wurde
erst dann den Österreichern durch Preussen unter
Friedrich II (der mit dem Nehmen und Zurückgeben)
abgejagt (1.-3. Schlesischer Krieg).>Um auf 1919 zurückzukommen, müßten wir fragen, ob die drei genannten >Verursacher der polnischen Teilungen annähernd gleichgewichtig belastet wurde, >und vor allem, ob und inwiefern die deutschen Gebietsabtretungen nicht endlich >als Reparationsleistungen verrechnet werden sollten?
Hat Deutschland damals an Polen Reparationszahlungen
geleistet ? Schliesslich war ja ein grosser Teil des
Kriegs an der Ostfront auf polnischem Territorium
(wo auch sonst ?) ausgefochten worden.>>Hier handelt es sich eben nicht um Gebietsansprüche
>>aus einer fernen Vergangenheit. Genau wie die deutsche
>>Nation existierte die polnische Nation trotz der
>>Fremdherrschaft weiter, nämlich als intakter Sprach-
>>und Kulturraum. Die Polen waren zwar von den Nachbarn
>>unterjocht, wohnten aber immer noch in ihren Siedlungs-
>>gebieten und pflegten die "Idee" Polen weiter. Deshalb
>>lautet ja der anfang der polnischen Nationalhymne:
>>"Noch ist Polen nicht verloren"
>Die Bemerkung zielte auf die geographische Eingrenzung der im Prinzip >berechtigten polnischen Ansprüche.Selbst ein Fntane musste zugeben, dass die östlichen
Teile Preussens eigentlich polnisch waren, vor
allem die Gebiete Posen und Westpreussen.>>Im Falle Polen setzte sich
>>Woodrow Wilson und sein Konzept vom recht
>>der Völker auf selbstbestimmung durch.
>Warum gilt das Recht auf Selbstbestimmung der Völker für Polen, Tschechen >etc., aber wenn Deutsche davon Gebrauch machen (Anschluß Österreichs) glaubt >man darin eine Rechtfertigung zum Krieg zu sehen?Offenbar war man der Meinung, dass sich die deutsch-
sprachigen Österreicher dazu erst eine Meinung bilden
mussten. Und die Deutschösterreicher waren sehr
gespalten (es gab ja auch "Austriazisten"), weshalb
A.H. vor der Abstimmung 1938 Angst hatte.>Wenn amerikanische Politiker vom Selbstbestimmungsrecht der Völker reden, >erinnert mich das stark, sehr stark an eine Keuschheitspredigt von Papst >Alexander VI., Johannes XXIII (Baldassare Cossa) oder einem Paul - ich weiß >nicht, welche Hausnummer -, der sich von Tizian mit seinen Enkeln (!!!) hat >porträtieren lassen.
Damals ist nicht heute, aber gut: das Selbstbestimmungs-
recht der indianischen Völker wurde seitens der
eingewanderten Gringos wirklich sehr "flexibel"
gesehen, und das zu einer Zeit, die Woodrow Wilson
geprägt haben dürfte. Auch das Recht der Südstaaten
auf den Austritt (Sezession) aus der Union wurde in
den puritanischen Nordstaaten nicht goutiert. Aber
das kann man als "innere Angelegenheit" durchgehen
lassen.>Man stelle sich das mal vor, ein Papst sitzt Tizian, dem Porträtisten der >Kaiser und Könige mit seiner Nachkommenschaft Modell. Die Mätressen blieben, >das war wohl selbst dem Heiligen Stuhl zu starker Tobak, ausgespart.
Dazu sollen sich Hubert und Zwobbel äussern.
>Wie rührend sich der Papst, ich weiß wieder nicht genau, welcher, um seine >Nachkommen (!!!) kümmert, und sie in seiner väterlichen Güte mit Pöstchen und >Pfründen versorgt, steht bei Montaigne, in seiner "Reise nach Italien", in >direktem Zusammenhang mit einer Papst-Audienz, bei der er dem Heiligen Vater >die Pantöffelchen küßt.
Sag mal, was hast Du eigentlich alles gelesen ?
>Der Vatikan im Stil der Neuen Zeit (Peter Stuyvesant-Reklame) steht in >Washington D.C. Und wie bei den Päpsten früherer Zeiten gelten >Einschränkungen, Auflagen und Vorschriften (= Selbstbestimmungsrecht d. >Völker) jederzeit für andere, aber niemals für sie selbst oder ihre >Verbündeten und Angehörigen.
Das kennen wir aus eigener Erfahrung, und auch andere
Völker können das bestätigen.>Und dafür verlangen sie, daß man ihnen die Füße küsst.
Ich tue es nicht, auch nicht sprachlich, d.h. ich weigere
mich Denglisch zu sprechen oder zu schreiben.>Obwohl bekennender Atheist, scheint mir im Moment die Tyrannis der alten >Päpste erträglicher als die Despotie der USA.
Mir auch.
>Marc Malbec
Gruss
Franke
- Re: Europa als riesiges Pferdegestüt? Marc Malbec 16.4.2004 17:05 (0)
- Re: Es lebe der Herzog, der Vater im Lande Marc Malbec 16.4.2004 16:29 (0)