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Sinn (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Samstag, 27.03.2021, 21:49 (vor 1126 Tagen) @ Isana Yashiro (618 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Samstag, 27.03.2021, 21:56

Hallo!

Den Begriff Sinn gibt es nur im Deutschen. Man meint gerne das müßte anders sein, weil keinen Sinn im Leben mehr zu sehen als Symptom einer Suizidneigung gilt. Oder weil „Sinn machen“ doch ein Anglizismus ist. „Sinn machen“ würde ins Englische übersetzt jedoch „to create meaning“ ergeben. „Sense“ ist höchstens Sinn im Sinne von „alle fünf Sinne beisammen haben“. Sonst trifft meistens „meaning“ oder „purpose“, manchmal auch „reason“. Den Sinn des Lebens müssen die Engländer sich als „raison d’être“ aus dem Französischen holen. Deshalb wird in Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ nicht nach dem Sinn von allem, sondern nach der Antwort gefragt, woraufhin der zweitgrößte Computer in Raum und Zeit erstmal nachfragen muß, um sich langsam an das heranzutasten, was gemeint sein könnte.

"Sinn", vom althohdeutschen "sinnan" (reisen, streben, trachten) und der indogermanischen (rekonstruierten) Wurzel "sent" (gehen, reisen, fahren) abstammend, enthält ein Bewegungselement, vgl. "Drehsinn" für "Rotationsrichtung". Diesen besonderen Bedeutungsgehalt gibt es wohl tatsächlich nur im Deutschen (oder haben sich die nordgermanischen Völker dies ebenfalls bewahrt?). Weder "meaning" ("Bedeutung", eigentlich von "meinen"/denken abstammend), noch "purpose" ("Zweck", von lat. "proponere", also "vorstellen"), noch "raison" (von lat. "ratio" = "Berechnung") haben diese Bedeutung, die eigentlich eine Bewegung auf ein Ziel hin meint.
Ein Leben das Sinn hat, kennt ein Ziel, hat also Richtung und bewegt sich darauf zu. Daran läßt sich erkennen, warum "Sinn machen" ein so überaus dämlicher Anglizismus ist, der jegliches Sprachgefühl vermissen läßt. Das englische "sense" stammt nämlich vom lateinischen "sensus" (u. a. "Meinung", "Urteil", "Wahrnehmung") ab. "Make sense" heißt, "ein (stimmiges) Bild machen". Das überschneidet sich mit dem deutschen Sinn allenfalls in der Spezialbedeutung als Wort für die körperlichen Sinne (Wahrnehmung), das sich wohl vielmehr daraus ableitet, daß man mittels ihrer auf etwas sinnt (also nach etwas trachtet) und sich darauf ausrichtet (was mit "sensus" nichts zu tun hat).

Wer also nach dem Sinn der Schauungen fragt, will wissen, was Schauungen sollen, also welchem Zwecke ihre Existenz gilt. Insofern das Schauen ebenfalls ein Sinn ist (nämlich der "sechste Sinn"), ist ihr Sinn klar: Sie dienen der Orientierung, der Ausrichtung, der Weg- und Sinnfindung. Das bedeutet, daß ihr Sinn wohl in hohem Maße von dem Seher abhängt oder von dem Adressaten der Schauung, für den der Seher das Medium ist.

Das ist wohl in allen Kulturen ähnlich. Jedoch liegt der Interessensschwerpunkt bei den Deutschen in der Lebenssinnfindung und der Orientierung in "unsicheren Gewässern", weil sie als faustisch-dynamische Menschen stets in Bewegung und immer auf dem Wege sind. Das spiegelt sich in ihrer Sprache wider. Möglicherweise erwartet man in anderen Kulturen weniger die Aufklärung des Weges als z. B. eine Wahrheit über sich selbst oder ein göttliches Urteil.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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