an das dreigestirn; vom einhorn (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Mittwoch, 02.11.2011, 19:13 (vor 4559 Tagen) @ BBouvier (5205 Aufrufe)

@detlef

im normalen sprachgebrauch würde ich sagen, "ultimus" und "extremus" sind beide gleichwertig. wenn man es aber rabbinisch differenzien will, dann vielleicht so:

bei etwas qualitativem (geruch, geschmack, emotion, leistung etc.) würde ich extremus bevorzugen, bei rein quantitativen verhältnissen (zeit, raum, reihungen, scalen) würde ich ultimus nehmen.

insofern enthält "persecutione extrema" zunächst die bedeutung einer qualitativ "sehr schlimmen" verfolgung, schließt aber die bedeutung einer "zeitlich letzten" verfolgung nicht aus (die ja auch durch das FINIS angedeutet wird). hätte der autor "ultimus" genommen, also rein zeitlich die letzte, dann hätte er die andere Bedeutung verschenkt. extremus ist somit umfassender.

@taurec

im mittelalter war der autor eines buches nicht der autor im heutigen sinn, d.h. als ein kreativer einzeltäter und verantworter. vielmehr waren die bücher damals (etwa auch die kunstwerke) zunächst auftragswerke, hinter denen die autoren zurücktraten. im klösterlichen bereich herrschten solche verhältnisse auch am ausgang des 16. jahrhunderts noch. WION hatte also sein projekt mit seinen vorgesetzten zu besprechen. sehr wahrscheinlich wurde ihm die liste gegeben, vermutungen dazu findest zu bei H.TROLL

die vatizinien für die zukunft stammen sehr wahrscheinlich von jemand, der der schau fähig war, und zwar in überdurchschnittlichem masse. zugleich mußte er freude am spiel, vor allem mit begriffen haben. deswegen fiel der verdacht auf FILIPO NERI.

ein dritter hat die rückwärtige liste angefertigt, es sollte ein versierter kirchenhistoriker gewesen sein, vermutungen findest du ebenfalls bei H.TROLL. und schliesslich gab es wohl einen anlass, dass man die liste veröffentlichte, er ist sehr wahrscheinlich völlig zeitgebunden gewesen, mithin "zufällig". denn normalerweise behält man solche listen im geheimen kreis. wenn sie was taugen - was sich aber erst nach jahrzehnten oder jahrhunderten heraustellt ...

@BB

das europäische mittelalter war die epoche der großen fälschungen. das ist, in diesem ausmass, ein kuriosum der weltgeschichte (es wurden viele bücher über dieses eigenartige phänomen geschrieben). die größte und folgenreichste fälschung war die "konstantinische schenkung". aber vor allem die habsburger haben bis zuletzt (heißt: bis zum aufkommen kritischen denkens ab der renaissance) überaus kräftig gefälscht, vorwiegend in erbangelegenheiten und diplomatischen stücken. insofern liegt die rückwärtige vatinzinienreihe (vor 1590) voll im trend der damaligen zeit, wo fälschungen nochh zum guten (alten) ton gehörten.

eine inhaltliche analyse der einzelnen vatizinien halte ich für eine zeitverschwendung, aber viele von ihnen sind sehr treffend. GLORIA OLIVAE halte ich persönlich für eine der klarsten aussagen. und übrigens auch das "aquila rapax" - denn man kann einen mann, wenn er ein NICHTS war, auch dadurch charakterisieren, dass man den nennt, der ihn zu einem NICHTS machte - und das war eben napoleon, der sich selbst den adler als "sein zeichen" erkoren hatte.

an der malachiasreihe ist allein interessant der satz nach "gloria olivae", über den das letzte wort im augenblick nicht gesprochen werden kann. dass sich ein gewählter papst den PETRUS als papstnamen auswählt, halte ich für ausgeschlossen. deswegen dürfte dieser name entweder auf die bürgerliche herkunft deuten. oder er ist ein epitheton, das zeitgenossen und spätere generationen ihm geben mögen. oder es handelt sich wieder um eine dieser verklausulierungen. der erste petrus wurde in rom hingerichtet, kam vom land bzw. vom see, war verheiratet, wurde berufen, war ein schneller möchtegern und versager, aber - nachdem er verstanden hatte - eine außerordentlich starke gestalt. lektüreempfehlung: martin hengel, der unterschätzte petrus, tübingen 2007 (etwas akademisch, aber der wahrheit verpflichtet, soweit das nach 2000 eben möglich ist).

grüsse, gerhard


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