Re: Fred, oder wie er die Welt sieht

Geschrieben von HotelNoir am 27. Juni 2006 12:41:44:

Als Antwort auf: Re: Fred, oder wie er die Welt sieht geschrieben von detlef am 26. Juni 2006 14:59:51:

>moin,
>>>auch wenn die technik heute anders entwickelt ist, als bei den roemern, der ruecksichtslose egoismus/individualismus ist der gleiche.
>>***Hallo Detlef
>>Egoismus und Individualismus sind nicht dasselbe. Mir scheint Du verwechselst das hier. Egoismus ist immer da, auch in sippenhaft organisierten Gemeinschaften. Anpassung an Strukturen kann genau so egoistisch sein wie die Nicht-Anpassung. Das ist eine Frage der Motivation.
>ja, du hast recht. ich hab mich da falsch und undeutlich ausgedrueckt.
>erstens wollte ich nicht ausdruecken, dass egoismus und individualismus sich gleichen, sondern, dass sie beide bei den roemern gleich stark gewesen seien, wie heute.
>egoismus - ja. das ist nicht das passende wort. egozentrik duerfte wohl besser ausdruecken, was ich sagen will.
>>... Individualismus ist etwas komplett anderes, weil er auch dazu führen kann, sehr hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mitmenschen zu entwickeln. Einen Individualisten bringst Du auch kaum dazu, im Namen von irgendwem Krieg zu führen. Individualismus bedeutet auch Selbstbesinnung, d.h. die Weigerung Werte der eigenen Kultur stillschweigend zu übernehmen.
>da muss ich dir recht geben. mit der einschraenkung, dass ich dies nicht unbedingt fuer positiv halte. denn individualismus verweigert nicht nur kriege, sondern auch ideale. einen echten individualisten zieht keine idee auf die strasse. (hoechstens an die tastatur)

***Hallo detlef,
genau, ein wahrer Individualist lässt sich von keiner Macht für seine Zwecke missbrauchen. Er ist sein eigener Herr. Mir sind die möglichen problematischen Begleiterscheinungen wie Egozentrik, Hedonismus, Verweigerung bewusst, aber genauso viele problematische Begleiterscheinungen hat der Idealismus zu bieten. Denn Hand aufs Herz, die vielen tollen politischen Ideen der letzten Jahrhunderte, was ist dabei rausgekommen? Unterm Strich dienten die "Ideen" immer nur ein paar wenigen, die sich daran bereichern konnten.

>stell dir mal vor, die pariser waeren damals alle individualisten gewesen. die franzoesische revolution haette niemals stattgefunden.
>mit individualistischen siedlern waere ganz nordamerika jetzt noch englische kolonie...
>der individualismus ist eigentlich ein schleichendes gift, dass die gesellschafts- und kulturbildenden ideale langsam meuchelt.

***Ohne Individualisten hätten wir auch vieles nicht, die ganze menschliche Forschung z.B. setzen immer ein hohes Mass an Individualismus voraus. Ich sehe das so: die Welle (Individualismus) braucht das Meer (angepasste Masse). Insofern geht es mir nicht darum was besser oder schlechter ist, nur ist für mich ganz klar, dass ich meine Gedanken und meinem Leben keiner Ideologie unterordne. Ich tue und lasse was mein Gewissen mir sagt. Ich beuge mich keiner Moral.

>>>>Klar wird tendenziell die Gruppe in dem Masse wichtiger, wie der Überlebenskampf zentrales Thema ist. Insofern ist der Individualismus eine Folge von Wohlstand und Wohlstand führt irgendwann wohl immer zu Dekadenz und Zerfall und in der Folge wieder zu barbarischen Zeiten.
>>>ja. ich lehne mich da stark an oswald spengler.
>>>der hat schon vor dem ersten weltkrieg spaeter zutreffende prognosen ueber die gesellschaftliche entwicklung gemacht. durch vergleiche verschiedener kultur/zivilisationskreise.
>>>wenn wir die darwinistisch/christliche evolutionslehre (alles neuere ist besser, als das vorherige) konsequent betrachten wuerden, muessten wir dann nicht zugeben, dass wir trotz, oder gerade wegen all unserer technischen entwicklungen als spezies ein evolutionaerer irrtum waeren?
>>***Weisst Du denn wie die ganze Geschichte ausgeht? Dann kannst m.E. auch nicht behaupten, dass unsere Spezies ein Irrtum
>nun, im darwinistisch / christlichen system, (ich fasse die beiden zusammen, weil sie beide eine zielgerichtete entwicklung zum hoeheren, besseren postulieren) wuerde die geschichte negativ ausgehen muessen.

***Warum? Die Komplexität steigt, damit die (moralische) Intelligenz. Das ist bereits eine Weiterentwicklung.

>bei dem von mir angenommenen zyklischen modell geht die sache garnicht aus, sondern sie faellt und steigt mit verschiedenartigen entwicklungen.
>Beispiel: wir halten uns zwar fuer technisch am hoechsten entwickelt, (wenn man die megalit-bauten der vor-antike ignoriert) doch sind wir lichtjahre entfernt von einem sozialen system, dass dauerhaft funktioniert. wie es etwa die inkas hatten, die sich freiwillig technisch beschraenkten. (raeder nur an spielzeug, nicht in der wirtschaft)das system war "ewig". es konnte nur von aussen zerstoert werden.

***Würde man ein die Menschen aus dem Mittelalter in die heutige Zeit setzen, wären sie den sozialen Anforderungen m.E. nicht gewachsen. Ihre moralische Entwicklung entspräche nicht dem heutigen Stand und die meisten würden zwangsläufig asozial und kriminell. Je komplexer die Gesellschaft, desto komplexer die Regeln.

Auch das meine ich nicht wertend, ich sehe die ganzen Probleme und das "low-life" des modernen westlichen Menschen auch und finde die gängige Meinung, dass wir alten Kulturen überlegen sind, falsch und verlogen. Aber die Komplexität ist ein Lernfeld.

>weil es eigentlich auch dazu gehoert, antworte ich auf dein anderes posting auch hier:
>...Je höher die Komplexität umso höher auch die moralische Entwicklung. Man kann also davon ausgehen, dass in der modernen westlichen urbanen Gesellschaft der Einzelne durchschnittlich eine höhere - sprich biophilere - Moral vertritt als ein Eingeborener in einem afrikanischen Dorf, weil ersterer sich viel mehr Gedanken über die Moral machen muss.
>Ich wage mal zu behaupten, dass eine so komplexe Gesellschaft wie unsere heutige in der uns bekannten Weltgeschichte noch nie dagewesen ist. Deshalb ist auch die moralische Entwicklung durchschnittlich so hoch wie noch nie. Sichtbar wird das z.B. daran, dass Angriffskriege oder die Versklavung eines Volkes oder einer Rasse nicht mehr so einfach moralisch zu rechtfertigen sind.

>ich frage mich, ob wir unter moral verschiedenes verstehen.
>bist du ein stadtmensch? - ich war ein stadtmensch, und bin inzwischen schon sehr lange ein landmensch.
>ich bin heute der ueberzeugung, dass sich (die hoehere) moral vorwiegend in schwierigen situationen zeigt.
>fuer mich ist, auf afrikanische art, mit der oma in der familie gemeinsam zu hungern wesentlich moralischer, als dem "staat" die versorgung der eigenen vorfahren aufzubuerden.
>ich koennte jetzt einige seiten beispiele anfuehren, aber ich setze voraus, dass du auch so meinen standpunkt verstehst.
>nur noch "biophil"... was, bitte, soll an zubetonierten pestbeulen = großstaedten biophil sein? der naturzerstoerende verschwenderische lebensstil? das essen aus nahrungsfabriken? die energievergeudung? die vereinsamung der menschen?

***Nötige Zwischenschritte zu einer Homöostase auf höherem Niveau. Oder Zusammenbruch, wenn der Zustand nicht aus eigener Kraft überwunden werden kann.

Grüsse HotelNoir

>"gedanken ueber die moral" ist fuer mich etwas ganz anderes, als moral selbst.
>moral ist in meinen augen ein wichtiger baustein der zwischenmenschlichen beziehungen.
>zwischenmenschliche beziehungen sind das, was die "modernen" stadter auf ein minimum reduzieren.
>gruss,detlef


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