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Text enthält zeitgenössische Elemente (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 11.09.2013, 10:17 (vor 3882 Tagen) @ IFan (2929 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 11.09.2013, 10:36

Hallo!

Alexander Gann ist es leider nur gelungen, den Text bis 1951, bzw. 1954 zurückzuverfolgen.

Recht viel älter kann er in dieser Form auch gar nicht sein.

Zum Beispiel kommt das Wort Roboter vor (Nr. 36 und Nr. 40 im Treubergtext).

"Die Bezeichnung robot wurde 1920 von Josef Čapek, einem bedeutenden Künstler geprägt, dessen Bruder Karel Čapek ursprünglich den Namen labori verwendet hatte, als er 1921 in seinem Theaterstück R.U.R. in Tanks gezüchtete menschenähnliche künstliche Arbeiter auftreten ließ, die dafür geschaffen worden sind, menschliche Arbeit zu übernehmen und dagegen revoltieren." (Quelle)

Folglich kann dieser Teil des Textes auch nicht früher entstanden sein. Interessanterweise wurde der Begriff "Roboter" von einem Tschechen erfunden, während Gann den Ursprung des Textes tatsächlich nach Tschechien zurückverfolgen konnte. Der Autor kannte sich aus in den nationalen Werken seiner Zeit.

Und in Nr. 39 heißt es:
"Durch geheimnisvolle Strahlen lassen sie Tiere zu ungeahnten Größen wachsen."

Bis ins 19. Jahrhundert war aber völlig unbekannt, daß es außerhalb des sichtbaren Lichts noch weitere "Strahlungen" gibt. Der Begriff "Strahlung" ist zwar alles andere als physikalisch präzise, jedoch liegt seiner Verwendung in dieser Form das moderne physikalische Weltbild zugrunde, wie es sich seit Maxwell (1864) entwickelte.

Folglich kann dieser Teil des Textes auch nicht früher entstanden sein.

Das leuchtet unmittelbar ein. Ein hypothetischer Seher im 17. Jahrhundert kann Dinge, die zwar tatsächlich existieren, aber nicht Teil seines physikalisches Weltbildes sind, weder sehen, noch überhaupt formulieren. Damit meine ich Strahlungen an sich, denn Wachstumsstrahlen gibt es überhaupt nicht!

Daß zwischen dem angeblichen Sterbedatum der historisch nicht nachweisbaren Seherin und der frühesten Nachweisbarkeit ihrer angeblichen Aussagen rund 300 Jahre liegen, in denen nichts darüber zu hören war, sollte doch alle Alarmsirenen heulen lassen. Es wäre schon sehr leichtfertig zu glauben, der Text stammte tatsächlich von dieser Frau.

Tatsächlich handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Konglomerat aus Erfindungen und Versatzstücken anderer Prophezeiungen, das dieser fiktiven Frau zugeschrieben wurde. Das bedeutet nicht, daß nicht einzelne Sätze (vor allem die nicht technischen) einen wahren Kern haben könnten. In dieser Zusammenstellung, in dieser Kombination sind sie wegen der großen Zweifelhaftigkeit der Quelle aber kaum brauchbar.

Beispielsweise bietet die Nr. 54 des Treubergtextes eine erstaunliche Beschreibung der Vernichtung Prags, die das ergänzt, was der Waldviertler aus der Ferne sah (Erdbeben, Orkan, "Feuerball", Stickgase, Erdriß, Finsternis):

„Die Zeit der Erfüllung ist gekommen. Von der Teynkirche höre ich zehn dumpfe Schläge. Ein fürchterlicher Orkan braust über die Stadt. Langsam und trübe wälzen sich die Fluten der Moldau dahin. Graugrüne Schwaden durchziehen die Gassen. Mensch und Vieh windet sich in Krämpfen. Die Erde bebt. Felsen fliegen durch die Luft. Mauern bersten, der Hradschin steht in hellen Flammen. Überall gibt es Feuer. Klüfte öffnen sich, alles versinkt in die Tiefe. Vom Vysehrad wälzt sich ein ungeheurer Feuerball, alles vernichtend, was fleißige Menschenhände geschaffen haben. Die Stadt liegt in Schutt und Asche. Die Erde tut sich auf Alles wird in die Tiefe gerissen. Aus den Gräbern wälzen sich die Skelette. Das Licht ist erloschen, Finsternis herrscht überall, nur das Heulen des Sturmes verdeckt das Unglück. Dort, wo einst der stolze Dom stand, ist nur noch undeutlich der blutrote Ball der untergehenden Sonne zu sehen. Es ist vorbei… Ein babylonischer Fluch ist in Erfüllung gegangen.“

Ein wahrer Kern? (Mir wäre das nur recht!)

Mit dem Jüngertext wollte ich zeigen, daß es um 1950 nicht unmöglich war, sich Mobiltelephone mit internetähnlichen Eigenschaften überhaupt vorzustellen. Daß der Autor von Jünger abgeschrieben hat, war reine Spekulation meinerseits.
Wer weiß, welche technischen Spekulationen zu dieser Zeit noch verfaßt wurden, die der Autor vielleicht gelesen hat? Die Fixierung auf Technik, die für Schauungen und Prophezeiungen völlig atypisch ist, scheint mir jedenfalls auf ein besonderes technisches Interesse des Autors hinzudeuten.

Im Grunde sind die technischen Innovationen, die im Text genannt werden, aber äußerst vage. Stäbe, die Unheil bringen, sich drehende Scheiben im Boden, auf die man Öl schüttet. Na ja...
Man sollte sich mal ansehen, was von dem Text seit den fünfziger Jahren überhaupt eingetroffen ist, wenn man abzieht, was
1. um 1950 bereits existierte, bzw. Geschichte war (z. B. die bleuchteten Straßen und Stubenheizungen)
2. man sich um 1950 nach jüngerscher Manier denken konnte, bzw. was prognostizierbar war.
Da bleibt nämlich eigentlich nichts.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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