wohl nur höchst eingeschränktermaßen (Schauungen & Prophezeiungen)

DvB, Samstag, 29.05.2010, 20:45 (vor 5088 Tagen) @ Heron (5228 Aufrufe)

Moin Heron!

dein Einwand ist aber doch kein Widerspruch zu dem Problem.

Aber sicher. Du behauptest: "Nur wenn Nostradamus Schauungen also geheim oder unbeachtet bleiben, können sie sich erfüllen.". Das stimmt ganz grundsätzlich nicht, weil Kenntnis oder Glaube daran jedenfalls noch gar lange keine Verhinderungsfähigkeit oder überhaupt Verhinderungswillen bedeutet.

Tatsächlich
kann sich eine Schauung, die einen Wirtschaftszusammenbruch beinhaltet,
dann auch wirklich ereignen, wenn nichts dagegen unternommen wird.

Freilich.

Die Anzahl der beteiligten Menschen an einem menschengemachten Problem ist
sicher nicht allein entscheidend. Es hat immer wieder charismatische
Persönlichkeiten gegeben, die allein(!) das Handeln sehr vieler anderer
maßgeblich beeinflußt haben und deren wirken in der Geschichte größere
Spuren hinterlassen haben, als es die allgemeine Hilflosigkeit, wenn eine
solche Person eben fehlt, schließlich zur Folge haben wird. Ich erinnere
an Personen wie Alexander dem Großen, Julius Cäsar, die Diktatoren der
jüngeren Vergangenheit, wie Hitler und Stalin.

Gut, da stimme ich Dir natürlich erstmal zu (muß das aber insofern einschränken, daß es danach ausschaut, daß sich die Welt kausalalistisch, also determiniert verhält und "freier Wille" nur eine Illusion ist. Alexander & Co wären demnach eben einfach das, was sie sind und könnten garnicht anders handeln als sie eben handeln. Auf der Basis will ich Deine These allerdings nicht angreifen, weil es sowieso grundsätzlich sinnlos wäre, in einem determiniertem System was-wäre-wenn-Szenarien zu erörtern...). Wenn wir freien Willen also als real annehmen, hätte einer wie Alexander unter entsprechenden Bedingungen sicherlich die nötige Macht gehabt, um die Zukunft zu ändern. Auch Hitler und Stalin mag das teilweise möglich gewesen sein - aber im Wesentlichen ist das spätestens seit 1789 doch vorbei. Da herrscht das Gesetz der Masse und jeder muß sich weitestgehend "den Umständen" anpassen, womit es so gut wie keine Freigeitsgrade beim Handeln in größeren Maßstäben mehr gibt. Selbst irgendwelche Hintergrundmächte benutzen bestimmte subtile Methoden und könnten nicht einfach plötzlich absolutistisch beliebige Maßnahmen durchsetzen. Schließlich ist noch zu bedenken, daß selbst ein Alexander z.B. in einer bestimmten Weise erzogen wurde, bestimmte Erfahrungen hatte - und somit auch auf eine bestimmte Schiene konditioniert war. Das gleiche gilt für die zwangsläufige Beschränktheit im Überblick auf jegliche erdenkliche Einflußfaktoren. Sowas schränkt Freigeitsgrade beim Handeln nunmal erheblich ein. Es käme dann halt drauf an, wie komplex die zu ändernden Einflußfaktoren auf das betreffende Ereignis wären. Klar: mit einfachen Wald- und Wiesenbeispielen mag das noch vergleichsweise einfach lösbar erscheinen - aber wie wollte ein noch so kluger und mächtiger Mensch z.B. "Papst flieht aus Rom" verhindern, wenn er keinen Plan hat, wann und wieso? (Hatte keine Zeit, weniger zu schreiben. :-P )

Auch weniger politische
Persönlichkeiten wie Nikolaus Kopernikus, Leonardo da Vinci, Albert
Einstein und viele andere haben Weichen gestellt, die vorher nicht
offensichtlich waren.

Der Kasperkopf Einstein hat ungefähr soviele Weichen gestellt wie Otto Waalkes. Nur daß die Kaspereien des Letzteren nicht massenmedial als "Wissenschaft" durchgesetzt wurden.

Ansonsten beinhaltet das Weichenstellertum an sich halt keine politische Macht, die ja nötig wäre, um die Zukunft zu ändern. Sicher: jeder Erfinder/Entdecker hätte zumindest vor der Veröffentlichung - jedenfalls theoretisch - die Wahl, zu veröffentlichen oder auch nicht. Praktisch definiert er sich aber doch gerade dadurch und würde es unter gar keinen Umständen unterlassen. (Die meisten echten Erfinder oder Entdecker liebten ihre Idee mehr als ihr Leben, denn anders wäre es nämlich gewöhnlich unmöglich gewesen, ihr zum Durchbruch zu verhelfen.)

Nun kannst du zwar einwenden, dass aber eben doch viele Menshen dazu nötig
waren eine Umgebung zu schaffen in dem zum Beispiel einem Alexander dem
Großen, ein Spielfeld für seine Aktivitäten bereitet worden war, aber
dennoch wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn Alexander nicht schon
früh gestorben wäre.

Wirklich? Was hätte sich denn großartig geändert? Was erobert man denn, wenn man die ganze bekannte Welt schon erobert hat?

Allein wesentlich ist, dass eine Prophezeiung (und das ist es, so lange
sie sich noch nicht ereignet hat) nicht als Anlass zu ihrer Abwendung
genommen wird. Das verstehe ich unter 'nicht Beachtung'.
Ich meine hier wird immer viel von möglicher Verschiebung in die Zukunft
von geschauten Ereignissen gesprochen. Zum einen mag das daran liegen,
dass die zeitliche Einordnung eben nicht präzise sein konnte, aber zum
Anderen und das ist ein ganz entscheidender Punkt, liegt es eben auch
daran, dass es sich bei einer 'Schauung' auch(!) um eine Prophezeiung
handeln kann, ohne dass dies in jedem Fall dem Seher und noch mehr seinen
Interpreten bewußt sein kann.

Da würde ich Dir zustimmen, sehe aber nicht, wie das wesentlich für das vorliegende Problem wäre.

Das grundsätzliche Problem all dieser Betrachtungen ist, dass wir kein
Wissen darüber haben, ob unsere Zukunft tatsächlich determiniert und damit
unveränderlich bereits feststeht oder ob der Zufall und unsere Intentionen
die Zukunft bestimmen. Ein bisschen Determination und ein bisschen Zufall
wäre nur mit dem Wirken einer höheren Macht, die den Zufall gezielt
manipuliert, möglich. Darüber haben wir aber auch kein Wissen.

Soweit man, empirische Dinge bestreffend, überhaupt von "Wissen" sprechen kann, wissen wir das schon: Es gibt keinen belegten Kausalitätsbruch. (Vernunft ist auf Kausalität fixiert. Kausalität ist in der Wissenschaft ein Axiom. Wenn es widerlegt würde, wäre Wissenschaft vom magischen Kaffeesatzlesen ununterscheidbar und damit als solche sinnlos, desgleichen die Vernunft als Vorurteil widerlegt. Der durch die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik konstruierte "Unschärfe"-Mythos und daraus postulierte echte Zufall allein aus der gegebenen Meß-Unfähigkeit würde die Vernunft und Wissenschaft dementsprechend insgesamt kippen, wenn man sie aufgrund von Belegen tatsächlich ernstnehmen könnte.)

Andererseits könnte man zwar z.B. den radioktiven Zerfall einwenden, der uns vollkommen zufällig erscheint, weil wir keine ersichtliche Ursache wissen. Aber wir wissen für vieles keine Ursache, ohne daß das als sinnvolles Argument für Indeterminismus brauchbar wäre.

Wir wissen es also mindestens insoweit, als wir (abgesehen vom zuweilen intuitiven Eindruck) bisher keinen vernünftigen Grund kennen, den Determinismus zu bezweifeln.

Als letztes könnte man noch einwenden, das es statistische Präzedenzen
geben müsse, wenn es ein Massenphänomen ist, wie die gegenwärtige Finanz-
und Wirtschaftskrise und deshalb das Ergebnis auch ohne Einbeziehung von
Prophezeiungen/Schauungen kalkulierbar ist.

Versuch doch mal, politisch was zu bewegen, dann erlebst Du, welche haarsträubend banalen Gründe dem schon massiv im Weg liegen.

Direkt Statistiken wird da wohl keiner gemacht haben. Immerhin ist evident, daß das Zinssystem bisher spätestens alle 70 Jahre kracht, daß es nie vorher abgebrochen wird und daß gewöhlich irgendwer für schuldig erklärt wird, gegen den dann der Volkszorn kanalisiert wird.

Na ja, wenn das eindeutig so
wäre, bräuchte man ja sowieso keine Schauungskunde betreiben.

Wieso? Du kannst durch Vorbereitung immerhin die Wirkung auf Dich abmildern, wenn Dus schon nicht verhindern kannst.

Aber es
tritt eben gerade nicht immer ein, wass alle Glauben, dass es passieren
müsse.

Darum ging es mir ja nicht - sondern darum, daß dieses Beispiel zeigt, daß Vorherwissen bei Großereignissen noch lange nichts nützt.

Gewiss ist eben nur, dass alles ungewiss ist. Aus diesem quälenden Umstand
speist sich doch das Interesse an Schauungen doch nicht unwesentlich.

;-)

Gruß, DvB


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