Aussaht und Ernte - Fall und Auferstehung

Geschrieben von Elias Erdmann am 09. Mai 2003 23:20:09:

Als Antwort auf: Re: Wo gibt es denn in der Bibel einen Hinweis auf zwei Morgensterne? geschrieben von Epidophekles am 09. Mai 2003 20:24:18:

Hallo Epidophekles

>In Jesaias wird Luzifer gar nicht >Morgenstern< genannt:

Stimmt. In der revidierten Luther-Fassung zwar schon
siehe http://www.bibel-online.net/buch/23.jesaja/14.html#14,12
und in der Vulgata hatte ich auch "lucifer" gefunden, aber die Elberfelder Bibel bestätigt Deine Fassung: "Glanzgestirn, der Morgenröte Sohn". So viel Gestirne kommen da aber nicht in Frage, so dass es letztendlich dann doch auf den Morgenstern Venus hinaus läuft.

>Über Jesus dagegen steht geschrieben:
>Ps. 110,3
>Dein ist die Herrschaft am Tag deiner Macht, wenn du kommst in heiligem Schmuck. Vor dem Morgenstern habe ich dich gezeugt, wie den Tau in der Frühe.

Hier ist wohl wiederum Deine Übersetzung nicht so exakt ;-)

Elberfelder: "... aus dem Schoß der Morgenröte habe ich dich wie Tau gezeugt"

Weiterhin halte ich es für etwas problematisch, die vorchristlichen Psalmen auf Jesus hin zu interpretieren. Aber eine vergleichbare Kraft haben sicher manche Menschen auch damals schon in sich gespürt.

Deine weiteren Zitate über den Morgenstern deute ich ebenso wie Du auch auf Jesus bzw. auf die entsprechende Kraft, die in uns wirkt. Das bestätigt aber eher die Gleichsetzung Morgenstern=Jesus und führt zu keiner davon abweichenden Interpretation.

Eine grundsätzliche Anmerkung: In der traditionellen Auslegung der Bibel wird der Engelsturz oder auch die Vertreibung aus dem Paradies grundsätzlich negativ interpretiert. Und ein "böser" Engel, der sich von Gott abgewendet hat, kann nach dieser Interpretation natürlich nicht identisch sein mit dem "guten" Jesus. Dieser Interpretation kann ich mich aber nicht anschließen, sondern ich sehe in der Individualisierung und Abtrennung einen grundsätzlich positiven Prozess, der notwendig zur Reifung und zur Entfaltung ist. Die Trennung ist notwenig, damit wir selbständig werden.

Es gibt auch deutliche Hinweise in der Bibel, dass auch Jesus diesen Trennungsprozess vollzog bzw. vollziehen musste. Manches ist jedoch etwas symbolisch verklausuliert und ich musste auch erst langsam die Symbolsprache erlernen, um diese Hinweise in voller Deutlichkeit zu erkennen. Der Prozess begann mit dem Abendmahl (Mk 14,25 Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes.), vollzog sich in mehreren Stufen und erlebte den Höhepunkt am Kreuz, wo sich Jesus von Gott verlassen fühlte. Verbunden mit einer schrittweisen Trennung vom Geist kommt auch eine zunehmende Gefangennahme durch die Materie bzw. anfangs durch die weltliche Macht.

Ich habe erkannt, dass Fall und Aufstieg zwei Prozesse sind, vergleichbar mit Ausssagt und Ernte. Das Saatgut muss auf die Erde fallen, damit es sich vermehren kann. Ebenso muss auch der Geist in die Materie fallen, um sich zu vermehren. Und auch diese Vermehrung ist in den Evangelien ein wiederkehrendes Motiv, z.B. das Gleichnis von der Vermehrung der Talente/Geldstücke. Und weil beide Prozesse zusammen gehören, macht es keinen Sinn, die Aussaht böse zu nennen und die Ernte gut.

So habe ich auch kein Problem damit, den Gefallenen und den Auferstandenen als einen zu anzuerkennen.

Das theologische Gesamtkonzept, was dahinter steht, ist etwas komplexer und führt sicher zu weit vom Thema des Forums weg. Es weicht deutlich von der kirchlichen Position ab, aber falls es Dich dennoch interessiert, kannst Du es ja auf meiner Homepage nachlesen.

Das Thema "Vermehrung durch Aussaht und Ernte" habe ich mal in Form eines fiktiven Interviews mit Gott zusammen gefasst: http://home.arcor.de/elias_erdmann/liebesleben.htm

Viele Grüße

Elias


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