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Es gab wohl zwei (!!) chinesische Hochkulturen (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 28.02.2021, 19:04 (vor 1154 Tagen) @ WielandSchmied (2566 Aufrufe)

Hallo!

Die chinesische Kultur war spätestens mit der Han Dynastie bereits voll entwickelt und später Hinzugefügtes ist allenfalls marginal.

Ja. Die Han-Dynastie entspricht dem endgültigen Eintritt in die Zivilisation. Über die vorangegangene tausendjährige Epoche wissen wir wegen der schon damals durchgeführte Kulturrevolution (nur die erste von vielen) und systematische Vernichtung deren Ereuzgnisse kaum etwas.

Trotzdem erwies sich die chinesische Kultur als äußerst anpassungsfähig und führt gegenwärtig die faustische Kultur auf ihrem eigenen Terrain heftig vor. Von einem Fellachentum im spenglerischen Sinne kann zumindest meiner Meinung nach, nicht die Rede sein. China war vor 2000 Jahren und ist es auch jetzt eine beinharte Meritokratie, bar jeder Opferromantik christlichen Typs.

David Engels, der auf Spenglers Basis weiterforscht und sein System mit neueren Erkenntnissen auf den neuesten Stand bringt, kommt zu dem Schluß, daß es zwei unabhängige Kulturzyklen im chinesischen Großraum gab, wobei der zweite (wenn ich mich recht erinnere) etwa gleichzeitig mit Japan (und dem Abendlande) im 8./9. Jahrhundert begann. Während die erste chinesische Hochkultur um den gelben Fluß herum entstand, hatte die zweite ihren Schwerpunkt im Süden, der zur Zeit des ersten Zyklus noch nicht von Chinesen besiedelt war. Der zeitliche und räumliche Marker dürfte sich etwa in der Zeit der "Fünf Dynastien und Zehn Reiche" befinden. In Südchina hatten sich erneut Nationen gebildet, die ein eigenen Zyklus durchliefen. Dagegen setzten sich in Nordchina, dem ehemaligen Zentrum der ersten Kultur, die als niedergegangene Zivilisation zur Beute für Fremdvölker wurde, die Mongolen durch.

China als monolithischen Block zu betrachten, welcher der Geschichte trotzt und durch die Jahrtausende stabil bleibt, ist wohl eher der Unkenntnis und der Distanz der Europäer geschuldet, für welche die vielfältigen und undurchsichtigen Unterschiede innerhalb Chinas aus der Ferne zu einer Einheit verschmelzen, die es tatsächlich nicht war.
Das wäre etwa so, als würde ein Chinese mit Blick auf Europa den griechisch-römischen und späteren abendländischen Zyklus für eine große Kultur halten, weil er nur sieht, daß sie von einem vergleichsweise kurzen dunklen Zeitalter getrennt sind und auch die Abendländer sich an den Römern orientieren und Latein weiterverwenden. Er käme dann auf eine dreieinhalbtausendjährige Kontinuität von Mykene bis Amerika. Wir wissen, daß das nicht stimmt.

Ähnliches gilt auch für Indien, die das aber metaphysisch etwas anders handhaben.

Mit Indien kenne ich mich weniger aus. Ich unterstelle mal vorsichtig, daß es im Prinzip ähnlich ist wie in China. Die Unterschiede zwischen den südindischen und nordindischen (eher arisch geprägten) Ethnien sind augenfällig.

Was sowohl dem indischen als auch dem chinesischen Kulturkreis abgeht, sind die die Brüche, die für die Entwicklung der europäischen Zivilisation so typisch sind.

Das halte ich für eine Frucht mangelnder Beschäftigung. Über die Jin-Dynastie (265-420) spuckt Wikipedia z. B. aus:
"Zur Gründungszeit der Westlichen Jin hatte die Bevölkerungszahl noch längst nicht wieder die der Östlichen Han-Zeit erreicht. Die Wirren der acht Könige sowie der sechzehn Reiche reduzierten die Bevölkerung weiter. Es kam während der sechzehn Reiche wiederholt landesweit zu Massakern. Den Kriegen folgten Seuchen und Hungersnöte, was die Bevölkerung weiter dezimierte. Es herrschten Zustände, wo 'Menschen sich gegenseitig fressen und von zehn fünf bis sechs an Hunger sterben.'"

Auch die nachfolgende Zeit, die gar keinen einheitlichen Namen hat, sondern sich aus verschiedenen "südlichen und nördlichen Dynastien" zusammensetzte, war von Reichszerfall und ausgedehnten Überfällen und Landahmen durch barbarische Fremdvölker geprägt. Mir scheint, China war zu dieser Zeit nicht grundsätzlich von Europa mit Germaneneinfällen, Völkerwanderung und Eindringen fremder Religionen verschieden.

"Die Herrschaft der Nomadenvölker über Nordchina öffnete die Handelswege nach Westen wieder, und über Turkestan drang der aus Indien kommende Buddhismus nach Nordchina ein."

In Europa waren es Germanen und Slaven, die kurzlebige Reiche gründeten, während aus dem Osten das Christentum eindrang.

Erst mit der Sui-Dynastie und der Tang-Dynastie, die mit unserer Merowinger- und Karolingerzeit gleichzusetzen wären, ging es in China, aber mit neuem Zentrum im Süden, von dem eine neue Kultur ausging, wieder langsam aufwärts.

Eine Einteilung der chinesischen Geschichte nach Altertum, Mittelalter, Neuzeit usw. macht wenig Sinn.

Das hat auch für uns wenig Sinn, hält sich aber wie jeder Unsinn hartnäckig. Spengler wollte dieses auf reiner Oberflächlichkeit beruhende Triptychon eigentlich abschaffen und bezeichnete seine Philosophie als "kopernikanische Wende" im Geschichtsbild, weil er der Nabelschau der Europäer, die alle Welt um sich kreisen wähnen, ein umfassenderes Bild entgegenhielt.

Die Unterschiede zwischen einem Mao und dem 1. Kaiser der Quin Dynastie sind zu vernachlässigen.

Völlig richtig. Der erste Kaiser der Qin-Dynastie steht im Zyklus der ersten chinesischen Hochkultur an der selben Stelle wie Mao im Zyklus der zweiten.
Dem entsprechend hätte das politische Programm, das Qin Shihuangdi zugrundelegte, auch von Mao angewandt werden können, wie ich hier bereits ausführte.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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